Schäferhund Luke war ein lebhafter und verspielter Hund, kaum eineinhalb Jahre alt. Er apportierte für sein Leben gerne und einem geworfenen Gegenstand nachzurennen, war für ihn das Schönste. So auch an einem sonnigen Nachmittag auf einem Waldweg in Neuenburg. Sein Herrchen fand ein rund 30 Zentimeter langes Holzstöckchen. Der Mann dachte sich nichts dabei, warf das Stöckchen etwa 20 Meter weit weg – und Luke flitzte freudig hinterher. 

Ab da nahm das Schicksal seinen Lauf: Das spitzige Stöckchen blieb im Rachen des Schäferhundes stecken. Der Hundehalter entfernte das Holz sofort. Die Folge: Ein riesiger Schwall Blut floss aus dem Rachen des Hundes. Luke wurde immer schwächer und konnte nicht mehr gehen. Sein Herrchen brachte ihn sofort zum Tierarzt. Die Hilfe kam jedoch zu spät. Nur zehn Minuten später war Luke verblutet. Das Holz hatte die Arterie zu sehr verletzt. Der Tierarzt konnte nichts mehr für Luke tun. 

Nicht immer muss ein Hund an den Folgen einer Stockverletzung sterben. Viele Vierbeiner kommen mit einem «blauen Auge» davon. Verena Ammann, Geschäftsführerin der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft SKG und Sachkundenachweis-Trainerin, rät jedoch: «Ich würde ganz auf das Werfen von Stöcken verzichten.» Die Problematik ist ihr gut bekannt. «Ich habe sogar einmal gehört, dass sich ein Stock im Halsband des Hundes verfangen und ihn beinahe erwürgt hat», erzählt sie. 

Den Stock am besten nicht entfernen
Ihrer Ansicht nach gibt es zahlreiche andere sinnvolle Beschäftigungen auf den Spaziergängen als Alternative zum Stöckchenwerfen: Verstecken spielen, über Hindernisse springen, das eigene Spielzeug, etwa einen Ball, werfen oder «Gutzis» verstecken. «Es ist das Einfachste, ein Stöckchen aufzuheben und zu werfen», sagt Ammann. Hier müsse ein Umdenken stattfinden. Viele Halter seien sich der Gefahr nicht bewusst. 1000 Mal gehe es gut, und einmal eben nicht. «Ist es dann der eigene Hund, ist das eine Mal schon zu viel», sagt sie. In den obligatorischen Sachkundenachweis-Kursen der SKG, dem Dachverband von knapp 400 Hunde-Vereinen, werden das Stöckchenwerfen und seine Folgen thematisiert. «Wir raten nicht nur wegen der Gefahr für den Hund davon ab. Wenn das Stöcklein auf einer Wiese landet und der Hund es nicht findet, hat der Landwirt das Problem», sagt Ammann. Allerdings existieren in der Schweiz viele verschiedene Ausbildungsstätten. «Es gibt aber immer noch Trainer, welche nicht darüber informieren», bedauert Ammann. Das müsse sich dringend ändern.

In der Tierklinik Thun Süd werden pro Jahr rund fünf bis zehn «Stockunfälle» behandelt. «In der Regel sind die Mundhöhle, die Zunge, die Rachenmandeln, die Speichelgänge oder der Gaumen durch den Stock verletzt worden», sagt Tierarzt Gregor Schmid. Es können aber auch Speise- oder Luftröhre verwundet sein, was im schlimmsten Fall zu einem Erstickungstod führt. Wird ein verletzter Hund in die Klinik gebracht, wird er gründlich untersucht, besonders wichtig sind zu Beginn der Abklärungen der Atmungsapparat und der Kreislauf. Je nach Symptomatik werden diagnostische Schritte eingeleitet wie Röntgen, Endoskopie und Ultraschall.

Und wie soll sich ein Hundebesitzer verhalten, wenn seinem Vierbeiner ein Stock im Rachen stecken bleibt? «Ich rate dazu, ihn drinnen zu lassen.» Es brauche Nerven, den Hund samt Stock zum Tierarzt zu fahren, räumt Schmid ein. «Der erste Reflex ist, das Holz rauszureissen, doch beim unkontrollierten Herausnehmen kann der Hund noch mehr verletzt werden», warnt er. Nur wenn der Hund völlig ausflippe, solle man den Stock entfernen.

Laut Schmid müssen Hundehalter aber nicht völlig auf Stöckchenwerfen verzichten. «Ein Hund ist schliesslich ein Hund, der mit Holz spielen will», sagt er. Besonders gefährlich sind jedoch brüchige Stöcke. Auch auf spitziges Holz sollte man verzichten und er rät von Brennholz ab.

Beim Grillfest ist Vorsicht geboten
Alternativen können ebenso zu Problemen führen, zum Beispiel Tennisbälle: In Kombination mit Sand wirken sie wie Schmirgelpapier für den Zahnschmelz. Auch allzu harte Gegenstände seien nicht ideal, sagt Schmid. «Immer wieder müssen wir verletzte Zähne reparieren.» Besonders gefährlich sind Tannzapfen, welche in die Speiseröhre gelangen könnten. Bei Grillfesten können Maiskolben, Spiessli und Knochen eine grosse Gefahr darstellen, wenn sie in den Magen-Darm-Trakt gelangen. Vor allem Kolben bleiben oft im Darm stecken und führen zu einem Darmverschluss. «Hier ist eine Operation unvermeidbar», sagt Schmid. 

Wer ganz sichergehen möchte, sollte auf Frisbee oder Stricke umsteigen. Eine gute und weniger gefährliche Alternative sind auch mit Trockenfutter gefüllte Stoffsäcke. Diese lassen sich genauso gut werfen und es droht dabei keine Verletzungsgefahr.