Sie heissen Peterbald, Burmilla, Türkisch Angora oder Manx und sind nicht gezeugt worden, weil Nachbars Katze gerade rollig war. Es sind vielmehr Katzenrassen, die von der Internationalen Katzenvereinigung FIFe anerkannt sind. Ihr Aussehen ist kein Zufallsprodukt, sondern wird in sogenannten Rassestandards haargenau beschrieben und durch gezielte Verpaarung erreicht. Wer sich Manx rühmen darf, spaziert beispielsweise auf kräftigen Pfoten und sein Fell ist seidig weich. Und den Stammbaumeintrag Türkisch Angora bekommt nur, wer aus leicht schräg nach oben gestellten mandelförmigen Augen in die Welt hinausschaut. 

Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Katzenausstellungen in Mode kamen, konnte man gerade mal drei Katzentypen bewundern: Europäische Kurzhaar-Katzen, langhaarige Katzen aus Vorderasien und zierliche Katzen aus dem Fernen Osten. Heute gibt es weltweit rund 100 offizielle Katzenrassen. 

Noch näher an den Vorfahren  
Von der FIFe sind aktuell insgesamt 47 Katzenrassen anerkannt. Laut Alfred Wittich, Präsident des der FIFe angegliederten Helvetischen Katzenverbands, sind als jüngste Neuzugänge die drei Katzenrassen Thai, Selkirk Rex und Britisch Langhaar hinzugekommen. Auch wenn sich eine «nackte» Peterbald von einer «flauschigen» Türkisch Angora sehr deutlich unterscheidet – so frappierende Unterschiede wie bei den Hunden gibt es in der Katzenwelt nicht. Während Hündchen wie Chihuahua und Shih Tzu kaum mehr an einen Wolf erinnern, sind Katzenrassen noch sichtlich näher an ihren Vorfahren dran. 

Laut Marcelo Sanchez von der Universität Zürich liegt dies daran, dass bei den Hunden die künstliche Auslese viel intensiver gewesen sei als bei Katzen: «Die Züchter haben sich viel mehr eingesetzt, bestimmte Merkmale herauszuarbeiten.» Hinzu komme, dass das Wachstum der Hunde allometrisch sei, dass es Phasen gibt mit längeren Beinen oder grös­seren Köpfen. Daraus hat sich bereits auf natürliche Weise eine viel grössere Vielfalt und Variabilität entwickelt. Die Zucht konnte da ansetzen und beispielsweise tendenziell langohrige Hunde verpaaren und schliesslich Riesenohren hervorbringen. Das Wachstum der Katzen hingegen sei isometrisch, ihre Körperteile wachsen im Verhältnis zueinander gleichmässig. Darum ist bei Katzen bereits das «Ausgangsmaterial» für die Zucht viel einheitlicher.  

Wer in der Schweiz Katzen züchtet, tut dies mit grösster Wahrscheinlichkeit im Rahmen des FFH. Rund 1400 Züchterinnen und Züchter sind in den letzten fünf Jahren im Helvetischen Katzenverband aktiv und im Stammbuch eingetragen. Diese 1400 entsprechen laut Alfred Wittich rund 90 Prozent der «Stammbaum-Züchter», der Rest gehöre freien Vereinen oder Organisationen an: «Manche haben keine Freude an unserem doch recht strengen Reglement. Andere wollen eine Rasse züchten, die von uns nicht anerkannt ist, wie etwa Scottish Fold mit den heruntergeklappten Ohren.» 

Ende des letzten Jahrzehnts habe es in der Hobby-Katzenzucht einen Boom gegeben, sagt Wittich. Danach sei die Anzahl der Züchter zurückgegangen – ein Umstand, der sich auch in der Vereinskasse bemerkbar macht. «Unsere Haupteinnahme sind die Stammbäume. Wenn es plötzlich statt 3500 nur noch 3000 sind, spüren wir das natürlich.» Die Neuzugänge, die zum Höhepunkt um das Jahr 2010 geführt hatten, hätten vor allem Rassen gezüchtet, die gerade in Mode gewesen seien wie Maine Coon, Norwegische Waldkatze und Britisch Kurz- und Langhaar. Danach seien eine Weile lang zu viele Jungtiere auf dem Markt gewesen und viele der «Neulinge» hätten nach ein zwei Würfen wieder aufgehört. 

Angst vor negativen Stimmen
Der Rückgang zeige sich auch an Ausstellungen, sagt Wittich. Dies liege aber auch daran, dass manche Züchter negative Stimmen fürchteten etwa vonseiten des Tierschutzes, der unter anderem damit argumentiere, alle Katzen seien an Ausstellungen gestresst. «Züchter kennen ihre Tiere sehr genau und wissen, wie es ihnen geht und was sie brauchen», sagt Alfred Wittich dazu: «Rassekatzen sind sehr menschenbezogen. Wenn man bei ihnen sitzt, geht es ihnen gut.» 

Wirklich Geld verdienen lasse sich mit der Katzenzucht jedenfalls nicht – auch wenn ein begehrtes Zuchttier durchaus bis zu 4000 Franken koste, sagt Alfred Wittich: «Nicht bei unseren Tierarzthonoraren.» 

Alfred Wittich weiss, wovon er spricht. Seit 1976 «Eileen vom House of Khmer» bei ihm einzog, bestimmten und bestimmen Rassekatzen einen grossen Teil seines Lebens. Neben dem Amt als FFH-Präsident, engagierte er sich in zahlreichen Vereinen und Kommissionen, organisierte Ausstellungen, amtete als internationaler Richter – und züchtete immer auch selber. Am Anfang Perser Colourpoint, ab 1981 und bis heute Exotic Shorthair.

Züchter mit Stammbuch-Eintrag bei der FFH würden zwar nicht regelmässig, aber auf Verdacht hin von den vereinseigenen Zuchtkontrolleuren kontrolliert. Laut Wittich ist für die allermeisten Züchter aber der Wunsch nach gesundem Nachwuchs und einem guten Ruf Grund genug für eine seriöse Zucht: «Liebhaber und Käufer sind sensibilisiert.»

Test vor dem Züchten
Seriös bedeutet laut der Verordnung des BLV über den Tierschutz beim Züchten, «dass die Zucht darauf ausgerichtet wird, gesunde Tiere zu erhalten». Das heisst konkret: Wer züchten will, muss sich vorgängig über erblich bedingte Probleme der Elterntiere und der Nachzucht informieren. Tatsächlich kommen bei manchen Rassen bestimmte gesundheitliche Probleme gehäuft vor und müssen oder sollten darum vor Zuchtbeginn getestet werden. So wird beispielsweise für die Rassen Britisch Kurz- und Langhaar, Exotic, Perser, Maine Coon, Ragdoll, Sphynx sowie Selkirk Rex Kurz- und Langhaar eine EKG- oder Ultraschalluntersuchung zum Aufspüren von Herzfehlern empfohlen; und bei Abessinier, Somali, Bengale, Devon Rex, Exotic, Perser, Maine Coon und Norwegischer Waldkatze sind Röntgenuntersuchungen vorgesehen für das Erkennen von Patellaluxation und/oder Hüftgelenksdysplasie. 

Die meisten Züchter würden sich auf eine Rasse spezialisieren und wüssten dann, welche Blut- oder Speicheltests jeweils vorgeschrieben oder empfohlen seien, sagt Alfred Wittich. Wenn der Test ergebe, dass die betreffende Katze keine Trägerin von vererbbaren Krankheiten sei, werde dies in ihrem Stammbaum vermerkt und das Tier könne fortan ohne weitere Tests zur Zucht eingesetzt werden. 

Gemäss Tierschutzverordnung vorgeschrieben ist zudem, dass Tiere «mit Verdacht auf eine mittlere oder starke Belastung» vor der Verpaarung untersucht werden müssen. Mit hochbelasteten Tieren darf demnach weder gezüchtet werden, noch dürfen Verpaarungen zu hochbelasteten Nachkommen führen. Für diese Beurteilung sind laut Stefan Kunfermann vom BLV hauptsächlich Tierärzte verantwortlich oder bei entsprechender Fragestellung Genetiker. Die Verantwortung darüber liege immer beim Züchter.