Gestreift, gefleckt, dick, dünn, verzottelt oder glatt: Rund hundert Katzen sind aktuell in Günther Webers Katzenasyl «Zur letzten Zuflucht» in Buckten BL zu Hause. Es sind verwilderte, die nicht in ihrem Revier bleiben konnten, chronisch kranke, unsaubere, bissige oder sonstwie unliebsam gewordene Katzen, die bei Weber ihren Lebensabend verbringen dürfen. Aufgenommen werden nur Katzen, die wirklich keiner mehr will. 

«Ich mache fast alles alleine», sagt der 66-Jährige und zeigt mit einer Mischung aus Stolz und Verzweiflung über den ans Haus anstossenden Bauplatz. Er bekomme zwar immer wieder spontan Hilfe zugesagt von begeisterten Tierfreunden. Tatsächlich erscheinen tue dann aber keiner. Zumindest nicht dann, wenn es besonders nötig wäre oder um die wirklich wichtigen Arbeiten gehe. «Man gibt mir gerne Ratschläge, was ich alles anders oder besser machen sollte», sagt Weber: «Manche hatten als Kind ein Büsi und denken deshalb, sie wüssten besser Bescheid als ich. Dabei habe ich rund 35 Jahre Erfahrung.»

3.50 Franken pro Tag und Katze
Ganz alleine ist Weber glücklicherweise nicht. An vier Tagen kümmert sich eine im Stundenlohn angestellte Tierpflegerin ums Reinigen der unzähligen Katzenkistchen, -näpfe, -zimmer und -bettchen. Alleine die Katzenwäsche füllt täglich bis zu zwölf Maschinen. Die allermeisten Tiere sind unsauber. Ein bis zwei Mal pro Woche legt eine ehrenamtliche Katzenstreichlerin Hand an und an den Wochenenden kommt eine unentgeltliche Helferin extra aus Bern.  

Weber finanziert sein Katzenasyl zu 100 Prozent aus Spendengeldern. Aktuell hat er gerade einmal 3.50 Franken pro Katze und Tag zur Verfügung. Damit müssen sämtliche Kosten vom Futter über die Medizin bis hin zur Hypothek gedeckt werden. Pro Tag braucht er 20 bis 25 400-Gramm-Dosen Nassfutter, rund 3,5 Kilogramm Trockenfutter, zwei bis drei Kilogramm Diät-Futter sowie Leckerlis und Frischfleisch. Da die meisten Katzen gesundheitliche Probleme haben, sind auch die Tierarztkosten entsprechend hoch. 

Minka sind Zahlen und Rechnungen offensichtlich Wurst. Sie sitzt in der Futterküche gleich neben dem Hauseingang auf dem Regal und miaut eindringlich. «Show­time», sagt Weber und lacht. Das mache sie immer, wenn Besuch komme: «Bis sie ein Goodie bekommt und sich mit ‹Köpfchen geben› bedankt.» – Weber führt durchs Haus. In so gut wie jedem Zimmer sind verschiedene Katzengruppen untergebracht. Sogar Bad und Küche gehören zum Katzenrevier. Nur Waschküche, Werkstatt und Schlafzimmer hat Weber für sich alleine – wobei sich ein einziges ausgewähltes Tier (Drago) zu ihm ins Bett legen darf. 

Wichtig, dass die Chemie stimmt
Wer in Webers Haus unterwegs ist, lernt schnell: Jede Tür muss sofort wieder geschlossen werden – bevor eine der unzähligen Katzen entwischt. Manche Katzen hat Weber als ganze Gruppe aufgenommen, andere hat er erst später vergesellschaftet. Ein Prozedere, das dem jüngsten Zuwachs namens Nimra noch bevorsteht. Die dünne Katze mit zerzaustem Fell (sie leidet an einer Schilddrüsenüberfunktion) liegt in der Eingewöhnungsbox in Zimmer drei. «Auf diese Weise kann ich schauen, ob die Gruppe mit ihr schmust oder sich zankt», sagt Weber. Stimmt die Chemie nicht, zieht das neue Büsi ein Zimmer weiter. 

Es wird geschnurrt und gemiaut und um Beine gestrichen und von allerlei kuschligen Hochsitzen neugierig heruntergespäht. Weber krault und streichelt und erzählt von Minka, die angeblich kastriert abgegeben wurde und wenig später im Asyl einen Wurf Junge bekam; von Maggi, die der Besitzerin zu wenig verschmust war und jetzt zu den anhänglichsten Tieren gehört und vom 35-köpfigen Katzen-Klan, der in einer Notfallaktion nach Buckten kam, nachdem die mit Weber befreundete Halterin erschossen worden war. «Auf einen Schlag hatte ich 155 Katzen. Da bin ich wirklich an meine Grenzen gestossen», sagt Weber

Auch wenn es inzwischen «nur» noch hundert Katzen sind – an sein Limit und darüber hinaus kommt Weber trotzdem. Füttern, Putzen, Einkaufen, Tierarztbesuche, einfache pflegerische Massnahmen und Instandstellen der Infrastruktur in und ums Haus zehren an seinen Kräften. Aktuell ist er daran, eine 315 Quadratmeter grosse Aussenanlage zu bauen. Der Boden ist bereits fertig planiert. Darauf will Weber nun Steine verlegen, die später mit Hochdruck problemlos gereinigt werden können. Gras sähe zwar netter aus, wäre aber aus hygienischen Gründen heikel. In der Werkstatt im Untergeschoss warten zudem rund hundert Alu-Stangen darauf, zu einem wetterfesten und katzensicheren Zaun zusammengebaut zu werden. Weber hat ursprünglich Maschinenschlosser gelernt. 

Unverständnis für Webers Engagement
Die Gründe, warum jemand eine Katze abgibt, sind vielfältig. Es gibt kaum eine Entschuldigung oder Erklärung, die Weber in den letzten drei Jahrzehnten nicht schon gehört hätte. Ihm sei egal, ob die Geschichte stimme oder nicht, sagt er: «Was für mich zählt ist, dass jemand eine Katze loshaben will. Also nehme ich sie auf. Sonst wird sie getötet oder ausgesetzt.»

Dass er sich auch um chronisch kranke Tiere kümmere, verstünden nicht alle, sagt Weber. «Mir sagte einmal ein Tierarzt: ‹Fahren sie doch ab mit solchen Dauerpatienten, das wäre sicher besser für Ihre Kasse›.» Er habe den Arzt dann gewechselt. «Er hatte schlicht nicht verstanden, was meine Grundidee ist. Ich kümmere mich ja genau um die Tiere, die sonst getötet würden.» 

Obwohl sich Weber ganz bewusst auch um kranke Tiere kümmert: Unnötig leiden lassen will er sie nicht. «Sobald eine Katze keine Lebensqualität mehr hat, lasse ich sie euthanasieren», sagt er. Eine Haltung, für die er sich einmal mehr nicht verstanden fühlt. «Die einen finden, ich sei krank im Kopf und sammle kranke Katzen. Die anderen klagen mich als herzlos an, weil ich auch einmal ein Katzenleben beenden lasse. Tatsache ist aber, dass ich mich jeweils auf einer Gratwanderung befinde.»

Sein grösster Wunsch sei es, dass jemand seine Philosophie teile und mit ihm auf einer Wellenlänge sei: «Er oder sie würde sich im Katzenasyl einarbeiten und sukzessive mehr Verantwortung übernehmen, bis ich eines Tages sagen könnte: So jetzt bist du der Chef.»