Wer auf dem Videokanal Youtube nach dem Begriff «Thundershirt für Katzen» sucht, stösst schnell auf Videos, in denen die Büsi eine Art graues Mäntelchen tragen. Kaum angezogen, fallen sie um wie die Steine oder bewegen sich seltsam. Lustiger Gag oder Tierquälerei? Weder noch, sagt Lisa Leicht. Die Tiertherapeutin aus Münsingen BE kennt sich aus mit den «Donnerhemden» – und setzt diese auch in ihrer eigenen Praxis ein. «Ein Thundershirt kann helfen, ein Tier zu beruhigen», erklärt sie: «Aber natürlich reagiert jede Katze anders und nicht jede toleriert diese Art von Jacke.»

Hierzulande besser bekannt ist das Thundershirt durch seine Anwendung bei Hunden. Meist wird es eingesetzt, um Ängste – etwa ausgelöst durch laute Geräusche wie Donner oder Silvesterböller – zu mildern. Einmal angezogen, löst das Shirt bei dem Tier einen leichten aber kontinuierlichen Druck aus auf Brust, Bauch und Rücken. Der Druck verändert das Körpergefühl und die Körperwahrnehmung und damit die überschiessende Reaktionen des Nervensystems auf Reize von aussen. Tatsächlich scheinen sich die Hunde dadurch sicherer zu fühlen und wirken weniger gestresst. 

Was Hunden zu helfen scheint, soll auch Katzen zugute kommen – weswegen es inzwischen auch für sie Thundershirts gibt –, einfach in kleineren Grössen und mit einem veränderten Schnitt. Aber: Während sich die meisten Hunde einigermassen willig ein Mäntelchen umlegen lassen, braucht es bei Katzen etwas mehr Geduld. «Man muss es in kleinen Schritten und lange genug üben», sagt Leicht dazu. «Schliesslich soll das Tier nicht noch mehr verängstigt werden, sondern das Ganze als angenehm und beruhigend empfinden.»

Im englischsprachigen Video wird die Funktionsweise des «Thundershirts» erklärt (Video: ThunderWorks for Dogs & Cats):

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Auch die österreichische Tierärztin Sabine Schroll verwendet in ihrer Praxis das Thundershirt. «Ich setze es gerne ein, um einer jungen Katze eine neue Körpererfahrung zu vermitteln», erzählt die Verhaltensmedizinerin. Auch wenn die Katzenjungen zunächst tatsächlich umfallen würden wie ein Stück Holz, lernten sie meist schnell, sich damit zu bewegen. Schroll: «Aus meiner Sicht zentriert es Katzen auf ihren eigenen Körper. Es macht sie körperbewusster und bremst sie gleichzeitig etwas. Gerade bei wilden überdrehten Jungkatzen kann das ein Vorteil sein.» 

Wie hilfreich ein Thundershirt in schwierigen Situationen sein kann, hat Schroll selbst  erlebt: «Mein Kater Skyboy hat seine ganze Chemotherapie mit dem Thundershirt bekommen. Für ihn war es eine Art Sicherheitssignal und Ankündigung, dass es jetzt Manipulation und Leckerbissen gibt.» 

Schlingen und kreuzen
Tiertherapeutin Leicht arbeitet auch als Tellington-Instruktorin und setzt daher in ihrer Arbeit mit Katzen neben dem Thundershirt auch Körperbandagen ein. Die Tellington-Methode, entwickelt von der kanadischen Tiertrainerin Linda Tellington-Jones, setzt auf sanfte Berührungen mit den Händen sowie auf das Einhüllen und Berühren eines Tieres mit einem Handtuch oder einem Schaffell. Leicht: «Das könnte man als Vorstufe für die Bandagen oder für das Thundershirt verstehen.»

Ängstliche Tiere setze sie in das Unterteil einer Transportbox oder in einen Karton und lasse von hinten langsam ein Handtuch über ihren Körper gleiten, wobei sie darauf achte, dass der Kopf immer herausschaue, erzählt Leicht. Nach und nach könnten dann die «TTouches» (die Berührungen mit den Händen oder einem Stück Stoff) durch das Handtuch hindurch vorgenommen werden. 

Bei den Körperbandagen verwende sie ungefähr vier Zentimeter breite und zwei bis drei Meter lange elastische Binden. Diese schlinge sie dem Tier einmal um die Brust und kreuze sie dann auf dem Rücken, wo die Enden zunächst lose blieben, erklärt Leicht ihre Vorgehensweise. Nach einer Zeit der Eingewöhnung könne sie dann einen Schritt weitergehen und der Katze die Bandage wie eine Acht um den Körper legen. 

«Durch die Bandagen soll das Körpersystem in Balance gebracht und ein physisches und emotionales Gleichgewicht hergestellt werden», erklärt Leicht. Dabei achte sie darauf, niemals Zwang auszuüben. «Ich lade quasi das Nervensystem dazu ein, anders zu fühlen. Aber ich will ja auf keinen Fall, dass das System zusammenbricht.» Sehr wichtig sei auch, dass das Tuch, die Bandage oder das Shirt nicht zu fest anliegen oder zu gros­sen Druck ausüben würde, erklärt Leicht weiter: «Am Anfang reichen ein bis zwei Minuten.»