Schnappen ist nichts anderes, als wenn wir Menschen mit den Händen nach etwas greifen», sagt Monika Oehler, Verhaltensbiologin mit Spezialisierung auf Hundeverhalten. «So halten Hunde etwas fest, spielen, stoppen ein Gegenüber oder verteidigen sich damit.» Die Bedeutung der Schnappbewegung korreliere immer mit dem Kontext. So halten sich Hunde beim Spielen untereinander mit dem Maul fest oder ein Hund greift mit seiner Schnauze nach dem Spielobjekt seiner Begierde. «Er hat ja keine Hände, die er dafür verwenden könnte», sagt Oehler.

Hält in diesem Moment jedoch eine Person seine Hand dazwischen, wird der Mensch plötzlich Teil der Aktion. «Der Hund kann zum Beispiel den Menschen aus Versehen mit seinem Gebiss streifen», erklärt Oehler. Böse gemeint sei das vom Vierbeiner allerdings meistens nicht. Hunde, die ressourcenbezogen sind, können dazu neigen, ihren Bestand zu verteidigen. Solchen Hunden sollte daher der Knochen oder das Spielzeug keinesfalls einfach weggenommen werden. «Am besten man bietet dem Vierbeiner beispielsweise ein Stück Wurst als Tausch an», rät die Verhaltensspezialistin. So könne der Hund lernen, seine Ressource getrost abzugeben und dafür etwas anderes zu erhalten. Der Vierbeiner befindet sich dann nicht mehr im Verteidigungsmodus und man könne das Objekt problem- und gefahrlos an sich nehmen.

Letzte Warnung: Luftschnappen
Nicht immer gehen aber Schnappaktionen glimpflich aus. «Hunde, deren Grenzen stetig missachtet werden, reagieren über kurz oder lang mit einer Schnappbewegung», sagt Monika Oehler aus langjähriger Erfahrung als diplomierte tierpsychologische Beraterin in den Kantonen Aargau und Basel. Gerade Menschen, die nicht darin versiert sind, die Körpersprache ihres Hundes zu lesen, gerieten laut der Expertin manchmal in unangenehme Situationen. «Anstatt die Signale zu respektieren, verbieten Halter dem Hund zum Beispiel zu knurren oder zwingen ihn in genau die Situationen, die er aus Angst oder Stress vermeiden will.»

Je weniger der Hund sich verstanden fühlt, desto stärker verleiht er seinem Wunsch Ausdruck. Dafür steht ihm ein ganzes Repertoire an körperlichem und lautlichem Ausdrucksverhalten zur Verfügung. «Das Schnappen steht an letzter Stelle.» Oehler muss es wissen. Sie schrieb ihre Masterarbeit an der Universität Zürich zum Thema Aggressionsverhalten des Haushundes. «Zuerst wenden Hunde den Kopf ab, versuchen wegzugehen oder auszuweichen, bekommen einen starren Blick und eine steife Körperhaltung. Sie bellen und knurren.» Erst wenn sie damit erfolglos bleiben, gehen sie zur nächsten Stufe über: Sie schnappen in die Luft. Was Laien als verfehltes Zubeissen deuten, ist ein präzises Scheinschnappen des Tieres. «Erst danach wird der Hund richtig zuschnappen, entweder, um das Gegenüber festzuhalten oder es abzuwehren.»

Fein abgestufte Kommunikation
Bis es dazu beim eigenen Hund kommt, braucht es einiges. «Nur ein Hund, der permanent in seinen Bedürfnissen übergangen wird, würde irgendwann auch seinen Halter schnappen oder beissen.» Der Hund wisse einfach nicht mehr, wie er seinem Halter vermitteln solle, dass er beispielsweise Raum, Ruhe oder Distanz braucht. Im Falle des Falles sollte man vor allem Ruhe bewahren und eine Fachperson zurate ziehen. Diese kann kontextbezogen erklären, weshalb der Hund so gehandelt hat, und Tipps geben, wie man sich künftig verhalten sollte, damit man nicht mehr geschnappt wird.

Selbiges gilt auch für den seltenen Fall, dass ein wildfremder Hund zuschnappt. Meist handelt es sich dann laut Oehler um einen Klassiker: Zwei Hunde wurden in einer Auseinandersetzung getrennt, ein unbekannter Hund wurde angefasst, jemand Fremdes läuft dem Hund ins Territorium, oder einem fremden Hund wurde versucht, etwas wegzunehmen. «Es kommt immer auf das Hundeindividuum und die Situation an.» Um Hunde besser einschätzen zu können, sollte man sie genau beobachten; wie sie mit einem Menschen oder mit ihren Artgenossen kommunizieren – «das läuft sehr fein abgestuft ab», sagt Monika Oehler. «Das Beobachten von Hundeverhalten ist ein Feld mit unendlichen Lernmöglichkeiten.»