Ob Tiere einen Sinn für Zeit haben, ob sie verstehen, wie die Zeit vergeht, darauf hatte die Forschung bisher keine richtige Antwort. Eine am Montag im Fachmagazin «Nature Neuroscience» veröffentlichte Studie hat nun einen ersten Beweis gefunden, dass Tiere tatsächlich über ein solches Verständnis verfügen.      

Die Forscher Daniel Dombeck und James Heys von der Northwestern University im US-Staat Illinois experimentierten zwar mit Mäusen – doch die fundamentalen Hirnstrukturen sind bei allen Säugetieren essentiell die gleichen. «Unser Versuch zeigt sehr überzeugend, dass Tiere tatsächlich eine Vorstellung von Zeit haben, wenn sie ein Zeitintervall messen sollen», sagt Dombeck laut einer Mitteilung seiner Universität.      

In Dombecks Experiment mussten die Mäuse einen computergenerierten Virtual-Reality-Korridor herunterrennen. In der Mitte wartete eine virtuelle Tür. Nach sechs Sekunden öffnete sich diese, worauf die Mäuse weiterrennen und sich am Ende des Korridors ihre Belohnung abholen konnten. In einer nächsten Situation machten die Forscher die Tür unsichtbar. Die Mäuse konnten an der Bodenstruktur erkennen, dass sie noch da war, sie konnten aber nicht sehen, ob sie offen oder geschlossen war. «Die einzige Möglichkeit die Aufgabe zu lösen, ist durch den Sinn für Zeit im Gehirn», sagt Heys.          

Und in der Tat: Die Mäuse warteten sechs Sekunden vor der unsichtbaren Türe, rannten dann den Rest des Gangs herunter wo die Belohnung wartete. Sie wussten, wann sechs Sekunden um waren.

Zeit-codierende Neuronen entdeckt
Und damit nicht genug: Mit bildgebenden Verfahren massen Dombeck und Heys die Hirnaktivität während dem Experiment. Sie konzentrierten sich dabei auf den mittleren entorhinalen Cortex, der Hirnregion, die man bereits mit Gedächtnis, Navigation und Wahrnehmung von Zeit in Verbindung brachte.      

Während die Mäuse liefen, waren diejenigen Nervenzellen aktiv, von denen bereits bekannt war, dass sie mit der räumlichen Fortbewegung zu tun haben. Als die Mäuse dann aber vor der unsichtbaren Tür anhielten die Überraschung: Ein ganz neue Gruppe von Neuronen fing an, aktiv zu werden. Diese Zellen waren nur aktiv, wenn sich die Mäuse nicht bewegten. «Sie codieren die Länge der Zeit, welche die Mäuse ruhend verbringen», erklärt Dombeck.  

Laut den Forschern könnte diese neue Entdeckung auch in der medizinischen Forschung Anwendung finden. Sie erhoffen sich beispielsweise die Entwicklung eines Tests zur Früherkennung von Alzheimer.