Stolze 39.90 Franken hat das neue pelzig weiche Bettchen gekostet. Nach ein paar Tagen zeigt sich: Die Investition war für die Katz. Viel lieber sitzt der kleine Kater in einer Kartonkiste und frisst dieselbe Stück für Stück auf. Warum die Euphorie für ein geformtes Stück hartes Papier? «Katzen sind neugierige Tiere und untersuchen Neuigkeiten in ihrem Umfeld, die womöglich noch spannend riechen», sagt Katzenforscher Dennis C. Turner vom Institut für angewandte Ethologie und Tierpsychologie in Horgen ZH. Zur Neugier hinzu komme ein Verhalten, das die meisten Säugetiere zeigten: Nämlich, dass Katzen gerne einer Wand entlanggingen oder -lägen, weil sie dadurch zumindest von einer Seite her Schutz hätten. 

Auch die Tierpsychologin Yvonne Stamm aus Rüfenach bei Brugg AG sieht das Bedürfnis von Katzen nach Schutz als einen Grund für ihre Kisten-Liebe: «In einer Höhle fühlen sich Katzen sicher, weil sie nicht aus dem Hinterhalt gestört oder angegriffen werden können. Viele Miezen ziehen sich deshalb gerne in eine Kiste zurück, um entspannt zu schlafen.» Vor allem Freigänger oder Katzen in unruhigen Haushalten seien solche «Höhlengänger». Viele Katzen liebten es, viel Kontakt zu Wänden zu haben, sagt Stamm weiter: «Je weniger Raum um die Katze ist, umso sicherer fühlt sie sich.»

Das Gegenteil von Schutz, nämlich Angriff, ist laut Stamm ein weiterer Grund für Katzen, um in eine Schachtel zu hüpfen: «Eine Höhle ist ein ideales Versteck, um Angriffe zu planen, ohne dass der Gejagte den ‹Feind› sieht. Ob das ernst gemeinte Angriffe sind oder Spiel, macht keinen Unterschied.» Nicht zuletzt hätten Katzen Freude daran, sich zu verstecken und gefunden zu werden. Dabei seien sich die Tiere sehr wohl bewusst, dass man sie nicht sehe: «Darum geben viele auch gleich Antwort, wenn man ihren Namen ruft, nachdem Motto: Ich bin da, ich habe mich nur versteckt!»

Ein anderer Erklärungsversuch zielt auf die bevorzugte Körpertemperatur von Hauskatzen ab. Laut einer Studie aus dem Jahr 2006 liegt die Wohlfühltemperatur von Katzen zwischen 30 und 36 Grad. In diesem Bereich müssen die Tiere keine zusätzliche Energie aufbringen, um ihre Körpertemperatur zu halten. Ihre Halter hingegen fühlen sich meist in deutlich kühleren Räumen wohl. ­Hineingeschmiegt in eine kleine Kiste dürfte es so für die Katze – abgesehen von der Ofenbank – am ehesten schnell und dauerhaft warm und gemütlich werden. «Wärme und Enge könnten eine beruhigende Wirkung auf die Katzen haben», vermutet Maya Bräm von der Abteilung Tierschutz an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern. 

Weniger Stress, weniger Infektionen
Claudia Vinke von der niederländischen Universität Utrecht hat das Verhältnis von Katzen zu Kisten wissenschaftlich untersucht. Mit ihrem Team ist sie der Frage nachgegangen, welchen Effekt Kisten auf neu in einem Tierheim eintreffende Katzen haben. Für die Untersuchung arbeitete die Verhaltensmedizinerin mit zwei Gruppen. Der einen Katzengruppe stellten die Forscher bei ihrem Eintreffen Kisten als Rückzugsort in den Käfig. Die andere Gruppe musste ohne Kisten auskommen. Schon nach drei Tagen zeigte sich, dass die Katzen im Käfig mit Kisten wesentlich entspannter waren. Sie gewöhnten sich schneller an die neue Umgebung und suchten bald Kontakt zu Menschen. Erst nach zwei Wochen erreichte auch die andere Katzengruppe einen ähnlich tiefen Stresslevel. 

Nun müsse untersucht werden, ob sich eine Box auch längerfristig positiv auf das Stresslevel von Hauskatzen auswirke, schreibt Vinke im Fachmagazin «Applied Animal Behaviour Science» über ihre Untersuchung. Stress schwäche das Immunsystem und eine Stressminderung könnte das Risiko der Katzen für Infektionskrankheiten möglicherweise entsprechend mindern.

Die Möglichkeit des Kratzens und Zerkauens sind weitere Vorteile, die Schachteln für Katzen bringen. Kratzen hilft den Katzen sich zu strecken und ihre Krallen abzuwetzen. Ausserdem werden dabei zwischen den Zehenballen sitzende Schweissdrüsen aktiviert und das Revier markiert. Das Zerkauen und Zerfleddern von Kartonschachteln könnte mit der Zahnpflege etwas zu tun haben – oder den Katzen auch ganz einfach Spass machen.

Und zwar nicht nur den Hauskatzen. In einem Zoo im Deutschen Wuppertal schaffte eine Kartonschachtel, was den Tierpflegern nicht gelang: Nämlich die scheue Sibirische Tigerin Mymosa aus ihrem Innengehege in eine kleine Aussenanlage zu locken. Und in den Tierpärken Dortmund und Berlin wurden den jungen Löwen Kartonkisten ins Gehege gestellt, die sie eifrig nutzten.