Ein röchelnder Hund kommt mir nicht ins Haus. Das hatte ich mir geschworen. Mops und Co. sahen zwar ganz herzig aus, ja – aber die Atemgeräusche, um Gottes willen, niemals! Entsprechend entsetzt fiel dann auch meine Reaktion aus, als mein Freund mir eröffnete, dass er gerne einen Hund hätte, und zwar so einen, den er in der TV-Werbung eines schwedischen Möbelhauses entdeckt habe. Ich erinnerte mich vage, hatte einen plattnasigen, dicken Hund vor Augen – und sagte sofort: Nein! 

Das sei aber kein Mops in der Werbung, und auch keine Französische Bulldogge, die man immer öfter antrifft, sondern ein Boston Terrier, hochbeiniger und schlanker als die anderen und überhaupt viel gesünder. Je mehr Überzeugungsversuche mein Freund startete, desto mehr weckte die mir bis dahin unbekannte Rasse mein Interesse. 

Mehrere Sommer voller Ausreden
Zwei Besuche in einer von der FCI anerkannten und mehrfach preisgekrönten Zuchtstätte der Schweiz schliesslich liessen meine Zweifel schwinden: Die Hunde hatten zwar kurze Nasen, waren aber aktiv, sportlich, geräuschlos – und so herzallerliebst, dass sie mein Herz im Sturm eroberten. Sodass im Juli 2015 wahr wurde, was ich bis dahin niemals für möglich gehalten hätte: Eine Kurznase zog ein.

Bereits auf einem der ersten Spaziergänge folgte der erste Dämpfer: Chippy atmete so schwer, dass mein Freund den Rückweg alleine auf sich nehmen musste, um das Auto und damit uns zu holen. Nun, es war Hochsommer in der Mittagszeit und die Spazierstrecke hatte kaum Schatten. Noch dazu hatten wir vergessen, Wasser mitzunehmen. So taten wir die Erfahrung als Anfängerfehler ab und nahmen die Schuld für Chippys Atemgeräusche auf uns. Bei 30 Grad an der prallen Sonne, so unsere Überzeugung, wäre auch ein langnasiger Hund ins Schnaufen gekommen. 

Doch es sollte nicht das letzte Mal sein, dass Chippy mit der Atmung an seine Grenzen kam – und wir überall Ausreden suchten: Mal war es zu heiss, mal hatte er zu wenig getrunken, mal war er sowieso schon kränkelig, mal war es psychisch und immer öfters mangelte es ihm auch einfach an der nötigen Kondition. Da Chippy vor allem im Sommer Mühe hatte, waren die Probleme im Herbst jeweils schnell wieder verdrängt. Sodass wir im Frühling darauf ab Temperaturen von 20 Grad mit den Ausreden, wieso Chippy nun nicht wie andere Hunde rennen und lange spazieren kann, wieder von vorne beginnen konnten. 

Doch diesen Sommer war Schluss. Als wir extra seinetwegen in die Berge fuhren, weil es da ein paar Grad kühler war, Chippy aber nach zehn Minuten streikte und auch nach einer Stunde in kühler Umgebung noch immer schwer atmete, stand für mich fest, was ich mir vier Jahre lang nicht eingestehen wollte: So kann es nicht weitergehen, der Hund braucht Hilfe.

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Es liegt nicht nur an der Nase
Auf Empfehlung mehrerer Hundehalter wurden wir in der Ennetseeklinik in Hünenberg ZG vorstellig. Der dortige Oberarzt der Chirurgie, Alessandro Andreoni, kennt sich aus mit Hunden mit dem Brachycephalen Obstruktiven Syndrom, wie die durch die Kurzköpfigkeit bedingte Atemnot heisst. Zwischen 80 und 100 Kurznasen landen deswegen jährlich auf seinem OP-Tisch. Meistens seien dies Französische Bulldoggen und Möpse, Boston Terrier eher selten.

Andreoni stellte auf den ersten Blick fest, dass Chippy nicht nur eine sehr kurze Nase, sondern auch sehr enge Nasenlöcher hat. Und auch wenn er im Alltag nur selten hechelt, sei dieser Engpass bei Hitze oder Anstrengung der Anfang des Übels. «Wenn die Luft bereits beim Eingang blockiert wird, hat sie es danach umso schwieriger.» Das betreffe auch die Fähigkeiten des Hundes, sich durch Hecheln abzukühlen. 

Die kurze Nase und die kleinen Nasenlöcher, also das, was man sieht, seien jedoch nur die Spitze des Eisbergs, führte Andreoni weiter aus. «Die eigentlichen Probleme befinden sich auf dem Weg von der Nase zur Lunge.» Oftmals erschwere ein zu langes und dickes Gaumensegel, wie das Halszäpfchen beim Hund genannt wird, die Atmung und werde gar bei jedem Atemzug in den Kehlkopf eingesaugt. «Dadurch entstehen die Schnarchgeräusche», so Andreoni. Und durch den Unterdruck, der durch den Widerstand mit jedem Atemzug entsteht, könne auch der Kehlkopf verändert sein. 

Nach zwei Wochen war alles verheilt
Als Chippy zwei Wochen später bei Andreoni auf dem OP-Tisch lag, bestätigte sich, was man bis dahin von aussen nur erahnen und hören konnte: Sein Gaumensegel war zu lang und zu dick und die Kehlkopf­taschen durch den Unterdruck ausgestülpt. Die Nasenlöcher konnte Andreoni vergrössern, das Gaumensegel kürzen und ausdünnen und die ausgestülpten Kehlkopftaschen wegschneiden. 

Nach ein paar Stunden konnten wir Chippy in der Klinik abholen. Die Nasenlöcher, die uns auf den ersten Blick riesig erschienen, waren rot und bluteten kaum – Lasertechnologie sei Dank. Neben den Nachwehen der Narkose machten Chippy die Tage nach der Operation Schluck- und Halsweh zu schaffen. Und die Kruste an der Nase löste sich nicht so schnell wie erwartet. Doch nach circa zwei Wochen war alles verheilt und Chippy längst wieder ganz der Alte – einfach leiser. Auch rennen kann er länger und ebenfalls geräuschlos. Der Härtetest jedoch folgt erst noch, im Frühling, wenn die Temperaturen wieder steigen. Dann wird sich zeigen, ob der Eingriff Chippy auch mehr Luft zum Toben und wieder Abkühlen verschafft hat.