Als Leeloo das erste Mal Wasser lassen konnte, waren wir extrem erleichtert», erinnert sich «Tierwelt»-Redaktor René Schulte. Für ihn und seine Frau war dies der ersehnte Beweis dafür, dass ihre 17-jährige Katze die Entfernung des Blasentumors gut überstanden hatte. Schon bald wurde der Katzenurin aber zu einem grossen Problem. «Als Folge der Operation tropfte Leeloo ständig.» Um Möbel und Parkett zu schützen und den Geruch in der Wohnung einigermassen erträglich zu halten, legten die erfahrenen Katzenhalter an den beliebten Liegeplätzen Saugunterlagen und Badetücher aus und hofften bei der abendlichen Rückkehr nach Hause, dass Leeloo möglichst lange an einem Ort geschlafen und nicht alles vollgetropft hatte. 

Wie anspruchsvoll das Leben mit inkontinenten Katzen ist, lässt sich als Aussenstehende nur erahnen. Klar ist: In solchen Fragen steht immer auch die Möglichkeit nach der Euthanasie im Raum. René Schulte und seine Frau waren bereit, den unangenehmen Geruch und den grossen Aufwand zu ertragen, weil ihnen ihre Katze Leeloo insgesamt munter und zufrieden schien.

Die Suche nach der richtigen Windel
Der Einsatz von Katzenwindeln – ihr Tierarzt konnte keine Tipps dazu geben – kam für die beiden hingegen nicht infrage. Zum einen, weil Leeloo schon sehr alt war und sie davon ausgingen, dass sich die Katze nur schwerlich an den neuen Fremdkörper gewöhnen würde. Zum anderen waren die beiden den ganzen Tag über ausser Haus und entsprechend nicht in der Lage, die Windeln regelmässig zu wechseln. Beide hofften, die Situation mit Medikamenten verbessern zu können. 

Sandra Fritschi aus Besenbüren AG hat zwei Katzen, die ihre Ausscheidungen nicht zurückhalten können. Die gelernte Tierpflegerin hat ihr Leben bedürftigen Tieren verschrieben – insbesondere zehn grösstenteils handicapierten Katzen. Ihr Leben verlange ihr zeitlich, finanziell und sozial viel ab, erzählt Fritschi: «Wem kann man schon – wenn man mal weg will – zwei gelähmte Büsi anvertrauen?» An ihre Grenzen kam die Tierfreundin mit der heute fünfjährigen Naijuma. Das Büsi wurde ihr mit gebrochenen Beinen und einem gebrochenen Rücken anvertraut – mit den bereits beschriebenen Konsequenzen. 

In der Hoffnung auf eine möglichst gute Lebensqualität für Mensch und Tier machte sich Fritschi auf die Suche nach Windeln. Weil die im Handel erhältlichen Hundewindeln «nicht passten und viel zu teuer waren», begann sie mit Baby-Windeln zu experimentieren. Sie habe viele Windeln durchgetestet, bis das Loch für den Schwanz am richtigen Ort war und die Windel gut sass. Die Katze an die Windel zu gewöhnen war ein weiterer grosser Schritt – den sie ebenfalls schaffte. «Es war ein Riesenkampf», sagt Fritschi dazu. 

Sie habe es sogar geschafft, Naijuma wieder auf alle vier Beine zu stellen und die Katze sei auf dem bestem Weg gewesen, wieder laufen zu können, als sie an einem der hinteren Beine plötzlich eine Unterhautentzündung entwickelt habe. Einzige Möglichkeit, das Bein zu retten, war eine Hauttransplantation. «Die Heilungsphase wäre für Naijuma die Hölle auf Erden gewesen. Da dachte ich, jetzt werde ich sie erlösen», erinnert sich Fritschi. Ihr Tierarzt habe dann den Vorschlag gemacht, das Bein zu amputieren; Naijuma blieb am Leben. 

In der Folge habe sich Naijuma zwar rasch erholt – nur die Windeln hätten bei der nunmehr dreibeinigen, zwar teilweise gelähmten, aber trotzdem sehr agilen Katze nicht mehr richtig gesessen. Dieses Mal fand Fritschi die Lösung im Umschneidern eines sogenannten Kastrationsbodys – ein Gewändchen, das verhindern soll, dass Katzen oder Hunde ihre Operationswunde aufbeissen. 

Eine Frage der Katzentoleranz
Inzwischen ist ein weiteres Windel-Büsi zu  Fritschis Katzenfamilie dazugestossen. Während Naijuma sich längst an ihren Body gewöhnt hat und mit einem kleinen Rollstuhl durch die Gegend düst, steht beim knapp einjährigen Neuzugang Rafael alles auf Anfang. Sie habe viele schwierige Tage durchlebt und sei von der traumatisierten Katze unzählige Male gebissen worden: «Ich weinte oft und dachte, diese Herausforderung sei eine Nummer zu gross. Aber dann haben wir auch wieder schöne Tage zusammen, an denen wir uns ganz nah sind, Rafael Zuneigung sucht, schnurrt und ich die Windeln wechseln kann, ohne gebissen zu werden.»

Die Frage: «Schaff ich das?», hält Helene Rohrbach von der Kleintierklinik der Universität Bern für eine sehr wichtige Frage im Umgang mit potenziellen Windel-Katzen. Man habe zwar nicht mit Windeln, wohl aber mit dem Problem an sich einige Erfahrung: «Gerade Katzen mit Verletzungen im Bereich des Schwanzansatzes können wieder völlig genesen, sprich, die Knochen können heilen, nicht aber die Kontrolle ihrer Ausscheidungen. Ein solches genesenes Tier zu euthanasieren, ist sehr traurig.» Oft würden die Tiere zwar tropfen, die Blase sich aber trotzdem nicht vollständig entleeren: «Diesen Katzen muss mehrmals täglich die Blase ausgedrückt werden.» Zusätzlich hätten sie ein erhöhtes Risiko an Harnblase-Infekten zu erkranken. 

Ob der Einsatz von Windeln sinnvoll sei, könne nicht generell beantwortet werden, sagt Rohrbach weiter: «Nach unserer Erfahrung tolerieren viele Katzen nicht einmal einen Verband. Deshalb scheint es unvorstellbar, dass eine Katze eine Windel akzeptieren könnte. Es gibt aber tatsächlich auch Katzen, welche Dinge wie Verbände und sicher auch Windeln sehr gut tolerieren.» 

Rohrbachs Fazit: «Jede Katze muss individuell beurteilt werden. Leert sich die Harnblase? Kann diese falls nötig einfach ausgedrückt werden? Kann der Besitzer dies lernen? Und will der diesen Pflegeaufwand in Kauf nehmen?» Insbesondere die Frage, ob die Katze die nötigen Massnahmen tolerieren könne, sei für die Beurteilung ihrer Lebensqualität entscheidend. 

Büsi Leeloo ist inzwischen gestorben. Dass sie ihrer Katze – trotz allem – noch ein paar gute Monate zu Hause ermöglichen konnten, ist für René Schulte und seine Frau ein Trost. 

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