Ein mutiges Kätzchen klettert auf den Baum, immer höher und näher an die zwitschernden Vögel. Doch schnell sind diese auf und davon. Nun sitzt die kleine Mietze da, verwirrt, enttäuscht – und erstarrt. Denn erst jetzt merkt sie, wie hoch oben im Baum sie sich befindet: Wie kommt sie da wieder runter? Auch der Katzenbesitzer kann nicht helfen, eine so hohe Leiter hat er nicht zur Hand.

Was nun? Darf man wegen einer Katze wirklich die Feuerwehr alarmieren oder ist dies nur in Filmen erlaubt? «Selbstverständlich rückt die Feuerwehr auch für eine Katze auf dem Baum aus», sagt Josef-­Heinrich Amacker vom Schweizerischen Feuerwehrverband. Zwar seien das keine eigentlichen Notfälle. Aber es komme immer wieder vor – und sei für die Korps eine dankbare Übung. Allerdings sollte man etwas Geduld haben, bevor man wegen einer verängstigten Katze die 118 wählt. «Die meisten kommen nach einiger Zeit von alleine wieder runter – und das ist kostengünstiger, als wenn die Feuerwehr ausrückt», sagt Amacker. Bezahlen muss der Tierhalter den Einsatz nämlich selber, und das kann schnell einige Hundert Franken kosten.

Im Tiernotfall 118 wählen
Auch für eingeschlossene Igelfamilien, Hunde, die in einem Fuchsbau oder einer Kanalisation feststecken oder ausgebüxte Schlangen rücken Feuerwehrleute immer mal wieder aus. Manchmal bestimmt auch mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Die meisten Tierrettungseinsätze werden jedoch nicht wegen Kleintieren, sondern nach Unfällen mit Grosstieren ausgelöst. Die 118 ist auch in diesem Fall die richtige Nummer: Die Angehörigen der Feuerwehren sind rasch vor Ort, überblicken die Situation und wissen schnell, was zu tun ist.

Josef-Heinrich Amacker ist schweizweit für Ausbildungen und Spezialkurse zuständig und somit auch für diejenigen der Tierrettung. Kaderleute aus der ganzen Schweiz besuchen seine Kurse und geben das Gelernte an ihre Korps weiter. Laut ihm besteht die Hauptaufgabe der Feuerwehr bei Tiereinsätzen oftmals darin, die Lage richtig einzuschätzen und erste Massnahmen zu treffen. Wenn nötig rufen die Einsatzkräfte einen Tierarzt, organisieren Helikopter oder Kran und benachrichtigen den Grosstier-Rettungsdienst Schweiz und Liechteinstein. Dieser Verband besitzt das Material und die nötige Erfahrung, wenn es darum geht, Grosstiere zu retten.

Manche Berufsfeuerwehren decken auch grössere Einsätze selbstständig ab. Da die Schweizerischen Feuerwehren kantonal organisiert sind, ist laut Amacker der Ausbildungsstand punkto Tierrettung unterschiedlich. Darum arbeiten einige Korps lieber mit dem Grosstier-Rettungsdienst zusammen.

In Tierrettungskursen werden häufige Handgriffe geübt, wie das Führen von Kühen bei Bränden oder das Lesen der Körpersprache von Tieren. In der landwirtschaftlichen Schule von Gränichen, wo die Kurse durchgeführt werden, sind die Tiere gewohnt, immer wieder von anderen Menschen betreut und geführt zu werden.

Bergungsübungen sind komplizierter. Aber zum Glück gibt es Billy, das «fliegende» Pferd. Billy gehört Ruedi Keller, dem Verantwortlichen des Grosstier-Rettungsdienstes. «Mit Billy können wir problemlos üben, ein Gross­tier mit einem Kran oder Helikopter in die Luft zu heben. Er freut sich, wenn wir ihm die Tragegurte anziehen – vielleicht auch, weil er bereits an die Extrakarotten denkt, die er nach dem Flug erhält», sagt Amacker.

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Mit vereinten Kräften ziehen Feuerwehrleute ein Pferd aus einer
Jauchegrube heraus.

Bild: Schweizerischer Feuerwehrverband

Es geht nicht nur ums Feuerlöschen
Oftmals geholt wird die Feuerwehr wegen Kühen, die in ein Güllenloch gefallen sind. Das geschieht schweizweit erstaunlich häufig. morsche oder gar keine Bretter über solchen Schächten stellen ein hohes Risiko dar. Eines, das einfach vermeidbar wäre durch Kontrolle und Unterhalt der Bretter.

Bei Bränden auf Bauernhöfen geht es nicht nur darum, das Feuer zu löschen. Das Wohl der Menschen steht an oberster Stelle. «Aber auch jenes der Tiere ist wichtig. Die Feuerwehr unternimmt immer das Möglichste, alle Tiere zu retten», erklärt Amacker. Das führt natürlich auch immer wieder zu Unfällen. Ist ein Tier in Panik, kann es beissen oder ausschlagen. Aber auch das Feuer selber oder Methangase in einem Güllenloch stellen grosse Gefahrenherde für den Retter dar.

Kompliziertere Bergungen aus Gruben oder Schlamm zu üben, ist nur in einem Ernstfall möglich. Und auch dann steht jeder Fall für sich allein. Manche Tiere werden panisch wie das Pferd Luxor, als es in Birchwil ZH in einem Güllenloch steckte. Diese Rettung wurde dadurch erschwert, dass der Freiberger Wallach immer stärker in Seitenlage geriet, je mehr Gülle abgepumpt wurde. Selbst als alle Gülle weg war, versuchte Luxor in seiner Panik gar nicht mehr, Halt unter seinen Hufen zu finden. Später musste sein Kreislauf stabilisiert werden und am Ende war für die Bergung gar eine Kurznarkose erforderlich. «Dieser Einsatz war auch für die Retter gefährlich», sagt Amacker. Der Wallach lag seitlich, ein Retter musste mit Atemschutz und Tauchanzug ausgerüstet in die Grube. Weil das Pferd mit dem Rücken zur Wand lag, musste er sich dem panischen Tier ohne Sicherungsseil – eine weitere grosse Gefahr – von der Beinseite her nähern, um ihm die Gurte umzulegen.

Bei exotischen Tieren helfen Experten
Gefährlich sein kann auch die Rettung von Tieren aus brennenden Ställen. Die Verbrennungsgeschwindigkeit von Stroh ist höher als jene von Benzin, es bleibt also nicht viel Zeit. So kann es vorkommen, dass den Tieren nicht einmal mehr Halfter angelegt, sondern nur noch die Stalltüren geöffnet und die Fluchtgassen frei gehalten werden können. Näher als zwei Meter an ein verängstigtes Pferd heranzutreten, wäre zu gefährlich für die Retter.

Exotische oder giftige Tiere, die gerettet oder eingefangen werden müssen, stellen eine weitere Gefahrenquelle dar, die oft schwierig einzuschätzen ist. In solchen Fällen braucht die Feuerwehr laut Amacker immer einen Fachmann an ihrer Seite. Schliesslich können sich die Feuerwehrleute selber unmöglich mit allen Tieren auskennen. «Halter von Exoten bitten wir daher, immer die Gemeinde zu informieren, auch wenn keine Meldepflicht besteht.»

Trotzdem seien Tierrettungen nicht gefährlicher als die Rettung von Menschen­leben, sagt Amacker. Die Gefahren sind ­andere. Und egal ob Mensch oder Tier: Die geretteten können froh sein, dass es die Feuerwehr gibt.