Carla Rempfler aus Cazis ist keine ängstliche Frau. Mit Mittelpudel «Luke» und Zwergpudel «Laila» geht sie häufig im Domleschg sowie auch in der Umgebung von Chur spazieren; dem Rhein entlang, auf Wiesenwegen und – speziell an heissen Sommertagen – im Wald. Damit bewegt sie sich genau im Territorium des Calanda-Wolfsrudels, das im Frühjahr 2012 erstmals Nachwuchs bekommen hat – und das schnell wächst: Erst kürzlich haben Wildhüter nachgewiesen, dass das Rudel dieses Jahr vier weitere Welpen bekommen hat.

«Ich begrüsse die Rückkehr des Wolfes in die Schweiz», betont Rempfler. Nichtsdestotrotz sei sie – und viele ihrer «Hündeler»-Kollegen – verunsichert: «Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir auf einem Spaziergang einem einzelnen Wolf oder dem ganzen Rudel begegnen? Müssen wir künftig singend durch den Wald marschieren, damit uns die Wölfe frühzeitig bemerken?» Denn, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu, als «echter Hündeler» sei man natürlich mehr in Sorge um den Hund als um sich selber.

Hunde, die alleine unterwegs sind, könnten dem Wolf zum Opfer fallen
Christina Steiner vom Verein «CHWOLF» gibt Entwarnung. «Die Chance, dass ein Hundehalter mit seinem Hund auf dem Spaziergang einem Wolf oder gar dem ganzen Rudel begegnet, ist äusserst gering.» Der Wolf sei sehr scheu und meide in der Regel Begegnungen mit Menschen – unabhängig davon, ob diese mit oder ohne Hund unterwegs sind. «Mit seinen feinen Sinnen bemerkt er den Menschen frühzeitig und sucht das Weite. Es ist darum nicht nötig, dass man sich durch laute Geräusche oder Singen bemerkbar macht.» Und wie sieht das aus, wenn man eine läufige Hündin ausführt? Christina Steiner sagt: «Auch mit einer läufigen Hündin an der Leine ist die Chance, einem Wolf zu begegnen, nicht grösser. Ein Wolfsrüde ist nur während der Ranzzeit, das ist je nach Region zwischen Januar und März, zeugungsfähig. Nicht wie Hunderüden während des ganzen Jahres.» Er würde sich deshalb nicht für eine läufige Hündin interessieren.

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Mit «Luke» und «Laila» geht Carla Rempfler häufig in einem «Wolfsgebiet» spazieren.
Bild: Ursula Känel Kocher

«Anders sieht es jedoch aus, wenn Hunde alleine unterwegs sind. Hofhunde zum Beispiel, die in Wolfsgebieten herumstreunen, oder auch Hunde, die sich auf dem Spaziergang ‹verselbstständigen›, können durchaus dem Wolf zum Opfer fallen – denn Hunde wie auch Katzen oder andere Haustiere gehören ganz klar in sein Beutespektrum», sagt Christina Steiner. Vor allem während der Wintermonate halten sich Wölfe eher in Siedlungsnähe auf, da sie ihren natürlichen Beutetieren, dem Reh- und Rotwild, folgen – und diese ziehen bei viel Schnee in tiefere Lagen. Die Wolf-Spezialistin relativiert: «Die Gefahr, dass der Hund beim Wildern oder Verfolgen einer Wild- oder Wolfsfährte von einem Jagdaufseher gesehen und abgeschossen wird, ist sicher grösser, als dass es tatsächlich zu einer Begegnung mit einem Wolf kommt.»

Hier liege die Verantwortung ganz klar auch beim Hundehalter. «Da meine Hunde gut gehorchen, laufen sie meist frei, bleiben aber in Sichtweite», sagt Carla Rempfler. Christina Steiner rät, in bekannten Wolfsgebieten den Hund vor allem in den frühen Morgenstunden und abends an die Leine zu nehmen, da der Wolf dämmerungsaktiv sei. Einen generellen Leinenzwang für Hunde lehnt die Wolf-Expertin aber ab: «Das ist weder sinnvoll noch praktikabel.» Sie appelliert an die Eigenverantwortung der Hundehalter, sich angemessen der lokalen Situation und den gesetzlichen Bestimmungen gegenüber zu verhalten.

Eine Frage, die Rempfler mit ihren «Hündeler»-Kollegen ebenfalls diskutiert hat: Wie sieht das mit der Tollwut aus? «Der Hauptüberträger von Tollwut ist der Fuchs. Da in Osteuropa die Tollwut noch vorkommt, ist es nicht ausgeschlossen, dass einzelne, infizierte Füchse nach Italien oder Österreich einwandern. Wäre dies der Fall, würden die Füchse sofort mit ausgelegten Impfködern geimpft. Die Gefahr, dass ein mit Tollwut infizierter Wolf in die Schweiz einwandert, ist daher sehr gering», erklärt Steiner.

Die Begegnung mit Herdenschutzhunden birgt mehr Konfliktpotenzial als der Wolf  
Was aber, wenn es doch einmal zum Treffen mit einem Wolf kommt? Die Expertin rät, in diesem Fall einfach ruhig stehen zu bleiben und dem Tier die Gelegenheit geben, sich zurückzuziehen. «Nähert sich der Wolf aber dem angeleinten Hund und ignoriert den Menschen, sollte man den Wolf laut ansprechen und in die Hände klatschen. Dies wird ihn auf Abstand halten oder in die Flucht schlagen.» Wenn nicht, sollte man langsam rückwärtsgehen, dabei laut sprechen und den Hund nahe bei sich halten. «Auf keinen Fall sollte man dem Wolf den Rücken zudrehen und wegrennen. Und unbedingt dafür sorgen, dass der Hund nicht versucht, den Wolf anzugreifen.»

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Quelle: CHWOLF (YouTube/Agridea515)

Apropos: Zum Schutz der Schafherden sind in den betroffenen Regionen Herdenschutzhunde im Einsatz. «Die Chance, dass man auf einer Wanderung auf Herdenschutzhunde trifft, ist ungleich grösser als eine Begegnung mit einem Wolf», sagt Steiner. Hier komme es immer wieder zu Konflikten, weil Wanderer mit ihren Hunden mitten durch die von Herdenschutzhunden bewachten Schafherden marschieren – statt diese weiträumig zu umgehen. «CHWOLF» hat deshalb die wichtigsten Verhaltensregeln sowie einen Kurzfilm über die korrekte Begegnung mit Herdenschutzhunden im Internet aufgeschaltet.