Immer mehr Menschen füttern ihre Tiere mit rohem Fleisch. Die Befürworter dieser als Barf (Biologisch artgerechte Rohfütterung) bekannten Methode sind davon überzeugt, dass diese der natürlichen Lebensweise von Katzen und Hunden am ehesten entspreche und für die Tiere viel gesünder sei als die Fütterung mit industriell hergestellten Produkten. Neuste wissenschaftliche Untersuchungen dämpfen nun allerdings diese Euphorie. Sie zeigen nämlich auf, dass die Rohfütterung nicht unbedingt zur Gesundheit des geliebten Haustiers beiträgt, sondern im Gegenteil Risiken birgt. 

Auch in der Schweiz, wie eine kürzlich durchgeführte Studie der Universität Zürich unter der Leitung von Roger Stephan am Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Vetsuisse-Fakultät nahelegt. Demnach sind manche der aus dem Handel erhältlichen Futtermittel nämlich mit Erregern kontaminiert, die zu ernsthaften Erkrankungen führen können – und zwar nicht nur beim Tier, sondern auch bei seinem Halter. 

Untersucht wurden 51 Proben von im Schweizer Handel erhältlichen Rohfuttermitteln von acht verschiedenen Anbietern. Die Produkte waren mit Fleisch von 13 verschiedenen Tierarten (vom Pferd über Strauss und Elch bis hin zur Ente) hergestellt und ungekocht eingefroren worden. Stephan und seine Mitarbeiter untersuchten die Proben mit Blick auf die Gesamtkeimzahl, Fäkal-Bakterien (Enterobakterien), Salmonellen sowie multiresitente Darmbakterien. Letztere gelten als ein medizinisches Problem, weil sie sich mit herkömmlichen Antibiotika nur mehr schwer behandeln lassen. Das kann dazu führen, dass einst gut bekämpfbare Erkrankungen tödlich enden.

Umgang mit Rohfleisch
Wer seine Tiere mit rohem Fleisch füttern will, sollte einige Vor-kehrungen treffen, um die Gefahr von Krankheitsübertragungen zu vermindern. Laut Annette Liesegang vom Institut für Tierernährung der Vetsuisse-Fakultät sollte das für die Fütterung vorgesehene Fleisch nicht lange bei Raumtemperatur und auch nicht zu lange im Kühlschrank gelagert werden. Die Ernährungs-Expertin empfiehlt zudem, die Futtermittel nicht am gleichen Ort einzufrieren wie die Lebensmittel für Menschen.
Die Aufbereitung des Fleisches sollte nicht an demselben Ort erfolgen wie die Essenzubereitung für die Menschen. Wichtig ist auch, dass Hunde- und Katzenhalter ihre Hände vor und nach der Zubereitung des Futters gründlich waschen und die entsprechenden Utensilien nur für die Tier- oder die Menschen-mahlzeiten verwenden.

 

Multiresistente Bakterien
Das Fazit der Studie lässt aufhorchen: «Barfen ist ein Risiko-Faktor», sagt Stephan. So wurden in zwei Proben Salmonellen entdeckt, die von der Katze oder dem Hund ausgeschieden, durch mangelnde Hygiene auf den Menschen übertragen werden können – was eine meldepflichtige Durchfallerkrankung zur Folge hätte. Noch alarmierender war aber die Anzahl der multiresistenten Darmbakterien, mit denen die Rohfuttermittel kontaminiert waren. Konkret wurden in 29 von 51 Proben (57 Prozent) sogenannte ESBL-bildende Bakterien gefunden, vielfach verschiedene Typen in ein- und demselben Produkt. 

Interessant sei dieses Ergebnis nicht zuletzt mit Blick auf eine Vorstudie, in der man bei Hunden mit Harn-Infekten besonders häufig diese ESBL-bildenden Bakterien gefunden habe, erklärt Stephan: «Nun vermuten wir, warum das so sein könnte  – das Futter könnte die Ursache der Besiedelung des Darmtraktes der Tiere sein. Die Bakterien einer Harnwegsinfektion stammen in der Regel aus dem Darmtrakt.» Auch Menschen können durch den Umgang mit solchen Rohfleischprodukten (siehe Kasten) oder den Ausscheidungen ihrer Haustiere diesen Bakterien exponiert sein, was in der Folge auch zu einer Besiedelung des Menschen führen kann. 

Weitere Studie warnt
Dass Barfen ein Risikofaktor sein kann, zeigen auch andere Studien. So hat ein Forscherteam der Universität Utrecht unlängst in den Niederlanden gängige Produkte untersucht (35 Proben von acht verschiedenen Anbietern). Unter anderem fanden die Forscher bei acht Produkten (23 Prozent) einen Kolibakterien-Typus, der zu Nierenversagen führen kann. 28 Produkte (80 Prozent) enthielten Kolibakterien, die gegen die meisten Antibiotika resistent waren. 

In 19 Produkten (54 Prozent) fanden die Forscher Listerien (Listeria monocytogenes), die beim Menschen Infektionen verursachen können. Sieben weitere Packungen enthielten Salmonellen, die meldepflichtige Durchfall­erkrankungen auslösen können. In zwei Produkten (6 Prozent) wurde zudem der Parasit Toxoplasma gondii nachgewiesen. Dieser Erreger wird nicht zuletzt von Schwangeren gefürchtet. Ausserdem wird seit einigen Jahren diskutiert, ob die Krankheit bei Menschen möglicherweise zu Verhaltensveränderungen führen kann. 

In der Ernährungsberatung am Institut für Tierernährung der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich ist man sich der Gefahren bewusst. «In der Beratung weisen wir immer wieder auf die Risiken der Rohfütterung hin», sagt Institutsleiterin Annette Liesegang. In den meisten Fällen empfehle sie darum das Kochen der einzelnen Futtermittelkomponenten – insbesondere des Fleisches. Dies gelte vor allem für Tiere mit Immunschwächen und für Jungtiere, deren Immunsystem noch nicht voll ausgebildet sei. 

«Uns ist bekannt, dass beim Umgang mit tierischem Rohfutter auf die Hygiene geachtet werden muss. Daher achten wir darauf, dass unser Lieferant tierärztlich kontrolliert ist und unter strengen Hygienevorschriften produziert», sagt Monika Schwarb von der Firma «Mein Barf AG» in Ulmiz FR. Alle Kunden erhielten zudem beim Besuch des Barf-Grundkurses sowie bei der Erstellung von Futterplänen eine Beratung im Umgang mit rohem Frischfutter. Diese beinhalte unter anderem das Auftauen der Produkte, das Händewaschen sowie den Umgang mit dem Futtergeschirr, den Arbeitsflächen und den Futterstellen.

Kundschaft wird informiert
Laut Auskunft von Anita Bekier weist auch die Barfland AG aus Uster ZH ihre Kundschaft bereits heute in Form eines Newsletters regelmässig auf die nötigen Hygienemassnahmen im Umgang mit rohem Fleisch hin. Sie hält zudem fest, dass sie ihre eigenen Hunde bereits seit über zehn Jahren roh ernähre: «Wir wie auch unsere Vierbeiner erfreuen uns dennoch bester Gesundheit!» 

Wie gross das Risiko des Barfens wirklich ist, soll in Zürich nun weiter untersucht werden. Wichtig sei, dass die Hunde- und Katzenhalter sensibilisiert würden, sagt Roger Stephan: «Sie müssen wissen, dass mit der Rohfütterung Risiken verbunden sind.» Für ihn selbst ist bereits heute klar: «Meinen Hund würde ich mit Blick auf unsere Erkenntnisse nicht mit solchen Produkten füttern.»