An die Wand geworfen, stranguliert, oder in die Tiefkühltruhe gesteckt: Katzen werden sehr häufig Opfer von äusserst brutalen Delikten. Dies zeigen die Fälle, von denen die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) Kenntnis hat. Gleichzeitig geht die Stiftung davon aus, dass viele Quälereien noch immer nicht angezeigt – oder gar nicht erst bemerkt werden. Tatsächlich wurden in den letzten Jahrzehnten immer etwa vier Mal weniger Strafverfahren wegen Katzen geführt, als wegen Hunden – und dies obwohl in der Schweiz doppelt so viele Katzen wie Hunde leben. 

Eine plausible Erklärung, warum Katzen weniger häufig gequält werden sollten als Hunde gibt es nicht – im Gegenteil. So hält TIR 2012 fest, dass insbesondere Freigängerkatzen exponierter sind als andere Tiere: «Tierquälereien an den leicht zugänglichen Opfern sind viel einfacher.» Im Rahmen der Rechtsauskunft machte die Stiftung zudem die Erfahrung, dass Katzen nicht selten die Ursache für nachbarschaftliche Streitigkeiten sind: «Sie versäubern sich in fremden Gärten oder zerkratzen fremde Autos und werden als Folge Opfer tierquälerischer Handlungen.»

Machtgefühl und Geiz
«An der Katze können wir unsere Macht über Tiere gnadenlos ausleben», sagt Markus Wild, Professor für theoretische Philosophie an der Uni Basel. Manche Leute seien sogar der Ansicht, dass sie etwas Richtiges tun würden, wenn sie Katzen ertränkten oder gegen eine Wand schlügen: «Es gibt zu viele Katzen. Wir müssen ihre Zahl reduzieren und das darf uns nichts kosten. Hier kommt zur Macht noch Verantwortungslosigkeit hinzu, gepaart mit brutalem Geiz.» Wer Katzen aus Vergnügen quäle oder aus Gleichgültigkeit vernachlässige, habe einen wichtigen moralischen Charaktertest nicht bestanden, sagt Wild weiter. «Unsere Menschlichkeit misst sich daran, was wir mit den Tieren anstellen.»

Ein vertiefter Blick auf die Straffälle, in denen 2016 Strafbefehl erlassen wurde, lässt einen an der von Wild beschriebenen Menschlichkeit zweifeln. So erdrosselte ein Jugendlicher gemeinsam mit einer weiteren Person eine herumstreunende kranke Katze und vergrub den Kadaver im Wald. Ein weiterer Beschuldigter warf seine Katze von seinem Balkon im neunten Stock. Das Tier starb. In zwei Fällen schossen die Beschuldigten auf Katzen, weil sie sich durch diese gestört fühlten. Und in einem weiteren Fall schlug eine Beschuldigte einer ihrer Katzen mit einem Hammer zwei Mal auf den Kopf und verletzte diese schwer.

Wieder ein anderer Beschuldigter, der nicht damit einverstanden war, dass sich die Katze seiner Freundin im Zimmer aufhielt, packte das Tier am Nacken und versuchte, sie hinauszuwerfen. Dabei flog die Katze gegen die Wand, erlitt einen Nasenbruch und verlor einen Zahn. Eine weitere Katze wurde Opfer eines ehelichen Streits. Der Beschuldigte nahm die Katze, die ihm und seiner Partnerin gehörte, und schnitt ihr die Kehle durch. Anschlies­send schlug er das tote Tier gegen die Wand. 

Vergleichsweise milde Strafen 
Um einen Eindruck zu bekommen von den Strafen, mit denen Täter rechnen müssen, sofern sie beobachtet, angezeigt und verurteilt werden: Gegen den Mann, der die Katze seiner Freundin an die Wand warf, wurde eine Busse von 600 Franken und eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 30 Franken verhängt. Weil er sich in der Probezeit erneut schuldig machte, wurde die bedingte Geldstrafe auf 45 Tagessätze zu 30 Franken erhöht. 

Beim Jugendlichen, der eine Katze strangulierte, fand die Jugendstrafgesetzgebung Anwendung. Entsprechend wurde keine Freiheitsstrafe oder Geldstrafe ausgesprochen. Und der brutale Tod der Katze, der der Ehemann beim Ehestreit die Kehle durchgeschnitten hatte, wurde mit einer Busse von 6000 Franken sowie einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 210 Franken gesühnt. 

Wieso ausgerechnet Katzen? Laut Helen Sandmeier vom Schweizer Tierschutz STS muss die Anzahl gequälter, vernachlässigter oder ausgesetzter Katzen auch in Relation zur grossen Zahl der Katzen gesehen werden, die in der Schweiz leben, nämlich 1,6 Millionen. Aber auch ihr Wesen trage dazu bei, dass Büsi nicht bei allen Menschen gern gesehen seien: «Ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit, aber auch die Tatsache, dass der bravste Stubentiger ein Raubtier bleibt und Vögel und Mäuse jagt.»

«Katzen haben das Problem, dass sie als Babys und Jungtiere extrem liebenswert sind und einen überbordenden Jöh-Effekt haben», sagt Wild dazu. Im Alter verlören sie diese Attraktivität aber häufig und würden zu mitleidlosen Jägern, die aggressiv, mürrisch und opportunistisch wirken und an Augen, After, Krallen und Drüsen wenig liebenswerte Infekte oder Erkrankungen haben könnten. Dann sei es bei vielen Menschen vorbei mit dem Liebhaben: «Alle mögen Katzenkinder, viele verabscheuen erwachsene und alte Katzen.» 

Das Hauptproblem sei aber die Stellung der Tiere in der Gesellschaft, die zur Brutalität geradezu einlade. «Tiere haben immer weniger Macht und Rechte als wir», sagt Wild. So würden wir etwa den schlechten Umgang mit Hühnern und Schweinen billigen oder zumindest ignorieren und kauften in Deutschland billiges Fleisch ein. «Das bedeutet, wir lassen es zu, dass Tiere wie billige Ware und schlechtes Verbrauchsmaterial behandelt werden. Wir lassen die schlechte Behandlung als Gesellschaft zu.»