Der Hund ist überall dabei. Ob beim Spaziergang, beim Kaffeeklatsch oder beim Einkaufen, Bello gilt als der optimale Begleiter. Doch kennen wir unseren Liebling tatsächlich so gut, wie wir glauben? Interpretieren wir die Körpersprache der Hunde richtig? Trotz Hundeschulen, Hundepsychologen und vielen Hundezeitschriften lautet die Antwort «Nein». Denn noch immer unterliegt ein Grossteil der Menschheit zahlreichen Irrtümern, die sich mitunter sogar sprichwörtlich verankert haben.

Wer kennt nicht die Redewendung «Hunde, die bellen, beissen nicht». Streng wörtlich genommen, stimmt sie. Schliesslich können sie nicht beides gleichzeitig. Nacheinander allerdings schon. Denn es sind vor allem unsichere Hunde, die gerne lautstark bellen. Wenn sie meinen, sich in einer ausweglosen Situation zu befinden, kann es auch zu Attacken kommen. So schaffen sie eine Distanz zu anderen Hunden oder Menschen, vor denen sie Angst haben oder wenn sie sich bedroht fühlen. Getreu dem Motto «Angriff ist die beste Verteidigung». Und damit wäre auch gleich der nächste Irrtum aus der Welt geschafft, nämlich der, dass aggressiv gleichzusetzen sei mit böse. Statistisch gesehen beissen Hunde zu 95 Prozent aus Angst oder Unsicherheit.

Wedelt der Vierbeiner mit dem Schwanz, ist er nicht begeistert sondern aufgeregt
Zu Missverständnissen zwischen Zwei- und Vierbeinern kann auch falsch verstandene Höflichkeit führen. Gehört es in der Menschenwelt zum guten Ton, sich in die Augen zu schauen, sollte man das zumindest bei fremden Hunden lassen. Denn für die ist das eine provokante Geste, die – je nach Selbstsicherheit des Tieres – zu einem Angriff führen kann. Wer dabei noch ein mögliches Schwanzwedeln falsch versteht, sollte in Deckung gehen. Denn ein weiterer Trugschluss ist, dass Bello sich freut, wenn er mit der Rute wackelt. Dies bedeutet nicht Begeisterung, sondern schlichtweg Aufregung. «Ob das auf eine freudige Erregung zurückzuführen ist oder ob eine Konfliktsituation bevorsteht, lässt sich allein aus dem Schwanzwedeln nicht ableiten», erklärt Angela Bartels. Die Fachärztin für Verhaltenskunde und Tierschutz von der Ludwig-Maximilians-Universität München rät daher, alle Signale des Hundes zu beobachten und diese mit der Situation in Zusammenhang zu bringen. 

Es kommt auf Nuancen an: Wedelt der Vierbeiner schnell mit erhobener Rute, freut er sich. Ist er ängstlich, wedelt er mit heruntergezogenem Schwanz etwas steifer. Ähnlich verhält es sich mit dem Knurren, das von der Aufforderung zum Spiel bis zur Drohung alles bedeuten kann. Es gehört zum normalen Ausdrucksverhalten der Hunde. Auch während des Spielens knurren einige, was oft nicht nur von Menschen, sondern auch von Artgenossen falsch verstanden wird. Dabei heisst es meist einfach, dass der Hund Spass hat.

Standhaft hält sich auch das Gerücht vom allgegenwärtigen «Welpenschutz». Kurz gesagt: Einen solchen gibt es nicht. Er existiert nur im eigenen Rudel, nicht aber unter fremden Hunden. «Viele Hunde sind Welpen gegenüber zwar toleranter», sagt Bartels. Es gebe aber auch Vierbeiner, die keine Welpen mögen und schon mal knurren oder schnappen, um sie zu massregeln. Da positive Erlebnisse unter Artgenossen gerade in der Welpenzeit für das spätere Sozialverhalten wichtig sind, ist hier die frühzeitige Absprache der Halter gefragt. Wer allerdings glaubt, Hunde müssten unbedingt Kontakt zu Artgenossen haben, der irrt. «Letztendlich hängt es von den Gewohnheiten des Hundes ab, ob er zum Beispiel immer viel mit anderen Hunden zu tun hatte», erklärt Bartels. 

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 Der Berner Sennenhund macht gerne mal Pause.
 Bild: CHG/wikimedia.org

Viele Leute unterliegen dem Trugschluss, dass kleine Hunde weniger Auslauf bräuchten als grosse und leichter zu führen seien. Dabei hängt beides stark von der Rasse sowie vom Individuum selbst ab. So braucht beispielsweise ein Cocker Spaniel mindestens zwei, besser drei bis vier Stunden Auslauf am Tag, während der Berner Sennenhund eher gemächlich ist und nicht täglich durch den Wald gescheucht werden möchte.

Ebenso wenig hängt das Verhalten mit der Grösse zusammen. Die grössten und stärksten Hunde sind nicht automatisch die Alphatiere. Rudelführer zeichnen sich vor allem durch Selbstsicherheit aus, die Grösse spielt keine Rolle. Ausserdem möchte gar nicht jeder an der Spitze der Hierarchie stehen. Viele geniessen lieber ein stressfreies Dasein als einfaches Rudelmitglied. Den Menschen sieht Bello übrigens im Normalfall als alleinigen Rudelführer an. Ist dies anders, sind fast immer Erziehungsfehler die Ursache. 

Hund und Katze müssen zuerst die Sprache des Gegenübers lernen
Oft hört man den Satz «Jetzt weiss er, dass er etwas falsch gemacht hat», meist dann, wenn Bello mit herunterhängenden Ohren daliegt oder schielenden Blickes um die Ecke schleicht und dem Herrchen kurz darauf ­Uringeruch in die Nase steigt. Doch auch wenn Bello noch so schuldbewusst dreinschaut, ein schlechtes Gewissen hat er nicht. «Wenn wir von Gewissen reden, dann sind wir im Bereich der moralischen Beurteilung des eigenen Handelns – und Tiere kennen keine Moral», erläutert Bartels. Doch wenn Hunde nicht nach Gut und Böse unterscheiden, warum sehen sie dann in solchen Momenten so traurig aus? Weil sie gelernt haben, die menschlichen Verhaltensweisen zu interpretieren, und ihr Herrchen beschwichtigen möchten. Es ist also nicht die Pfütze auf dem Boden, die Bello stört. Stattdessen hat ihn die Erfahrung gelehrt, dass eine Pfütze in Kombination mit der Anwesenheit seines Herrchens Ärger bedeutet. 

Nun aber zum wohl grössten Irrtum der Menschheit über Hunde: Sie verstünden sich nicht mit Katzen. Das ist falsch. Die beiden Tierarten sprechen nur eine andere Sprache, die erst gelernt werden muss. Katzen heben etwa die Pfote, wenn sich ein Hund nähert. Dieser empfindet das als Begrüssung und Aufforderung zum Spielen, auf Kätzisch heisst es aber «Bleib mir vom Leib». Umgekehrt schnurrt die Katze, wenn sie sich wohlfühlt, was Hunde wiederum als abwehrendes Knurren deuten. Am einfachsten ist es für alle Beteiligten, wenn sie miteinander aufwachsen und so von- und miteinander lernen. 

Aber Vorsicht, das bedeutet nicht, dass der an Katzen gewöhnte Hund alle Stubentiger mag. Draussen kann eine fremde, vor ihm flüchtende Katze seinen Jagdtrieb wecken. Dabei wäre es für die Samtpfote ganz einfach: Lässig sitzen bleiben und keine Angst zeigen, dann verliert Bello meist ganz schnell sein Interesse.