Haben Sie schon erlebt, dass Fische bei Ihrem Anblick freudig auf Sie zugeschwommen kommen, anstatt eilig das Weite vor dem Schatten über dem Wasser zu suchen? Haben Sie schon einmal mit einem Fisch geschmust? Ihn gestreichelt, ihm den Finger in den Mund gesteckt und ihn daran saugen lassen? Ein erquickendes Gefühl. Wir sprechen hier nicht von hilflosen, aus ihrem Element geangelten Tieren. Wir sprechen von lebenden, im Teich schwimmenden Fischen: den trendigen aber immer noch hauptsächlich unter Fans bekannten Kois.

Diese in allen Farben gefleckte oder auch unifarbene Karpfenart ist einer breiten Öffentlichkeit noch am ehesten bekannt wegen der absurd hohen Preise, die für solche Tiere zum Teil bezahlt werden: Je nach Zeichnung, Körperbau, Hautqualität und Grösse steigt der Preis bis zu einem fünfstelligen Frankenbetrag. Man erhält aber auch kleine Koi ab 20 Franken und grosse Koi ab 60 Franken. Was nur Fans wissen: Koi sind Zierfische mit Charakter. Mit individuellem Temperament, wie man es von «klassischen», dem Menschen treuen Haustieren wie Hunden, Katzen oder Pferden kennt.

Um das Vertrauen der Kois zu gewinnen, widmen sich die Halter erst dem Chef
Koi ist die Abkürzung für das japanische Wort Nishikigoi (wörtlich übersetzt Brokatkarpfen). Die Herkunft des Fisches ist nicht ganz geklärt. In China gibt es Kois seit 500 Jahren, in Japan seit 200 Jahren. Seit Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts gelten die eleganten, farbenfrohen Fische im Land der aufgehenden Sonne als Statussymbole. Inzwischen sind sie das auf der ganzen Welt – von Russland über Europa bis Argentinien. In der Schweiz werden Koi seit etwa 30 Jahren gehalten, wie der Koihändler Charles Schürmann sagt. Es gibt über 100 verschiedene Zuchtvarianten und -unterformen. Kois können 40 bis 60 Jahre alt und bis zu einen Meter lang werden. Weil sie nicht nur Menschen, sondern auch ihren Artgenossen gegenüber gesellig sind, sollten sie nicht allein gehalten werden. «Kois sind etwas ganz Besonderes», sagt Schürmann, «eine Lebensphilosophie.»

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 Bild: Benjamin Hollis/Flickr

Wie bei anderen Haustieren auch, muss der Mensch sich die Zutraulichkeit der Kois erarbeiten. Ein Trick ist es, den Zutraulichsten aus dem Schwarm zu nehmen und ihn unter anderem mit Futter zu bevorzugen: «Durch den Futterneid werden die anderen Kois diesem bald folgen und Ihnen zuschwimmen», erklärt Schürmann. «Kois haben hoch entwickelte Sinnesorgane. Sie erkennen ihren Futtergeber, zu dem sie Zutrauen gefasst haben.» Wenn der Leit-Koi nach einer Weile immer näher komme und keine grosse Angst mehr zeige, könne man beginnen, ihm mit den Händen beim Füttern näher zu kommen und ihn auch zu berühren, sagt Andreas Schafflitzel von der Firma Koi Teich in Mahlow in Deutschland. «Lässt man dem Leit-Koi dabei Zeit, kann man ihn früher oder später streicheln, anfassen und sogar aus dem Teich herausnehmen. Sobald die anderen Kois die gleiche Anhänglichkeit zeigen, sollte man allen wieder die gleiche Aufmerksamkeit zeigen.» Einmal zutraulich, lassen sich Kois in der Regel auch von Fremden streicheln. 

Der Teich muss genügend tief sein
Die Meinungen über das Streicheln der Kois gehen allerdings auseinander. Schürmann ist dagegen. «Der Mensch hat Bakterien an den Händen, die er auf die Fische übertragen kann. In meinem Geschäft erlaube ich keine Berührungen.» Und er macht das schöne Bild der menschenfreundlichen Fische zunichte: «Glauben Sie wirklich, die Kois kommen wegen Ihnen? Um gestreichelt zu werden? Die kommen, weil sie auf Futter aus sind!» Aber warum auch immer sie zum Menschen kommen – im Gegensatz zu andern Fischen tun es Kois immerhin. Sie lassen sich streicheln und liebkosen und das ist aussergewöhnlich. Was, wenn die zutraulichen Kois Fressfeinden wie Katzen, Hunden oder Raubvögeln zu nahe kommen? «Alles, was von oben kommt oder ins Wasser klatscht, ist ein Feind. Davor verstecken sich die Kois wie jeder andere Fisch. Es kann aber schon mal vorkommen, dass sie sich neugierig einer in den Teich gestreckten Hundenase nähern.»

Schürmann weiss, wovon er spricht. Seit 25 Jahren beschäftigt er sich mit Kois. Er holt die Edelfische in Japan, wie praktisch alle Schweizer Koi-Händler. «Bedenken Sie, die Japaner haben 200 Jahre mehr Erfahrung als wir.» Obwohl nicht einheimisch, sind die Kois erstaunlich robust. Vorausgesetzt, sie erhalten die richtige Gestaltung ihres Lebensraums. So sollte der mindestens zwei Meter tiefe Teich zum Beispiel durch eine Wasserpumpe stets fliessendes Wasser haben. Die Wassertemperatur darf im Sommer nicht über 30 Grad steigen und im Winter nicht unter vier Grad fallen. Dies erreicht man beispielsweise mit einem Heizstab oder auch Plastikkugeln, welche die Oberfläche des Teichs vollständig abdecken. Ein artgerechter Teich ist nicht gerade billig – bis zu 200 000 Franken kann man dafür ausgeben. Es empfiehlt sich, die Hilfe und Beratung eines Fachmanns in Anspruch zu nehmen.

Es gibt nur wenige spezialisierte Tierärzte
Bei einem solchen Aufwand ist es umso wichtiger, die Tiere möglichst gesund zu halten. Denn auch Kois können krank werden. Ausgelöst werden die Wehwehchen oft durch Stress oder durch eine schlechte Wasserqualität. Die Anzeichen für parasitäre und bakterielle Erkrankungen reichen von apathischem und schreckhaftem Verhalten und Fressunlust über eingefallene Augen bis zu starken Kiemenbewegungen. Virenerkrankungen erkennt man an schwammartigen, wachsartigen Wucherungen von weiss bis leicht rosa, meist an den Flossen. Pilzbefall schliesslich äussert sich durch stark erhöhte Atmung, Schwellungen oder vermehrte Schleimbildung auf den Kiemen. Braune bis gelbe Verpilzungen auf den Kiemen enden oft tödlich. 

Erstaunlicherweise gibt es keine eigentliche Medizin für Fische. Tierärzte verschreiben oft verdünnte Pferde-, Hunde- oder Katzen-Medikamente. In der Schweiz gibt es nur ganz wenige Tierärzte, die sich mit Kois auskennen. Immerhin ist letztes Jahr in Langenthal BE eine Koi-Klinik gegründet worden. Hier behandelt «Fisch-Doktor» Ralph Knüsel als Belegarzt die geschuppten Patienten. Und ein ganzes Team von Mitarbeitern päppelt die wertvollen Tiere wieder auf.