An Katzen schätze ich vor allem ihren unabhängigen Charakter. Sie lassen sich zu nichts überreden, sondern bestimmen selber, wann es Zeit für eine Streicheleinheit oder eine Spielstunde ist. Zumindest ist das bei meinen beiden Stubentigern so. Wenn sie spielen wollen, dann nach ihren Regeln. Entsprechend skeptisch war ich, als mich eine Kollegin bat, ihnen apportieren beizubringen. Das ist doch nur etwas für Hunde, dachte ich. 

Ein bekanntes Unternehmen, das auf Katzenzubehör spezialisiert ist, behauptet aber, dass auch Katzen apportieren können. Die Firma bietet sogar eine Anleitung dafür. Ich lasse mich auf dieses Experiment ein und gehe Schritt für Schritt vor. «Nehmen Sie ein kleines Spielzeug, das ihre Katze mag, etwas Kleines, Leichtes, das sich gut werfen lässt.» Mir kommt sofort die Plüschmaus in den Sinn, die mein Kater Tony liebt. Ich schnappe sie mir und lese, was ich als Nächstes tun soll: «Rufen Sie Ihre Katze. Werfen Sie das Spielzeug ein bisschen in die Luft und fangen Sie es wieder auf. Spielen Sie damit und wirken Sie dabei amüsiert. Beobachtet Ihre Katze Sie?» Das tut Tony zwar, allerdings mit einem irritierten Blick, als würde er sich fragen, was mit mir nicht stimmt.

Unerwartetes Erlebnis mit Wattestäbchen 
Ob ich auf einem guten Weg bin? Ich zerstreue meine Zweifel und gehe einfach weiter zum nächsten Punkt. «Während Sie in einem Sessel sitzen, halten Sie das Spielzeug so, dass es gut sichtbar ist, und werfen es dann in die Nähe Ihrer Katze.» Gelesen, getan. Tony schaut der Maus zwar hinterher, interessiert sich aber nicht weiter dafür und guckt stattdessen wieder mich an. Und was nun? «Wenn Ihre Katze zuschaut, heben Sie das Spielzeug auf und kehren Sie wieder zum Sessel zurück. Fangen Sie von vorn an. Wiederholen Sie das zweimal am Tag jeweils zehn Minuten lang. Einige Katzen kommen auf die Idee, Ihnen das Spielzeug wieder zurückzubringen.» 

Tony gehört nicht dazu. Je öfter ich diese Übung mit ihm versuche, desto langweiliger findet er sie. Doch dann passiert etwas Unerwartetes: Als mich Tony ein paar Wochen später morgens im Bad besucht, klaut er mir ein Wattestäbchen und läuft damit davon. Ich renne hinterher und erobere es zurück, was ihn prompt ermutigt, mir zu folgen. «Interessant», denke ich und werfe das Stäbchen ein paar Meter weg. Tony sprintet wie von der Tarantel gestochen hinterher und bringt es mir tatsächlich wieder. Das Ganze funktioniert auch nach weiteren Versuchen.

Die neue Spielleidenschaft hält zu meinem Erstaunen auch die nächsten Tage an. Katzen können also wirklich apportieren, wenn sie denn wollen. Mittlerweile hat Tony sein Interesse am «Stäbchenwerfen» allerdings wieder verloren. So ist mein Kater eben, er hat seinen eigenen Kopf und Willen. Und genau deshalb liebe ich ihn so.