Eigentlich ist Alfonso Capone ein lieber und verschmuster Kater. An einem warmen Sommermittag vor eineinhalb Jahren sah «Capo» allerdings rot. Weil sich eine Bissverletzung am Rücken entzündet hatte, stand ein Besuch beim Tierarzt an. «Ich stellte ihn in seinem Katzenkörbchen vor die Tür, weil wir auf das Taxi warten mussten», erinnert sich Besitzerin Cinzia Venafro: «Irgendwie schaffte er es, dieses blöde Körbchen aufzubrechen.» In diesem Moment habe sie nur noch einen Gedanken im Kopf gehabt, nämlich den verletzten Kater zu schnappen bevor er sich im Garten verkriechen konnte: «Er musste ja dringend zum Tierarzt.» 

Sie sei ihm also ins Gebüsch nachgerannt und habe ihn – wie in solchen Fällen üblich – mit einer Hand im Genick gepackt. Blöderweise sei sie dabei mit ihrer anderen Hand in die entzündete Wunde des Katers geraten, erzählt Venafro weiter: «Capo fauchte und zappelte, aber ich liess ihn nicht los. Da ist es passiert: Er biss und kratzte wie verrückt. Meine Hände und Arme waren bis zu den Ellenbogen blutig. Es tat wahnsinnig weh.»

Eine Hand wie ein Ballon
Weil der Arzt erst am späten Nachmittag einen Termin frei hatte, sei sie in der Apotheke vorbeigegangen und habe Desinfektionsmittel und Pflaster gekauft. Die Apothekerin habe sie noch gefragt, ob sie wirklich so lange warten wolle. «Aber ich hatte ja zu dem Zeitpunkt noch keine Ahnung, dass ein paar Stunden Warten so schlimme Folgen haben können.» 

Als sie schliesslich in der Arztpraxis angekommen sei, habe man ihr umgehend Antibiotika verabreicht und für die tiefen Wunden noch vor Ort ein eineinhalbstündiges desinfizierendes Bad verordnet. Beide Arme eingegipst, kehrte Venafro am Abend nach Hause zurück – im Glauben, das Schlimmste überstanden zu haben. Von wegen. 

 «In dieser Nacht habe ich vor Schmerzen geschrien», erinnert sich Venafro. Der Kontrollbesuch beim Arzt am nächsten Morgen erklärte die Schmerzen: «Die linke Hand war aufgeblasen wie ein Ball. Sie schickten mich sofort auf die Notaufnahme des Unispitals, wo man mir unter Lokalanästhesie die Handfläche aufschnitt und versuchte, die Wunden zu säubern.» Sie sei vor Schmerzen beinahe durchgedreht. Nach eineinhalb Stunden habe man die Wunden verschlossen und sie wieder nach Hause geschickt. 

«Wie eine Giftspritze»
Wieder einen Tag später, inzwischen war es Sonntag, hätten die Wunden noch einigermas­sen gut ausgesehen. Aber schon bei der nächsten Kontrolle am Montag habe der Pflegefachfrau ein kurzer Blick genügt, um den Chefarzt der Handchirurgie herbeizurufen. Venafro: «So ein Panik-Biss ist wie eine Giftspritze.» 

Es folgten eine aufwendige Operation und ein neuntägiger Spitalaufenthalt. Anschlies­send war Venafro während zwei Monaten krank geschrieben und musste eine intensive Hand-Physiotherapie absolvieren. «Heute kann ich sagen: Es geht mir wieder gut.» Lediglich auf dem Velo, wenn sie mit der linken Hand die Bremse bedienen wolle, merke sie, dass sie weniger Kraft habe. Zudem seien die Narben wetterempfindlich. 

Wie fatal die Folgen von Bissen sein können, hat nicht nur Venafro selber, sondern auch ihr Kater Capo am eigenen Leib erfahren. Während Venafro im Spital wegen Capos Bissen behandelt werden musste, verschlimmerte sich die Wunde, die sich der Kater bei Revierkämpfen oder durch den Biss eines Fuchses zugezogen hatte. «Er hatte dieselben Bakterien wie ich und musste ebenfalls operiert und mit Antibiotika behandelt werden.» 

Inzwischen hat sich aber auch Capo gut erholt. Die beiden Biss-Opfer wohnen allerdings nicht mehr zusammen. Sie habe den einst so anhänglichen Kater nach dem Vorfall nicht mehr berühren können, sagt Venafro. Sie habe sich dann beim sowieso gerade anstehenden Umzug dazu entschieden, Capo bei dem ihm vertrauten Nachbarn zurückzulassen. «Mit viel Trauer trennte ich mich von ihm.» Richtig glücklich, endlich die einzige Katze im Haus zu sein, war dafür aber die 14 Jahre alte Dame Venere. Plötzlich war sie die Königin im Haus – ohne wilden Kater, der sie immer jagte.