Als Laetitia Guarino den Raum betritt, zieht sie alle Blicke auf sich. Mit ihrem schwarz-weiss gestreiften Zweiteiler, dem champagnerfarbenen Strickjäckchen, der navygrünen Stoffjacke über dem Arm und den beigen Sneakers fällt sie auf. Die zurückgebundenen dunklen Haare, die glitzernden Ohrringe und die dunkle Sonnenbrille verleihen ihr ausserdem etwas Divenhaftes – passend zum Treffpunkt, der Lobby eines Fünfsternehotels in Lausanne.  

Doch der Eindruck täuscht. Keine Frage: Laetitia Guarino ist bildhübsch und mit den Massen 85-60-89 ein Traum von Frau. Nicht umsonst wurde sie im Oktober 2014 zur schönsten Frau der Schweiz erkoren. Doch spätestens wenn sie den Blick auf ihre leuchtend-braunen Augen freigibt und zum schüchternen Händedruck ansetzt, wird klar: Diese Miss gehört nicht zu den unnahbaren Diven, die man aus den Klatschheftchen kennt. Zu natürlich ist ihr Auftreten, zu warmherzig ihre Ausstrahlung. Schnell zeigt sich auch, dass nicht sie selbst, sondern ein anderer Star im Mittelpunkt ihres Lebens steht: Yorkshire-Terrier-Mischlingshündin Lolita.

Als Kind für Hund und Pferd gespart
«Ich wollte schon immer einen Hund», erzählt die 22-Jährige. Als kleines Mädchen sei sie ihren Eltern mit ihrem Wunsch lange Zeit in den Ohren gelegen. Ihre Rehaugen alleine halfen der damals Neunjährigen jedoch nicht weiter – jedenfalls nicht ganz. «Meine Eltern wollten eigentlich keinen Hund, stimmten dann aber zu unter der Voraussetzung, dass ich mir meinen Wunsch mit meinem eigenen Geld erfülle», erinnert sie sich. Die kleine Laetitia legte sich mit kleinen Jobs nach und nach so viel Geld zur Seite, bis sie sich schliesslich einen Hund leisten konnte. Für einen Zuchthund reichte das Ersparte dann zwar nicht aus. «Aber das wollte ich sowieso nicht», sagt sie. «Wieso soll ich so viel Geld für ein Tier ausgeben, wenn es doch überall so viele Hunde gibt, die ein Zuhause suchen?» Eine Frau vermittelte der damals Zehnjährigen einen Tierheimhund aus Spanien: Lolita.

Die Hündin war nicht das erste Tier der heutigen Miss Schweiz. Sie hielt bereits Hühner, zehn Meerschweinchen und zwei Kaninchen. «Alle zusammen im selben Gehege, das mein Vater extra für mich gebaut hatte», erzählt sie, ihre Augen leuchten.

Später verliebte sie sich ausserdem in ein Pferd: Midnight. «Er sah schlecht aus und hatte ein gebrochenes Bein», erinnert sich die Miss. Dem Hengst drohte der Gang ins Schlachthaus, doch Laetitia hatte Erbarmen. Sie jobbte hier und dort, kratzte sich alles Ersparte zusammen, bis sie Midnight für 1000 Franken kaufen konnte. Untergebracht im Bauernhof eines Onkels pflegte die damals Zwölfjährige den Hengst wieder gesund und brachte ihm Kunststücke bei. «Er gehorchte wie ein Hund und konnte sich auf Befehl hinlegen!», sagt sie stolz. Als sie vor vier Jahren ihr Medizinstudium in Lausanne begann, fehlte die Zeit, und Guarino verkaufte Midnight einem jungen Mädchen. «Es geht ihm gut dort. Das ist das Wichtigste.»

«Brauche Tiere und Natur um mich»
Midnight, die Hühner, Kaninchen und Meerschweinchen gehören der Vergangenheit an. Geblieben hingegen ist Lolita. Inzwischen gehen die beiden seit zwölf Jahren gemeinsame Wege – und ihr schönes Frauchen ist noch immer hin und weg, wenn sie in Lolitas Knopfaugen blickt. «Sie ist so eine lustige und charakterstarke Hündin, ich liebe sie!» Lolita ist mit dem Alter taub geworden. Das tut der Beziehung der beiden aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Lolita ist gut erzogen und gehorcht ihrem Frauchen auch ohne Worte. «Sie kann sogar ‹Hallo› sagen!», sagt die Miss Schweiz – und tatsächlich: Wenn ihr Frauchen winkt, wedelt auch die Hündin wie wild mit ihren Vorderpfoten.

Zur Belohnung wird Lolita innig geknuddelt – eine Gelegenheit, die Laetitia Guarino in den letzten Monaten nicht mehr so oft hatte. Kurz vor der Wahl zur Miss Schweiz ist die Medizinstudentin mit ihrem Freund in eine Einzimmerwohnung in Lausanne gezogen. Eigentlich wollte sie ihre Hündin mitnehmen. Doch dann passierte etwas Unerwartetes: Ihre Eltern protestierten. «Früher wollten sie keinen und jetzt können sie nicht mehr ohne Hund», sagt sie und lacht. Offenbar ist Lolita nicht nur ihr ans Herz gewachsen. So blieb die Hündin im Elternhaus, während die inzwischen erwachsene Laetitia flügge wurde. Und auch wenn sie Lolita vermisst, so sei es doch das Beste für alle. «Ihr geht es besser bei meinen Eltern auf dem Land als in der Stadt.» Ausserdem hätte sie als Studentin nicht mehr so viel Zeit für Lolita – und als Miss Schweiz erst recht nicht. «Umso mehr geniesse ich jeden Moment mit Lolita.»

In ihrer Freizeit besucht Guarino, wann immer möglich, ihre Eltern in Froideville VD oder die Bauernhöfe ihrer Onkel, wo sie bereits als Kind viel Zeit verbracht hat. «Ich brauche Tiere und die Natur um mich», sagt sie. Und die 22-Jährige trägt auch selbst Sorge zur Natur und zu Tieren, wie sie sagt. «Ich kaufe nur Nahrungsmittel aus der Schweiz, setze mich gegen Pelze ein und würde nie eine Decke aus Entenfedern für mein Bett kaufen.» Diese Haltung teilt auch ihr Freund. Für die junge Frau ein wichtiges Kriterium: Menschen um sie herum müssen Tiere mögen. «Ich bin überzeugt, dass nur wer Tiere gernhat, auch Menschen lieben kann.»

Traumberuf Kinderärztin
Mit ihrer Bodenständigkeit ist Laetitia Guarino in den vergangenen acht Monaten das gelungen, was sie sich gleich nach der Wahl zur Miss Schweiz vorgenommen hatte: sich selber treu zu bleiben. Dabei hätte sie durchaus Grund, abzuheben: Sie jettet durch Europa, steht mal hier, mal dort vor der Kamera oder auf dem roten Teppich, trifft Stars wie Eva Longoria oder Woody Allen, gibt Interviews und ziert mit ihrem Gesicht Kampagnen namhafter Mode- und Kosmetikmarken. «Das ist nur ein Teil dessen, was ich als Miss Schweiz tue», sagt die Westschweizerin fast verlegen. Viel lieber spricht sie über die Arbeit, mit der sie etwas bewirken kann: Als Botschafterin für die Kinderherzstiftung Corelina, ihr damit verbundenes Engagement im Berner Inselspital und ihre Reisen für soziale Projekte im Ausland, wie die Unterstützung des Aufbaus eines Kinderherzzentrums in Marokko, um nur einige zu nennen.  

Das karitative Engagement ist Teil des neuen Konzepts der Miss-Schweiz-Wahlen. So verdient Guarino als erste Miss einen fixen Betrag von 10 000 Franken im Monat. Alles, was sie darüber hinaus verdient, kommt der Stiftung Corelina zugute. So ist es ihr nicht möglich, wie die Missen vor ihr Hundertausende von Franken zu verdienen. Für die 22-Jährige ohnehin kein Thema. Sie tut lieber Gutes – und das nicht erst seit ihrer Wahl. Bereits seit vier Jahren macht sie sich für Blutstammzellenspende und gegen Pelze stark. Dass sie als Miss Schweiz nun Botschafterin von Corelina ist, freut sie umso mehr. Die Medizinstudentin will nämlich mal Kinderärztin werden. Wieso nicht Tierärztin? «Weil die Tiere mich dann wahrscheinlich hassen würden und das will ich nicht.»