Elisa hat gerne Besuch. Neugierig geht sie auf den Besucher los, schnuppert, schmiegt sich an seine Beine und schnurrt. Doch ihr Gang unterscheidet sich von dem einer gesunden Katze. Immer wieder knickt sie mit einem Bein ein und rutscht leicht weg. Beim Anschmiegen fällt sie auch einmal auf die Seite. Elisa lässt sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Sie will jetzt Neues entdecken und ihr schönes weiss-rotes Fell soll gestreichelt werden. «Sie macht alles, was andere Büsi auch tun», sagt Beatrice Hafner von der Katzenauffangstation Samtpfoten in Not in Bergdietikon AG. «Aber durch die Ataxie hat sie Mühe, ihre Bewegungen zu koordinieren.»

Der Verein ataxiekatze.de beschreibt Ataxie als ein «fehlerhaftes Zusammenspiel verschiedener Muskelgruppen bei der Ausführung von Bewegungen». Erkrankungen oder Verletzungen führten zu einer Schädigung von Bereichen des Nervensystems und diese wiederum habe zur Folge, dass das Gehirn die Bewegungen nicht mehr richtig steuern kann. «Es gibt unterschiedliche Ataxie-Formen mit unterschiedlichen Ursachen», erklärt Katrin Beckmann, Oberärztin in der Neurologie des Tierspitals Zürich. «Es gibt erworbene Formen, zum Beispiel durch Verletzungen oder Entzündungen, oder angeborene Formen.» Bei erworbenen Formen sei es allenfalls möglich, die Katze zu behandeln, zum Beispiel durch eine Operation. «Dafür muss die Ursache zuerst genau abgeklärt werden», sagt Beckmann. Angeborene Störungen – so wie bei Elisa – seien eher nicht behandelbar. Solche Katzen würden die Ataxie aber auch nicht als grosses Problem wahrnehmen. 

Der Boden sollte nicht zu glatt sein
Mittlerweile hat sich Elisa zu den Katzenbäumen begeben und beginnt, hochzuklettern. Mit viel Anstrengung gelingt es ihr. Manchmal gleicht sie mit den Hinterbeinen das aus, was die Vorderbeine gerade nicht richtig machen, oder umgekehrt. «Elisa ist die erste Ataxiekatze, die zu mir gekommen ist», sagt Beatrice Hafner. Sie musste sich zuerst über diese Behinderung und die Bedürfnisse von Elisa informieren. «Ich habe bald festgestellt, dass Elisa sonst eine ganz normale Katze ist», sagt sie. Sprich: Sie klettert beispielsweise genau so gerne wie andere Katzen. «Weil sie Probleme mit den Bewegungen hat, besteht die Gefahr, dass sie mal runterfällt.»

Deshalb habe sie die Katzenbäume näher zueinander gestellt und die Abstände zwischen den verschiedenen Liegeelementen verringert, damit das Klettern für Elisa einfacher werde. Es empfehle sich auch, unter den Katzenbäumen und ohnehin überall dort, wo eine Katze hochklettern könnte, einen Teppich oder weiche Unterlagen anzubringen. Denn mit den Koordinationsstörungen kann sie sich auf dem Boden nicht so flink auffangen wie eine gesunde Katze. «Der Boden spielt sowieso eine wichtige Rolle», erklärt Hafner. «Ist der Untergrund zu glatt, hat Elisa grosse Mühe, sich fortzubewegen, weil sie immer wegrutscht.»

Elisa hat es sich nun in einem Körbchen bequem gemacht. Sie braucht eine Pause. Das komme öfters vor, hat Hafner festgestellt. «Es kostet sie viel Kraft und Energie, sich zu bewegen, weil die normalen Bewegungsabläufe nicht richtig funktionieren. Deshalb ruht sie sich öfter aus als die anderen Katzen.» In ihrem Körbchen fühlt sie sich wohl, sie schnurrt, lässt sich streicheln, putzt sich. Nur wenig ist nun von ihrem Handicap wahrnehmbar. Das ändert sich mit dem Hunger. Sie macht sich auf den Weg zum Futter und hat Mühe, sich vor dem Napf zu positionieren, weil sie die Vorderbeine zuerst unter Kontrolle bringen muss. Beim Essen bewegt sie ihren Kopf stärker als andere Katzen, stets auf der Suche nach dem Gleichgewicht. 

Freigang wäre zu gefährlich 
Die Informationsseite handicapcats.ch empfiehlt hier, Napf und Wasserschale etwas zu erhöhen. Weil Ataxiekatzen Mühe hätten, das Futter vom Boden aufzunehmen, schaffe dies Abhilfe. Hafner hat zudem eine Katzentoilette mit hohen Rändern und einem niedrigeren Einstieg angeschafft. «Eine Ataxiekatze hat Mühe beim Scharren. Dank der hohen Ränder kann sie sich einerseits abstützen und andererseits bleibt die Umgebung um die Kiste sauber und die niedrige Eingangshöhe erleichtert ihr den Einstieg», sagt sie.

Elisa lebt wie ein normales Büsi, hat aber Koordinationsschwierigkeiten (Video: Daniel von Känel):

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Elisa gelingen die Bewegungen nicht immer gleich gut. «Es gibt gute und schlechte Tage», sagt Hafner. Sie habe aber festgestellt, dass sie insgesamt Fortschritte gemacht habe in den gut drei Monaten, seit sie bei ihr sei. Offenbar könnten gewisse Muskeln und das Gleichgewicht trainiert werden, wenn Bedingungen wie verschiedene Bodenbeläge oder Katzenbäume vorhanden seien. «Deutlich gesehen habe ich dies beim Essen. Das macht ihr schon weniger Mühe als zu Beginn», so Hafner. Diese Beobachtung deckt sich mit den Angaben von Handicapcats.ch. Dort heisst es, dass die Symptome mit den Jahren weniger werden können, wenn keine Krankheit hinzukomme. Die Lebenserwartung einer Katze mit Ataxie ist nicht geringer als jene normaler Katzen. Es wird auch angenommen, dass die betroffenen Katzen die Behinderung nicht als solche wahrnehmen, sie die Lebensfreude also nicht trübt.

Dass Elisa dereinst eine Freigängerin wird, sei ausgeschlossen. Die Koordinationsstörungen würden sie ihr ganzes Leben begleiten. So wäre die Gefahr sehr hoch, dass sie unter ein Auto geraten könnte. Gegen andere Tiere könne sie sich auch nicht gut wehren. Eine bekannte und für sie ideale Umgebung, also eine Wohnung, sei das richtige Zuhause. 

Ein solches hat Elisa zusammen mit ihrem blinden Gspändli Micia bereits gefunden. «Ich konnte sie an einen idealen Ort vermitteln», freut sich Beatrice Hafner. Auch wenn eine Katze ein Handicap habe, sei eine Vermittlung möglich. Es gebe einige Menschen, die nur solche Katzen aufnehmen würden. «Sie wollen aus einem sozialen Gedanken heraus beispielsweise älteren Tieren oder eben Ataxiekatzen einen Platz bieten.» Elisa wird es den neuen Besitzern bestimmt danken – mit viel Lebensfreude, Neugier und Zuneigung.