Ein Reiheneinfamilienhaus in Thier­achern bei Thun BE. Philippe Schneider öffnet die Türe. Spielsachen seiner zwei Kinder Nick und Lilly liegen auf dem Laminatboden des Wohnzimmers. «Wir gehen gleich in den Keller», sagt der junge Mann, der eine Brille, einen Bart und einen vollen, braunen Haarschopf trägt. 

Unten öffnet er eine Türe. Warme Luft strömt uns entgegen, Kunstlicht scheint hell in den Raum. Es stammt von diversen Terrarien, die in Reihen an der Wand angebracht sind. Plötzlich ein Rasseln! «Aha, sie warnt», sagt Schneider. Er zeigt auf ein Terrarium in Bodennähe mit zwei sandfarbenen Schlangen. Ein rotes Schild an der Scheibe weist sie als Texasklapperschlangen aus. Während ein Tier unbeweglich daliegt, hat das andere die Betrachter im Blick. «Diese Art stammt aus dem Südwesten der USA und aus Mexiko», erklärt Schneider. Klapperschlangen sind meistens Wüstenbewohner. Schneider hat sich auf Arten aus dem Grenzgebiet der USA und Mexiko spezialisiert. 

Die Kornnattern wurden 25 Jahre alt
Im Terrarium sieht es aus wie irgendwo in der Wüste vor einem verlassenen Bretterverschlag: Steine, Sand, trockenes Wurzelholz, Holzladen, als Tritte zur angedeuteten Hütte, darauf ruht im Lichtkegel einer Wärmelampe eine der Klapperschlangen. «Wenn ich ein Terrarium gestalte, setze ich mich vorher intensiv mit dem Lebensraum der Schlangen auseinander», sagt Schneider. Er habe die Verbreitungsgebiete seiner Klapperschlangen besucht.

Er interessiere sich für Schlangen, seit er sich erinnern könne. «Auf Familienausflügen habe ich immer am Wasser nach Amphibien und Reptilien gesucht.» Mit elf habe er vom Pfarrer von Thierachern – Schneider wuchs bereits in diesem Ort auf – Kornnattern erhalten. «Der Pfarrer war selber ein bekannter Terrarianer», erinnert er sich. Die Kornnattern habe er dann bis zu deren Tod gehalten. Sie seien 25 Jahre alt geworden. Seine Eltern haben rasch gemerkt, dass ihr Sohn ernsthaft an Kriechtieren interessiert ist.

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Philippe Schneider mit einer jungen Bergkönigsnatter aus dem
San-Pedro-Gebiet in Mexiko.
  Bild: Lars Lepperhoff

Darum erstaunte es sie nicht, als er mit dem Konfirmationsgeld eine Königsnatter kaufte. Bald mietete der junge Terrarianer mit einem Kollegen einen Hobbyraum. «Wir pflegten Aquarienfische, Schlangen und Spinnen.» Als der Kollege umzog, übernahm Schneider alle Tiere. Der Tiefbauzeichner nannte damals 150 Nattern, Pythons und Boas sein Eigen. Auch heute betreibt der inzwischen 34-Jährige Terrarien mit unterschiedlichen Biotopen.

Nebst den wüstenartig gestalteten Klapperschlangen-Terrarien gibt es auch den Regenwald in Schneiders Schlangenkeller. Plastikpflanzen an den Terrarienwänden simulieren den südostasiatischen Regenwald, im Rindenmulch liegt ein bunter Wulst: Zwei ineinander gewundene Mandarinnattern. 

Vorsicht ist das oberste Gebot
«Mich faszinieren die unterschiedlichen Farben dieser Art», sagt Schneider, hebt ein Korkstück an und zeigt auf eine intensiv schwarz-gelb gefärbte Mandarinnatter, die neugierig den Hals hebt. «Diese Schlange hier stammt aus Vietnam und ist intensiver gefärbt als Artgenossen in nördlicheren Regionen.» Sie lebt alleine, ebenso wie die Schwarze Mexiko-Königsnatter. «Diese ebenfalls ungiftige Art muss ich alleine halten, zwei Tiere würden einander sonst fressen.» Schlangen könne man gut einzeln halten. «Sie brauchen einander nicht.» Es sei sogar einfacher bei der Fütterung, wenn sie alleine lebten.

Klapperschlangen fressen Mäuse, die Schneider gefroren einkauft. «Ich taue sie im warmen Wasser auf, reiche sie an einer Stange, die ich leicht bewege.» Die Mäuse seien noch warm. Da die Schlangen Wärmeerkennungsnerven hätten, das Grubenorgan, hätten sie so den Eindruck, Beute zu erlegen. Bei den Mandarinnattern sei es anders, da lege er abends die toten Mäuse einfach ins Terrarium. Grosse Schlangen würde er alle drei bis vier Wochen füttern, manchmal erhielten sie auch Ratten.

Schneider geht keine Risiken ein. Er nehme die Giftschlangen mit dem Schlangenhaken aus den Terrarien, einer Stange mit einem halbmondartigen Fortsatz am Ende. «Ich hebe die Schlange rasch im ersten Drittel an, dann verharrt sie meist.» Das sei der Moment, wo er mit einem zweiten Haken unter die weiteren zwei Drittel des Tieres greife. «Ich halte die Schlange auf Abstand zu mir und setze sie rasch in ein Behältnis.» Er sei noch nie gebissen worden. 

Als Giftschlangenhalter absolvierte er einen zweitägigen Sachkundenachweis. Das ist, nebst der Haltebewilligung, Bedingung, dass er überhaupt solche Schlangen halten darf. Schneiders Grundsatz: Nie in einem Terrarium hantieren, wenn eine Giftschlange darin ist. Jedes Terrarium hat zudem einen Sicherheitsverschluss. Vorschrift bei der Giftschlangenhaltung sei auch, dass der Terrarienraum abgeschlossen sei. In Schneiders Flur steht ein Ordner mit einem Notfallkonzept, falls doch mal etwas passieren sollte. Seine Kinder dürften nur in den Terrarienraum, wenn er anwesend sei. Ein Keller voller Giftschlangen, ist das nicht ein Problem für die Frau? Romina Schneider lächelt und sagt, bereits ihr Vater habe das Haus voller Terrarien gehabt. Sie sei daran gewöhnt. 

Eine Rarität aus der Karibik
Das Klappern hat längst aufgehört. «Es hat noch mehr», sagt der Schlangenfreund, geht zurück in den Flur und öffnet die Türe zu einem weiteren Raum, aus dem noch wärmere Luft strömt. Als Schneider vor einem Terrarium durchgeht, schiesst ein Kopf hervor. «Sie ist neugierig», sagt er über die Südwestliche Gefleckte Klapperschlange, die zwischen Felsspalten geruht hat.

Die Sonora-Seitenwinder-Klapperschlange hat da ganz andere Bedürfnisse. «Sie benötigt weite, sandige Flächen und kriecht kaum auf einen Stein», sagt Schneider – und schiebt nun einen von vielen Plastikbehältern aus einem Gestell. Darin kriecht eine junge Aruba-Klapperschlange. «Auf der karibischen Insel gibt es gemäss einer Zählung nur noch rund 200 dieser Art», sagt er. Unter Menschenobhut lebten wesentlich mehr. 

Auch in diesem Keller wieder Gegensätze: Leuchtend gelbe Greifschwanz-Lanzenottern, aufgerollt wie Seile einer ordentlichen Segelschiffcrew, liegen auf Ästen mit Bromelien in einem hohen Regenwaldterrarium. Diese giftigen Zentralamerikaner sind ebenfalls innerhalb der Art unterschiedlich gefärbt. 

Philippe Schneiders Weg zu Schlangen führt über Fachliteratur. Dass er Mandarinnattern züchtet, kommt daher, dass ihm seine Grosseltern einst ein Schlangenbuch schenkten mit Bildern und Informationen zu dieser Art. Er sucht spezielle Arbeiten im Internet, die über Schlangenarten publiziert werden, und gibt als Vizepräsident der Stadtgruppe Bern der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde Auskunft zu Fragen rund um Schlangen. Am Wochenende ist er mit seiner Familie im Sommer regelmässig im Berner Oberland unterwegs – auf der Suche nach Aspisvipern.