Rechtliche Handhabe für ein solches Verbot bieten ihren Angaben nach Richtlinien der Europäischen Union. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bewertet die Forderung skeptisch. «Das Katzenproblem muss man ernst nehmen», sagt Nabu-Vogelexperte Lars Lachmann. Ein Ausgehverbot könne bei der Gefährdung lokaler Populationen mancherorts durchaus sinnvoll sein. Flächendeckend sei eine solche Massnahme rechtlich aber nicht begründbar.  

Arie Trouwborst und Han Somsen von der niederländischen Universität Tilburg argumentieren in einem kürzlich im «Journal of Environmental Law» veröffentlichten Beitrag, Katzen seien eine invasive Art, die vor Jahrtausenden von Vorderasien nach Europa gebracht wurde. Inzwischen zählten sie global zu den am weitesten verbreiteten Räubern und richteten riesige Schäden an. Die Tiere gefährdeten die Artenvielfalt insbesondere von Vögeln.   

Dies liege auch daran, dass die Tiere sehr zahlreich seien und eine wesentlich höhere Populationsdichte aufwiesen als Fleischfresser ähnlicher Grösse. In der Schweiz leben gemäss dem Statistikportal statista.com etwa 1,6 Millionen Katzen als Haustiere. Fast in 30 Prozent der Haushalte lebt eine Katze.  

Katzen bedrohen 367 Arten  
«Weltweit waren Hauskatzen an der Ausrottung von mindestens 2 Reptilienarten, 21 Säugetierarten und 40 Vogelarten beteiligt – das heisst an 26 Prozent aller bekannten derzeitigen Ausrottungen in diesen Tiergruppen», schreiben Trouwborst und Somsen. «Derzeit stellen Hauskatzen eine Gefahr für mindestens 367 bedrohte Arten dar.»  

Die juristische Grundlage für ein radikales Vorgehen gegen freilaufende Katzen liefern die Forscher mit – aus Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und Vogelschutz-Richtlinie Artikel 6 sowie 22b, dem zufolge eingeführte Arten die heimische Fauna nicht gefährden dürfen. Zusätzlich biete die Vogelschutz-Richtlinie, Artikel 2 und 5, eine Handhabe: Insbesondere Artikel 5 der EU-Gesetzgebung fordert ein Verbot des absichtlichen Störens, Tötens oder Fangens von Vögeln.  

«Die Richtlinien decken eine grosse Bandbreite ab», sagt Jan-Henrik Meyer vom Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt. Ob das argumentative Rüstzeug im Einzelfall juristisch standhalte, sei allerdings offen.  

Schon der Anblick kann tödlich sein  
Mit Zahlen aus den USA unterstreicht das Duo die Grössenordnung. Dort töten Katzen demnach jährlich geschätzt knapp 100 bis 300 Millionen Amphibien, rund 260 bis 820 Millionen Reptilien, 1,3 bis vier Milliarden Vögel und 6,3 bis 22,3 Milliarden Säugetiere. Nabu-Experte Lachmann schätzt, dass Katzen in Deutschland pro Jahr 25 bis 100 Millionen Vögel – bei einem Gesamtbestand von 500 Millionen – erlegen. «Das ist schon eine grosse Zahl.»  

Trouwborst und Somsen verweisen nicht nur auf jagende Tiere: Schon die Gegenwart einer Katze verschrecke Vögel und gefährde den Bruterfolg etwa von Amseln und Rauchschwalben. Die Folgen seien für die Bestände ähnlich gravierend wie die Jagd selbst, so die Autoren.   

Ihr Vorschlag: Streunende und verwilderte Katzen sollten aus der Landschaft nach Möglichkeit entfernt werden, Besitzer sollten ihre Tiere nicht mehr nach draussen lassen – es sei denn angeleint oder in Gehegen.  

Dann müssen auch Scheiben verboten werden  
Dass Katzen einzelne Individuen geschützter Tierarten töten, ist für Lachmann keine Grundlage für ein generelles Ausgehverbot. Dann müsse man auch gegen alle Fensterscheiben in Gebäuden vorgehen – dadurch kommen laut Nabu allein in Deutschland jährlich rund 100 Millionen Vögel ums Leben. Wenn Katzen aber lokal Bestände geschützter Arten bedrohen, befürworte der Nabu auch strenge Massnahmen.   

Trouwborst und Somsen halten es für kaum verständlich, dass Interessen von Hauskatzen über denen der von ihnen gefährdeten Arten stünden. Auch die Privatinteressen der Katzenhalter wögen nicht schwerer als das öffentliche Interesse an einem Erhalt der Artenvielfalt. Dennoch stellen sie fest: «Nach unserem Wissen hält derzeit nicht ein einziger Mitgliedsstaat Katzenhalter davon ab, ihre Haustiere streunen zu lassen» – obwohl die EU-Schutzbestimmungen dies verlangten.  

Staaten scheuen öffentliche Meinung  
Warum kein Staat gegen Katzen vorgehe? «Wir spekulieren, dass die Zurückhaltung der EU-Mitgliedsstaaten, das Hauskatzenproblem effektiv anzugehen, zumindest teilweise von der vermutlichen Unpopularität solcher Handlungen in manchen Teilen der Gesellschaft herrührt», schreiben die Juristen und betonen, dies erkläre zwar die Untätigkeit, rechtfertige sie aber keineswegs.  

Max-Planck-Forscher Meyer verweist darauf, dass die EU den Vogelschutz durchaus ernst nehme. So zog die EU-Kommission seit den 1980er-Jahren verschiedene Mitgliedsstaaten wie Belgien, Italien und Frankreich vor den Europäischen Gerichtshof und verlangte, die Vogelschutz-Richtlinie angemessen in nationales Recht umzusetzen und die Jagd auf Vögel zu unterbinden. Die Länder mussten ihre Gesetze überarbeiten. Zwar blieben Ausnahmeregelungen, doch generell ging der Vogelfang laut Meyer zurück.