Alles begann im Dezember 2005, als ein sechsjähriger Junge auf dem Weg in den Kindergarten in Oberglatt ZH von drei Pitbulls angegriffen und getötet wurde. Was folgte, war ein Sturm der Empörung: «Verbietet die Pitbulls!», forderte die Boulevardzeitung «Blick» und sammelte 175 000 Unterschriften für eine Petition, die das Züchten, das Halten, die Einfuhr und den Handel mit Pitbulls verbieten wollte. Da der Schutz der Bevölkerung vor Hunden jedoch in die Kompetenz der Kantone fällt, haben seither 13 Kantone Bestimmungen rund um sogenannte Kampfhunde erlassen.

Am schnellsten handelte das Wallis. 20 Tage nach dem Vorfall in Oberglatt erliess der Staatsrat eine Liste mit zwölf verbotenen Hunderassen. Als Nächstes zog der Kanton Freiburg nach, wo seit 2007 American Pitbulls verboten sind und es für 14 weitere Rassen eine Bewilligung braucht. Die strengsten Vorschriften erliess der Kanton Genf. Dort sind seit 2008 gleich 15 Rassen und deren Kreuzungen verboten. Ausserdem gilt für Hunde mit einem Gewicht von mehr als 25 Kilo und einer Widerristhöhe ab 56 Zentimetern eine Prüfungs- und Bewilligungspflicht.

Verbote und Vorschriften
Der Kanton Zürich erliess per 2010 ein Verbot für acht Rassen und Mischlinge mit mehr als 10 Prozent Blutanteil dieser Rassen. Daneben kennt der Kanton Zürich auch eine Liste von «grossen oder massigen» Hunden, mit denen man eine praktische Hundeausbildung absolvieren muss. Die Kantone Aargau, Basel-Landschaft und Basel-Stadt, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Tessin, Waadt und Glarus sehen keine Verbote, sondern lediglich eine Haltebewilligung für bestimmte Rassen vor. Die restlichen Kantone kennen keine spezifischen Regelungen.

Angesichts des Gebots der Rechtssicherheit und des Grundsatzes der Gleichbehandlung sei dieser «Flickenteppich» eine unhaltbare Situation, sagt Rechtsanwältin Nora Flückiger von der Stiftung Tier im Recht. «Jedes Mal, wenn mit einem Hund eine Kantonsgrenze überschritten wird – und sei dies auch zu Fuss auf einem Hundespaziergang – wäre die Kenntnis der hunderechtlichen Regelungen im jeweiligen Kanton vorgeschrieben.» Dabei seien die Rassenlisten und Regelungen «derart unterschiedlich, dass sich auch Hundehalter, die keine auf den ersten Blick potenziell gefährlichen Rassen halten, informieren müssen». Nora Flückiger verweist unter anderem auf den Kanton Tessin, wo 30 Rassen bewilligungspflichtig sind, auch Schäferhunde.

Weniger Listenhunde, mehr Bisse
Immerhin: Die Einführung von Rassenlisten mit Verboten oder Haltebewilligungen hat Wirkung gezeigt. Die meisten der 13 Kantone verzeichnen seit Einführung der Bestimmungen einen Rückgang der Anzahl Listenhunde auf ihrem Kantonsgebiet. Dies mit teilweise drastischen Ausmassen: So waren im Kanton Genf vor der Einführung des Verbots im Jahr 2008 noch 583 Hunde der inzwischen 15 verbotenen Rassen registriert, Ende 2016 waren es noch deren 92.

Im Kanton Zürich ging die Anzahl der Listenhunde von 2010 bis Ende 2015 von 350 auf 284 Tiere zurück. Und im Kanton Basel-Stadt, der seit 2001 eine Haltebewilligung für gewisse Rassen vorsieht, ist die Zahl der gelisteten Hunde von damals 202 auf aktuell rund 30 Tiere zurückgegangen. Wie der Rückgang zu erklären ist, ob etwa Halter der betroffenen Rassen den Kanton gewechselt haben, ist schwierig zu sagen. Zumal jene Kantone, die keine konkreten Regelungen kennen, die Hunde meist nicht nach Rassenzugehörigkeit registrieren.

Damit haben die Kantone mit der Einführung von Rassenlisten wohl zwar eines ihrer Ziele erreicht. Das eigentliche Bestreben der Regelungen wurde aber verfehlt. Die Anzahl Hundebisse nämlich ist seit dem tödlichen Vorfall in Oberglatt nicht zurückgegangen, sondern gestiegen. So wurden etwa im Kanton Zürich vor der Einführung des Hundegesetzes 2010 insgesamt 543 Hundebisse dem Veterinäramt gemeldet, fünf Jahre später waren es 667. Am meisten zugebissen hat im Kanton Zürich der Deutsche Schäferhund, der nicht verboten ist und überdurchschnittlich oft gehalten wird.

Für die Stiftung Tier im Recht ist deshalb klar: «Ein Versuch, den Ängsten der Bevölkerung durch Rassenlisten zu begegnen, ist fruchtlos und wissenschaftlich unfundiert», sagt Flückiger. Wichtiger wäre eine Prävention durch Ausbildungsvorschriften. Vor diesem Hintergrund sei die im vergangenen Jahr beschlossene Abschaffung der Sachkundenachweise für Hundehalter «sehr zu bedauern» (siehe «Tierwelt» Nr. 14/2017). Zudem sollte nicht pauschalisiert, sondern in Einzelfällen mit angemessenen Massnahmen reagiert werden. Und schliesslich dürfe auch die Ausbildung der Nichthundehalter im Umgang mit Hunden nicht vergessen werden, sagt Flückiger. «Hunde sind Teil unserer Gesellschaft. Daher sollte jeder lernen, wie man sich ihnen gegenüber verhält.»

Nationales Hundegesetz gefordert
Ganz allgemein wäre es gemäss Flückiger wünschenswert, wenn das Hunderecht auf Bundesebene geregelt werden würde. «Selbst wenn ein nationales Hundegesetz an einer Rassenliste festhalten würde, was unserer Meinung nach nicht sinnvoll wäre, wäre die Rechtslage für den Hundehalter wohl trotzdem übersichtlicher, als sie es heute ist.»

Dieses Vorhaben scheiterte jedoch Ende 2010 nach mehrjähriger Beratung im Parlament. Umstritten war vor allem die Frage, ob die Kantone schärfere Gesetze erlassen dürfen als der Bund – womit die jetzige Situation bestehen geblieben wäre. Der Nationalrat war dafür, der Ständerat dagegen. Die Einigungskonferenz sprach sich mit 13 zu 11 Stimmen gegen den Vorbehalt zugunsten der Kantone aus. Durch den negativen Entscheid des Nationalrats scheiterte das Gesetz aber schliesslich definitiv – und es herrscht weiterhin ein Gewirr von kantonalen Bestimmungen.