Draussen ist es noch dunkel, als Linda Strack die Tür zum Katzenhaus öffnet. «Ich bin eigentlich keine Frühaufsteherin», sagt die 40-Jährige. Aber nur so käme sie mit der Arbeit durch. «Alleine die morgendliche Fütterung dauert gut eine Dreiviertelstunde.» Seit 17 Jahren kümmert sich Strack in Neuhausen am Rheinfall SH um heimatlose Büsi. Anfangs als ehrenamtliche Helferin einmal pro Woche, inzwischen leitet die gelernte Tierarztgehilfin und ausgebildete Tierpflegerin das Haus. Während sie vor dem grossen Servierwagen steht und Futterbeutel um Futterbeutel aufreisst, streicht ihr Finley um die Beine.

Der Kater lebt seit drei Jahren im Katzenhaus und darf sich in den Gängen und im Büro frei bewegen. Dieses Privileg geniesst er nicht wegen seiner besonders anhänglichen Art, sondern weil es für alle die einfachste Lösung ist. Finley hat eine chronische Darmerkrankung und ein Blasenproblem. Heisst: Er ist nicht stubenrein – weder beim grossen noch beim kleinen Geschäft. «In den Katzenzimmern wäre das ein Problem», so Strack. «Hier draus­sen haben wir es mit Windelauflagen auf Kratzbäumen und Polstermöbeln relativ gut im Griff.» Auch die taube Shelly schleicht durch die Gänge. Auch sie geniesst den Freigang aus logistischen Gründen. «Sie ist eher asozial und lässt sich nicht in der Gruppe halten», so Strack.

 

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Verstossen und von keinem vermisst

Im Katzenhaus gibt es sechs Katzenzimmer mit jeweils einem gesicherten Aussenbereich. Aktuell leben hier rund 30 feste Bewohner. Die meisten von ihnen verstossen oder gefunden und von niemandem vermisst. Inzwischen hört man die ersten hungrigen Mäuler lautstark nach Futter rufen. Wer nicht ohnehin bereits hinter der Tür lauert, kommt angerannt, wenn Strack mit dem Servierwagen das Zimmer betritt. Neben Futter werden auch Medikamente verteilt: Hier eine Salbe ins Ohr, da eine Tablette unters Futter oder auch mal ein Mittel direkt in den Mund. Für Strack reine Routine. Die Griffe sitzen und alles wird streng protokolliert. «Bei den zugefütterten Medikamenten muss ich jeweils aufpassen, dass die Tiere sie wirklich fressen.»

So gehts von Zimmer zu Zimmer und viele Tiere holen sich neben dem Frühstück auch gleich ein paar Streicheleinheiten ab. Andere wiederum sind eher scheu und weichen noch zurück. «Wir haben auch verwilderte Tiere, die sich erst noch an uns Menschen gewöhnen müssen», erklärt Strack. 

Am meisten Betrieb ist im Zimmer mit den Feriengästen. Aktuell hat es 14 Bewohner. «Die Tiere bleiben jeweils ein bis drei Wochen», so Strack. Feriengäste nimmt das Katzenhaus nur auf, weil es sich finanziell lohnt. Denn sowohl für die Katzen als auch die Betreuer sei die Situation nicht ganz einfach. «Die Tiere brauchen immer ein paar Tage, bis sie bei uns ankommen – selbst Stammgäste», so Strack. In dieser Zeit kann es vorkommen, dass sie sich verkriechen, das Futter verweigern oder bei Wind und Wetter draussen auf der Terrasse verharren. «Darum macht man sich im Alltag um die Feriengäste am meisten Gedanken.» Es gäbe aber auch immer wieder schöne Momente. Zum Beispiel dann, wenn ein Tier scheinbar total Gefallen an der Action im Ferienlager findet oder sich gar «Liebespaare» entwickeln.

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Auch «Schwierige» sind willkommen

Im nächsten Zimmer sind die Neuankömmlinge. Sie müssen erst in Quarantäne, damit sie allfällige Krankheiten nicht auf die anderen Katzenhausbewohner übertragen. Im Quarantäne-Zimmer lebt auch Fanny. Die schwarze Katze fällt auf. Nicht nur, weil sie im Vergleich zu den anderen besonders neugierig und zutraulich ist, sondern vor allem, weil ein Grossteil ihres Körpers kahl ist. Stundenlang leckt sie sich das Fell von ihren Hinterbeinen und vom Bauch. Fanny kam als Ferienmitbringsel aus Portugal in die Schweiz. Die Strassenkasse wurde dann über Jahre in der Wohnung gehalten, bis ihr Besitzer sie ins Katzenhaus abschob. «Es ist möglich, dass sie den Freigang vermisst und sich deswegen das Fell leckt», so Strack. Man sei nun mit Experten dran, herauszufinden, was Fanny fehle und wie man ihr helfen könne. Damit sie dann auch wieder vermittelbar ist. «Die meisten wollen halt ein gesundes und unkompliziertes Büsi», so Strack. Ihr selber seien dagegen die Schwierigsten die Liebsten. «Sie brauchen uns am dringendsten.» Auch scheue Katzen würden ihr Herz schnell erobern. «Sie sind freiheitsliebend, genau wie ich.»

Es ist kurz nach 8 Uhr: Strack ist gerade dabei, eines der vielen Katzenklos sauber zu machen, als ein Anruf übers Headset eingeht. Eine Frau will ihre Katze abgeben – für immer. «Ich versuche, mir jedes Anliegen unvoreingenommen anzuhören», so Strack. Nachvollziehen könne sie aber nur in den seltensten Fällen, dass jemand sein Tier abgibt. «Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute erfinden noch eine Allergie, um ihr Büsi loszuwerden.» Besonders betroffen mache sie die Abgabe von alten Tieren. «Wenn man uns eine 15-jährige Katze bringt, weil sie nicht mehr stubenrein ist, dann tut mir das schon weh», so Strack. «Das Tier handelt ja nicht böswillig.» Zudem sei die Vermittlung solcher Tiere fast unmöglich und der Umzug ins Katzenhaus bedeute gerade für ältere Katzen Stress. Trotzdem: Ein Tier abzulehnen, kommt für Strack nicht infrage. «Wir nehmen alle!» Das soll jetzt aber keine Aufforderung sein, seine Katze bei Schwierigkeiten abzugeben. Im Gegenteil: «Wir bieten auch immer Unterstützung an, ein Problem daheim in den Griff zu bekommen.» Früher habe sie oft versucht, die Leute davon zu überzeugen, ihr Büsi doch zu behalten. Damit hat sie aber aufgehört: «Wenn jemand sein Tier abgeben will, ist es vielleicht besser fürs Tier, wenn es da wegkommt.» Zudem sei die Bereitschaft, etwas zu ändern, meist sehr gering. «Oft heisst es dann, man habe schon alles probiert.»

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100 Tiere haben ein neues Zuhause

Andere würden auch weinen, wenn sie ihr Büsi im Katzenhaus abgeben. «Mitleid habe ich dann aber vor allem mit dem Tier.» Immerhin: «Manche Tiere sind nur ganz kurz bei uns», so Strack. Auch in diesem Jahr hat das Katzenhaus schon rund 100 Tiere weitervermittelt. Natürlich falle der Abschied manchmal schwer. «Aber wir können ja nicht alle behalten», so Strack. Umso mehr freue sie sich, wenn sie mal ein Foto vom vermittelten Tier erhalte. «Man muss Vertrauen haben, dass die Leute das gut machen», lacht Strack. «Ich bin ja nicht die Einzige, die das kann.»

Ferienplatz für Katzen: Darauf müssen Sie achten Das Tier muss geimpft, kastriert und idealerweise entwurmt sein. Die Abgabe von Spezialfutter ist bei Gruppenhaltung nur bedingt möglich. Man kann sein Tier kaum ans Ferienlager gewöhnen. Je älter die Katze ist, umso schwerer fällt es ihr. Wohnungskatzen haben meist mehr Mühe als Freigänger. Das eigene Bettchen kann bei der Eingewöhnung helfen. Probetage bringen kaum etwas. Je kürzer der Aufenthalt, umso besser. Eine Betreuung im eigenen Zuhause ist immer die bessere Lösung.