Da irrte der Professor: Der Goldschakal war nicht der Vorfahre des Haushundes, wie der berühmte österreichische Tierforscher Konrad Lorenz geglaubt hatte. Heute ist klar, dass der Hund vom Wolf abstammt. Der Wolf hat aber noch zwei wichtige Verwandte, den Kojoten in Amerika und den Schakal im Mittelmeergebiet. Diese etwas kleineren Vettern des Wolfs sind seit geraumer Zeit daran, neue Zonen zu besiedeln.

In der Grossstadt Chicago zum Beispiel leben heute etwa 2000 Kojoten, schätzt der Wildforscher Stan Gehrt von der Ohio-State-Universität. Sie haben sich gut an die neue, urbane Umgebung gewöhnt, ein Rudel hat sich sogar wenige Kilometer vom Flughafen entfernt angesiedelt. Die Grossstadtkojoten, sagt der Forscher, hätten gelernt, mit einem kleineren Territorium als in der Wildnis und mit der nahen Zivilisation zurechtzukommen. Es seien sogar schon Kojoten beobachtet worden, die vor dem Überqueren einer Strasse zuerst nach beiden Seiten geblickt hätten – ein ziemlich städtisches Verhalten. 

In Europa breitet sich der Goldschakal in die Nähe der grossen Zentren aus. Die Tiere sind in den letzten Jahren aus dem südlichen Balkan immer weiter nordwärts gewandert. Grössere Bestände gibt es jetzt in Bulgarien und Kroatien, aber auch schon in Slowenien wurden mehrere Rudel gesichtet. Bis in die Nachbarländer Österreich und Italien ist es da nicht mehr weit, und tatsächlich gibt es auch dort schon Schakale, wie der italienische Wildforscher Luca Lapini festgestellt hat. 

Kojoten haben begriffen, dass der Mensch heute nicht mehr so gefährlich ist
Im Winter 2012 wurde erstmals ein Goldschakal in der Schweiz entdeckt. Das Tier wurde von Fotofallen in den Kantonen Bern, Waadt und Freiburg geknipst. «Die Ausrottung des Wolfs in den letzten beiden Jahrhunderten sorgte insgesamt für eine starke Ausdehnung der Verbreitung seiner kleineren Gattungsgenossen», sagt Lapini. 

Die Ursache dafür, dass sich die scheuen Wildtiere jetzt den Kulturzonen nähern, sei vielseitig, erklärt der Wildforscher Gehrt. Aus ihren angestammten Lebensräumen werden sie durch Klimaänderungen und die Zerstörung der natürlichen Umgebung vertrieben. Andererseits seien Dörfer und Städte mit ihren Grünräumen, Pärken und Gärten für die Tiere attraktiver geworden. Und nicht zuletzt hätten sich die Schutzmassnahmen stark ausgewirkt. Eine Stadt sei für einen Kojoten nicht mehr das Gleiche wie für seine Vorfahren, sagt Gehrt: «Wenn ein Kojote vor 50 Jahren auf Menschen traf, war die Chance gross, dass er erschossen wurde.» Heute müssen die Tiere den Menschen nicht mehr in gleichem Masse fürchten, was sie als gelehrige Wesen schnell begriffen haben.

Auch wenn der Haushund nicht vom Goldschakal abstammt, lassen sich die beiden Arten kreuzen. 1975 begann Klim Sulimov in einem russischen Forschungsinstitut mit solchen Kreuzungsversuchen. Seine Absicht war es, den Geruchssinn – der beim Schakal als Wildtier noch wesentlich feiner ist als beim über die Jahrtausende domestizierten Haushund – für die Suche nach gefährlichen Stoffen wie Sprengstoff oder Drogen zu nutzen.

Die Mischlinge aus Schakal und Husky schnüffeln an russischen Flughäfen
Die damalige Sowjetunion und auch das heutige Russland erstrecken sich über viele Klimazonen, das Wetter kann sibirisch kalt oder mediterran warm sein. Der Schakal kommt aus den warmen Regionen und wäre selbst in einer gezähmten Form nicht überall einsetzbar. Deshalb kreuzte Sulimov ihn mit dem robusten Sibirischen Husky, wie er von den Rentierhirten im hohen Norden verwendet wird und der ein für Hunde ausgezeichnetes Riechvermögen hat. Das Resultat der Kreuzung, «Sulimovhund» genannt, vereinigt die Fähigkeiten beider Ausgangsarten, arbeitet bei kaltem und heissem Wetter ebenso gut und lässt sich wie ein Haushund zähmen.

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Bild: © Aeroflot

Sulimovs Hunde werden seit 2002 von der russischen Fluggesellschaft Aeroflot systematisch eingesetzt, um Gebäude, Gepäckstücke oder Flugzeuge nach versteckten Sprengstoffen abzusuchen. Mit ihrer feinen Nase seien sie nicht nur den im Westen normalerweise verwendeten Spürhunden, sondern auch den technischen Detektoren überlegen, sagen die Sicherheitsexperten der Aeroflot. 

Die Mischlinge arbeiten sehr selbstständig und zuverlässig. Im Gegensatz zu Hunden zeigen sie durch das Senken des Ringelschwanzes zuverlässig an, wenn sie nach 20 bis 30 Minuten müde sind und nicht mehr schnuppern mögen. Das ist sehr wichtig, denn so können sie rechtzeitig abgelöst werden und der Hundeführer ist sich sicher, keine durch Müdigkeit bedingten Fehlanzeigen zu erhalten. Einen Sprengstofffund zeigen die Hunde mit Hinsetzen und Bellen an – den verdächtigen Gegenstand apportieren dürfen sie natürlich nicht. Zeigt ein zweites Tier am gleichen Ort an, sperrt die Polizei das Areal ab und holt Sprengstoffexperten dazu.

Die Kreuzung aus dem wilden Schakal und dem zahmen Schlittenhund ist nicht ganz einfach. Schakalrüden mit Hündinnen zu kreuzen, gelang Sulimov als Erstes. Bei Hunderüden mit Schakalweibchen war es schwieriger. Erleichtert wird der Vorgang, wenn die für die Zucht bestimmten Schakalwelpen von einer Hündin als Amme aufgezogen werden.

Eine eigene Zucht sorgt am Flughafen für den nötigen Diensthunde-Nachwuchs
Die jetzigen Diensthunde gehören zu späteren Generationen – da die direkten Schakal-Hunde-Mischlinge schwer zu erziehen sind – und haben mittlerweile unterschiedlich viel Husky- und Schakalblut in sich. Sie seien noch zwischen 15 und 25 Prozent Schakal, sagt Aeroflot-Sprecher Alexander Lukashin. Um den Nachwuchs sicherzustellen, betreibt Aeroflot an ihrem Heimatflughafen in Moskau eine eigene Hundezucht. Rund 50 Sulimov-Hunde würden heute eingesetzt, sagt Lukashin. Für die Fahrt zum Einsatzort irgendwo im weiten Russland gibt es einen speziell eingerichteten Bus. Doch das ist gar nicht immer nötig: Die Hunde können sogar Ferndiagnosen stellen, wenn von verdächtigen Gerüchen in Flaschen gepackte Muster nach Moskau geschickt werden.

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Bild: © Aeroflot

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