Am Ball scheiden sich die Geister. Von Ablehnung über Gleichgültigkeit bis hin zu Begeisterung und Euphorie reicht die Palette an Emotionen auf beiden Seiten der Leine. Diesem Phänomen geht Alja Mazzini, Verhaltenstierärztin und Doktorandin an der Vetsuisse Bern, nach. 

Hunde am Ball

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Seit Monaten testet sie Hunde unterschiedlicher Rassen auf ihr Verhältnis zu Spielzeug, vor allem aber zu Bällen. Insgesamt 130 Hunde durchliefen bisher die Testreihe. Rund zwei Dutzend von ihnen zeigten sich besonders begeistert von dem runden Spielzeug, darunter welche, die beim Anblick des Balles sogar ihr Interesse am Futter verloren. Dies sind die wahren Balljunkies. Sie ignorieren jegliches Futter, suchen unablässig nach dem Objekt ihrer Begierde, bellen frustriert oder zerstören gar die Box, in welcher der Ball liegt. Zufrieden sind sie erst in dem Moment, wenn sie den Ball in der Schnauze haben.

Noch ist Balljunkie allerdings nur ein geflügeltes Wort. «Jeder weiss, was damit gemeint ist, doch es gibt noch keine wissenschaftlichen Beweise dafür», sagt Mazzini. In den kommenden Monaten plant die Verhaltenstierärztin, eine wissenschaftliche Definition zu erarbeiten. Die Kriterien, die dafür in Frage kommen und zumindest teilweise erfüllt sein müssten, werden in Anlehnung an die Humanmedizin sicherlich zahlreich sein. Es geht um Begriffe wie Belohnungssensitivität, Impulskontrolle und Verlangen. 

Eine gefährliche Sucht
1600 von Hundehaltern ausgefüllte Fragebögen gilt es noch auszuwerten. Sie sollen wichtige Informationen etwa zu den Tendenzen der Hunde sowie zu Trainings- und Motivationsmethoden der Halter liefern. Die Resonanz vonseiten der Hundehalter war gross, deren Gründe, bei Mazzini in der HundeUniBern vorstellig zu werden, vielfältig: Während einige Halter begeisterte Ballwerfer sind, finden andere das Spiel zu anstrengend und suchen nach Abhilfe. Dabei entging Mazzinis professionellem Blick nicht, dass die Halter die Begierde ihres Hundes nach dem Spielzeug teilweise unbewusst fördern.

Für betroffene Hunde kann die Sucht lebensgefährlich werden. So mancher Balljunkie schluckt den Ball nämlich lieber, als ihn wieder abzugeben. Laut Mazzini leidet vor allem die allgemeine Gesundheit der Tiere. «Diese Hunde haben während des Spielens nur ein geringes Schmerzempfinden.

Hitze, Erschöpfung und sogar Verletzungen sind für den Hund kein Hindernis am Weiterspielen.» Dauerstress und risikoreiches Verhalten, wie beispielsweise für den Ball in die Tiefe oder auf die Strasse zu hechten, bergen ebenfalls Gefahren. Mazzini rät Hundehaltern, stets auf das Verhalten des Hundes zu achten und das Spiel zu kontrollieren. «Der Spaziergang und auch das Spiel zwischendurch sollten klar vom Halter strukturiert sein. Eine Stunde lang Ball werfen und den Hund ihn bringen lassen ist schlichtweg der falsche Weg.» 

Nicht die Rasse ist entscheidend
Von Anfang an sollte ein Halter seinen Vierbeiner nicht nur mit dem beschäftigten, was der Hund möchte, sondern einen Mittelweg finden, indem er immer wieder Alternativen anbietet. Vierbeiner, welche die Tendenz zum Balljunkie aufweisen, gilt es vorzugsweise mental zu beschäftigen. Je nach Hund rät Mazzini zu einer individuellen Vorgehensweise. Zu unterschiedlich sei die Reaktion der Vierbeiner. «Sobald gegentrainiert wird, hören manche Hunde sofort auf, mit dem Objekt zu spielen.»

Andere wiederum tendierten dazu, ihren Fokus auf ein anderes Objekt zu richten. Das Objekt der Begierde muss nämlich nicht zwingend immer ein Ball sein. So mancher Hund hat von vorneherein eine Vorliebe für Stöckchen oder ein bestimmtes Spielzeug. Für wieder andere scheint sich die Sucht nicht um das Spielzeug zu drehen. Sie sind erpicht auf das Spielen an sich oder mit ihrem Halter und apportieren grundsätzlich alles, was geworfen wird. Mazzini will nun herausfinden, was genau die Hunde antreibt.

Richtige Balljunkies zu finden war zum Glück selbst für die Verhaltenstierärztin nicht leicht. Gerade Einzelhunde werden laut Mazzini häufig von ihren Besitzern falsch eingeschätzt. «Viele Halter sind der Auffassung, ihr Hund sei ein Balljunkie, dabei spielt er einfach nur gerne.»

Hundehalter zahlreicher Rassen oder Rassenlinien brauchen sich diesbezüglich sowieso eher keine Sorgen zu machen. «Pudel oder Malteser beispielsweise mögen zwar Interesse am Ball zeigen. Sie neigen im Allgemeinen aber nicht dazu, Balljunkies zu werden.» Es waren daher vor allem Arbeitshunderassen, die Mazzini im Rahmen ihrer Doktorarbeit in die HundeUniBern einlud: Deutsche Schäferhunde, Malinois, Golden Retriever, Labrador Retriever, Border Collies und Terrierrassen. Bei ihnen ist eine hohe Motivation für das Spielen und teils auch für Spielzeug grundsätzlich erwünscht, denn so können sie leichter für ihren zukünftigen Arbeitseinsatz trainiert werden. Dass professionelle Ausbilder dabei gleichzeitig Impulskontrolle trainieren, wissen die meisten Hundehalter aber nicht.

Erregungsniveau immer senken
Zudem gibt es selbst unter Malinois oder Retrievern Exemplare, die beim Anblick eines Balles entspannt bleiben. Diese Linien innerhalb ihrer Rassen können selbst durch Training vielleicht nie zum Balljunkie werden. Letztlich ist es wohl wie beim Menschen: Während die einen zum PC-Junkie werden, nachdem sie täglich stundenlang vor dem Computer sassen, hat selbiger Computerkonsum auf andere keine solche Auswirkung. 

Welche Hunde dazu neigen, zum Balljunkie zu werden, wird Mazzini in den kommenden Monaten versuchen herauszufinden. «Derzeit sieht es so aus, als ob zwei Faktoren in Kombination ausschlaggebend sind: der Trainingsstil sowie die genetische Prädisposition, zum Balljunkie zu werden.» Mazzini rät deshalb allen Haltern von Arbeitsrassen zur Vorsicht. «Beim Training oder Spiel mit Spielzeug sollten sie das Erregungsniveau ihres Hundes immer wieder senken und stets auch an Impulskontrolle arbeiten.»

Hunde am Ball

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