Langsam, aber sicher füllen sich die Käfige. Es ist neun Uhr. Der zweite Tag der Internationalen Katzenausstellung in Frauenfeld TG ist angebrochen. Während einige ihre Lieblinge bereits in den dafür vorgesehenen kleinen Wohneinheiten untergebracht haben, karren andere noch immer aufeinandergestapelte Transportboxen herein. Die Stimmung unter den Menschen ist aufgeräumt. Es wird Kaffee getrunken, geplaudert und gelacht. 

Durch die Anordnung der Käfige sind in der Turnhalle kleine, quadratische Quartiere entstanden, in denen sich die Aussteller mit Plastikstühlen und Klapptischen gemütlich einrichten. Hinter den Gittern räkeln sich Katzen-Schönheiten – wobei die tierschutzkonforme Ausstattung der Unterkünfte mit Vorhängen und flauschigen Rückzugsmöglichkeiten einen eher an winzige Luxus-Appartements als an Käfige denken lässt. Wasser, Futter, Kistchen, Hängematte und Bettchen sorgen dafür, dass sich die alleine oder zu zweit untergebrachten Katzen wohlfühlen. 

Das prüfende Auge der Tierärztin
Katzen, welche bereits am Vortag ausgestellt und bewertet wurden, dürfen direkt einziehen. Der Rest muss sich von Tierärztin Slavica Katalic untersuchen lassen. «Wir stellen sicher, dass keine Krankheiten hineingetragen werden», erklärt Katalic, während sie eine Katze mit geübtem Griff auf dem Tisch festhält. In den allermeisten Fällen seien die vorgestellten Katzen gesund: «Ich mache diese Untersuchungen nun schon mehrere Jahre und mehrmals pro Jahr – Krankheitsfälle kann ich an einer Hand abzählen.»

Auch die kleine Fortuna gehört zur gesunden grossen Mehrheit, bei der die Tierärztin nichts zu beanstanden hat. Die vier Monate junge Britisch-Kurzhaar-Katze hat ihr Quartier, das sie mit dem neun Monate alten Kater Everest teilt, bereits bezogen. Eingerollt liegt das Kätzchen in seinem weichen Bett, scheinbar unberührt von der Geschäftigkeit ausserhalb der vier Wände. Auch als Besitzerin und Züchterin Rosmarie Walker Fortuna aus dem Käfig hebt, bleibt der Ausstellungs-Neuling schnurrend-gut gelaunt und völlig gelassen. Sie habe ein gutes Gefühl, sagt Walker denn auch erfreut: «Fortuna ist wesensstark.» Eine scheue Katze würde sie nie ausstellen: «Die wäre nur gestresst.» Die erste Ausstellung sorge aber trotzdem immer für etwas Herzklopfen. 

Der Preisrichter bewertet drei junge Maine Coon an der Internationalen Katzenausstellung in Frauenfeld TG. Das Büsi ganz rechts ist der Favorit des Preisrichters, das linke ist aber auch vielversprechend. Das Kätzchen in der Mitte hat zu grosse Pfötchen (Video: Andrea Trueb).

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Rosmarie Walker züchtet seit 16 Jahren Britisch-Kurzhaar-Katzen. Die Rasse sei friedlich und etwas faul und passe damit perfekt zu ihr. «Wie es Füdli uf en Schoss», sagt sie und lacht. Gemeinsam mit Ehemann Albert und Tochter Antonia führt die 56-Jährige ein regelrechtes Katzenhaus, in welchem aktuell 32 Katzen wohnen. Während zwei von drei Familienmitgliedern jeweils an die Ausstellung reisen, kümmert sich der oder die Daheimgebliebene um das Wohl der restlichen Katzen. «Ferien», sagt Walker, «gibt es nicht.» Bei so vielen Katzen sei das Risiko viel zu gross, dass etwas passiere und ein kleines Problem zu einem grossen werde. 

Feiern, ermutigen – und etwas lästern
Auch Tochter Antonia Walker ist eine angefressene Züchterin, die sich ihrerseits auf die Rassen Maine Coon und Devon Rex spezialisiert hat. Insgesamt acht Katzen hat die 33-Jährige an der Ausstellung mit dabei – und ist entsprechend beschäftigt. Schliesslich müssen die einzelnen Tiere teilweise mehrfach und zur rechten Zeit den Richtern vorgestellt und zuvor jeweils noch einmal kurz zurechtgemacht werden. Da wird eine Mähne durchgebürstet und dort ein Futter-Fleck am Kinn entfernt, damit die Katze auch wirklich das volle Ausmass ihrer Schönheit zeigt. Stehen zwei Bewertungen gleichzeitig an, packen Mutter und anwesende Zuchtkolleginnen mit an. Auch als Kater Everest einen Fellknäuel herauswürgt und die Liegedecke verschmutzt, während Mutter und Tochter andersweitig beschäftigt sind, greift eine Kollegin eilig ein und putzt ungefragt, was geputzt werden kann. 

Der Austausch und die Freundschaft mit Gleichgesinnten ist es denn auch, was Rosmarie Walker nebst der Freude an ihren Katzen an ihrem Hobby so schätzt. «Ich bin Mitglied des British Kurzhaar Club Schweiz», erzählt sie. «Man trifft sich, man kennt sich. Enttäuschungen werden aufgefangen und Erfolge gefeiert und natürlich wird gelästert – aber nie böse.» Finanziell gehe das Ganze bestenfalls «häb chläb» auf, sagt Walker. Insbesondere die Tierarztkosten seien hoch, schliesslich gebe eine seriöse Züchterin ihre Tiere geimpft, gechipt und – ausser im Fall von Zuchttieren – kastriert ab. Ausserdem müssten rassenspezifische Untersuchungen gemacht werden. Emotional hingegen schaue für sie sehr viel raus. 

Seit 9.30 Uhr sitzen vier Richterinnen und Richter an den Bewertungstischen am Saal­ende – ausgerüstet mit leuchtigfarbenen Katzenangeln, mit denen sie ihre Exploranden in die gewünschte Position locken können. Sie werden unterstützt von Assistenten, die unter anderem dafür sorgen, dass die richtigen Tiere zu ihnen gebracht werden und die Tischplatten sauber und desinfiziert sind. Als Britisch Kurzhaar gehört Fortuna zur Kategorie 3 der Kurzhaar-Rassen und wird an den beiden Ausstellungstagen als Nr. 128 geführt. 

«Der Motor läuft»
Kurz vor Mittag ist es so weit und Richterin Marina Vinkel ruft Fortuna zur Bewertung auf. Jede Rasse werde ihren Vorzügen entsprechend präsentiert, erklärt Rosmarie Walker, während sie Fortuna in der ihr vertrauten Transportbox nach vorne trägt. Bei den Britisch Kurzhaar soll – vereinfacht gesagt – alles möglichst rundlich scheinen, weswegen die Aussteller ihre Tiere in einer rundlich-sitzenden Position präsentieren. Durch ihre Erfahrung wissen Rosmarie und Antonia Walker genau, wo die Stärken und Schwächen ihrer Ausstellungstiere liegen. So besteht die Herausforderung bei Fortuna etwa darin, dass die vier Monate alte Katze mit noch etwas grossen Ohren und kleinen Augen gegen sieben Monate alte Tiere antreten muss, die bereits über etwas harmonischere Körperproportionen verfügen. Als Stärke sieht Rosmarie Walker ihre «blau schildpatt bicolour» genannte Fellfarbe an, die auch ein Laie als ungewöhnlich schön erkennt. 

«Die Maschine funktioniert, der Motor läuft», scherzt Richterin Vinkel, als sie Fortuna auf den Arm nimmt und ihr fachkundig über den Pelz streicht. «Wunderschöne Fellfarbe und vielversprechende Augenfarbe», lobt sie dann in Richtung Rosmarie Walker, die nun ihrerseits glücklich strahlt. Auch der Rest der Bewertung entspricht exakt den von der Züchterin im Vorfeld geäusserten Erwartungen. Fortuna – Tochter von El Niño vom Dornenbusch aus Rheinfelden und Rosalie aus Kasachstan – schneidet in ihrer Klasse mit einem «Vorzüglich 1» ab. Das Resultat ist eine gute Grundlage für ihre weitere Show-Karriere. So kann etwa an der Weltausstellung nur teilnehmen, wer sich vorher dafür qualifiziert hat. Für Rosmarie Walker sind die Auszeichnungen zwar erfreulich, machen aber nicht die Welt aus: «Am Ende des Tages nehme ich meine Katze glücklich mit nach Hause. Wir Züchter wissen schliesslich genau, warum wir uns für ein bestimmtes Tier entschieden haben.»