Das Rätsel hat schon Charles Darwin umgetrieben, den Begründer der Evolutionstheorie: Warum weisen Haustiere vom Schaf über das Kaninchen und den Hund bis zu den Fischen die gleichen, typischen Haustiermerkmale auf? Ein internationales Forscherteam liefert nun eine mögliche Erklärung.

Viele Haustiere haben zum Beispiel Schlappohren, eine rundliche Kopfform, gefleckte Körperfarben, kleinere Zähne und ein kleineres Hirn. Sie sind nicht durch gezielte Zuchtauswahl entstanden, schreiben Adam Wilkins von der Humboldt-Universität in Berlin und zwei Kollegen aus Österreich und den USA im Fachjournal «Genetics».

Weniger Stresshormone und Adrenalin
Die Forscher führen nun dieses «Domestikations-Syndrom» auf einen einzigen, gemeinsamen Nenner zurück: Einen kleinen Zellhaufen, der während der Embryonalentwicklung entsteht. Aus der sogenannten Neuralleiste entstehen Teile des Schädels, der Knorpel der Ohren, die Zähne, die Pigmentzellen der Haut und die Nebenniere.

Leichte Defekte derselben können dazu führen, dass die Nebennieren weniger Stresshormone und Adrenalin ausstossen – die Tiere sind dann zahmer und weniger aggressiv. Die Züchter könnten also bei der Auswahl von besonders sanften Tieren solche ausgewählt haben, die leichte Neuralleisten-Defekte aufwiesen, schreiben die Forscher.

Diese brachten kleinere Fehlbildungen am Schädel, den Ohren, den Pigmentzellen und auch am Gehirn mit sich. Ob dieser Grund tatsächlich die gemeinsamen Merkmale bei so unterschiedlichen Tieren wie Ziegen, Ratten oder Katzen erklärt, könnten Vergleiche des Erbguts verschiedener Haustiere mit ihren wilden Verwandten erhellen, schreiben die Forscher. Zumindest das Erbgut des Hundes, des Hausschweines und der Ratte sind bereits entschlüsselt.

Originalpublikation:
Adam S. Wilkins, Richard W. Wrangham, and W. Tecumseh Fitch: «The “Domestication Syndrome” in Mammals: A Unified Explanation Based on Neural Crest Cell Behavior and Genetics». Genetics July 2014 197:795-808
doi:10.1534/genetics.114.165423