Es herrscht eine gespenstische Stimmung im Untergeschoss des Lenzoparks in Staufen AG. Wo sich sonst Menschen aller Altersstufen nach Einrichtungsgegenständen umsehen oder Kinder im Bastelgeschäft neugierig stöbern, dominieren mittlerweile gähnende Leere, bedrückende Stille und Dunkelheit die Szenerie. Der einzige Laden, aus dem künstliches Licht durch die Glasscheiben dringt, ist der Zoofachhandel Qualipet. Die Türen der übrigen Shops dieser Ebene sind geschlossen. 

Immerhin zwei Kundinnen und ein Kunde sorgen für ein Gleichgewicht zum Personal, das an diesem Tag drei junge Mitarbeiterinnen umfasst. Am Boden befinden sich Markierungen, die einem beim Wahren des Sicherheitsabstandes behilflich sein sollen. Nötig sind sie kaum. Angesichts des überschaubaren Andrangs ist es unwahrscheinlich, sich gegenseitig auf den Füssen zu stehen.

Eine betagte Frau scheint die Ruhe zu genies­sen. Sie nimmt sich viel Zeit in der Katzenabteilung und möchte für ihren Liebling ein Spielzeug kaufen, um sich in dieser schwierigen Zeit noch mehr mit ihrem Büsi abzulenken, wie sie der Verkäuferin sagt. Diese zeigt zwar Verständnis und hört geduldig zu, macht aber darauf aufmerksam, dass sie momentan nur Güter des täglichen Bedarfs verkaufen darf. Dazu gehören laut den zahlreichen, handgeschriebenen Zetteln neben Tierfutter auch Nager- und Katzenstreu sowie Medikamente. Rot-weisses Absperrband soll dafür sorgen, dass nicht doch «verbotene Artikel» im Einkaufskorb landen. Die ältere Dame findet sich ohne jeglich Spur von Ärger damit ab und kauft stattdessen ein Leckerli für ihren Stubentiger.

Kein Verkauf von Haustieren
«Laut dem Bundesamt für Gesundheit dürfen wir zwar nur noch Produkte zur Grundversorgung verkaufen», sagt Qualipet-Geschäftsführer Rolf Boffa. «Kommt aber ein Aquarianer, dem seine Pumpe ausgestiegen ist, verkaufen wir diese, da sonst seine Fische sterben würden.» Es werde also von Fall zu Fall entschieden, was zum Grundbedarf gehört. Hier zähle man auf den gesunden Menschenverstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

Was zurzeit definitiv nicht zu erwerben ist, sind Haustiere. Ein Umstand, den Boffa sehr bedauert. Denn gerade jetzt seien Tiere wie Meerschweinchen, Hamster, Kaninchen & Co. bei Familien gefragt. «Den Tieren würde es besonders gut gehen, denn noch nie hatten unsere Kunden so viel Zeit, um sich über Haltung und Pflege zu informieren und das Heim des Tieres artgerecht einzurichten», sagt Boffa. «Es ist schade, dass man die Kunden so enttäuschen muss, denn sich mit Tieren zu beschäftigen wäre für die Kinder sinnvoller, als nur Netflix und Computerspiele auf dem Schirm zu haben.»

Eine Notsituation, weil es nun zu viele Tiere in den Filialen geben könnte, ist bisher nicht eingetreten. Es werde zudem bereits ein Plan erstellt, wer die Tiere wann pflegt und füttert, sollte es zu restriktiveren Ladenöffnungs-Massnahmen kommen. Das ist laut Boffa nichts grundsätzlich Neues, da auch über Feiertage solche Versorgungspläne gemacht werden.

Bisher können sich Qualipet und Fressnapf, der zweite grosse Zoofachhandel hierzulande, gut über Wasser halten. Zum einen, weil sich in den ersten Tagen Kunden mit dem Lieblingsfutter ihrer Haustiere eingedeckt haben, was den Wegfall von Kratzbäumen, Hundedecken, Katzentüren oder Spielsachen etwas ausgeglichen hat. Und zum anderen, weil der Onlineverkauf in die Höhe geschnellt ist. Sowohl Qualipet als auch Fressnapf haben ihre Umsätze in diesem Bereich verdrei- oder sogar vervierfacht. Angesichts dieses Ansturms kann es zu Lieferverzögerung von fünf bis sechs Tagen kommen. 

Ladenumsätze gleich null
Dies ist ein Grund, weshalb beide Fachhandlungen auf ihren Websites offensiv darauf hinweisen, dass die Läden weiterhin für Kunden offenstehen. Fressnapf betont dabei sogar explizit: «Unsere Filialen sind geöffnet, entgegen den Informationen auf Google.» Eine andere Erklärung ist laut Boffa, dass selbst die klingelnden «Onlinekassen» die massiv tieferen Umsätze zumindest in den schweizweit fast hundert Qualipet-Filialen nicht auffangen können.

Auch Daniel Borraccini kann davon ein leidiges Lied singen. Der Geschäftsführer der Felix Bühler AG, die Reitsportzubehör aller Art vertreibt, glaubt nicht, dass irgendjemand in der Tierbedarf-Branche die Verluste in den Läden durch den Onlinehandel kompensieren kann. «Die Zahlen des Webshopverkaufs werden wohl weiter in die Höhe schnellen, aber trotzdem ist es schwierig zu verkraften, wenn die Ladenumsätze womöglich über Monate gleich null sind.» 

Dass die besagte Null keine Übertreibung ist, wird beim Betreten des Mega Stores in Lenzburg AG deutlich. Normalerweise tummeln sich hier Dutzende pferdebegeisterter Frauen, Männer und auch Kinder, um sich mit Zubehör für ihre Rösser oder mit Reithosen und -stiefeln einzudecken. Doch am heutigen Tag verliert sich auf der riesigen Verkaufsfläche keine Menschenseele. Fast schon ungläubig begrüsst die Filialleiterin Esther Hangarter ihren Besuch. Kein Wunder – so selten wie Kundschaft geworden ist. Sie erklärt, dass der Platz momentan stark eingeschränkt ist, weil viele Bereiche abgesperrt werden mussten. Denn wie in Grossbuchstaben auf einem Schild an der Eingangstür zu lesen ist: «Bis auf Weiteres ist der Zutritt in unserer Filiale nur Personen gestattet, welche ausschliesslich Futter für ihr Pferd kaufen.»

Dass Felix Bühler seine Türen noch nicht verschlossen hat, liege nur daran, dass man sich verpflichtet sehe, dem Pferd zuliebe die Versorgung mit Futter zu garantieren, erklärt Daniel Borraccini. Um auch den treuen Reiterinnen und Reitern bei ihrem Konsumbedürfnis entgegenzukommen, verzichtet das Unternehmen derzeit bei Onlinebestellungen auf Versandkosten und verlängert die Geld-zurück-Garantie auf 60 Tage.

«Nicht jammern, zusammenhalten»
Es sei schwierig, Prognosen für die Zukunft abzugeben, aber selbst wenn sich alles erholt habe, werde man wohl die Auswirkungen der Corona-Krise infolge einer sinkenden Kaufkraft spüren, mutmasst Borraccini. Die Katerstimmung weicht aber schon bald einer Art Kampfansage. «Es nützt nichts zu jammern. Anderen Branchen geht es jetzt noch viel schlechter. Wichtig ist, dass wir nun alle zusammenhalten, um die Krise gemeinsam zu überstehen.» Denn die grösste Herausforderung und die höchste Priorität von Daniel Borraccini liegen darin, in einem Jahr immer noch alle Mitarbeiter gesund beschäftigen zu können. Dann hätten der Spuk und die gespenstische Stimmung ein gutes Ende genommen.