Umarme-deine-Katze-Tag
Vom Sinn und Unsinn tierischer Welttage
Welt- und Aktionstage gibt es wie Sand am Meer. Und jeder, der einen Welttag ausrufen will, kann das tun. Kein Wunder also, gibt es nicht nur ernste, sondern auch viele sehr kuriose Welttage. Einige davon mit tierischem Inhalt.
Vielen Katzen graut es schon jetzt vor dem 4. Juni. Dann feiert manch einer nämlich wieder den Umarme-deine- Katze-Tag. Sie kannten den nicht? Auch gut, denn: «Hochgehoben und geknuddelt zu werden, das haben die wenigsten Katzen gern», sagt die diplomierte Tierpsychologin Tatjana Minzlaff aus Oetwil am See ZH. Wenn, dann solle man eher auf dem Sofa oder im Bett neben dem Tier liegen und den Arm ganz locker an oder um die Katze legen. Dieses «Kontaktliegen», wie es im Fachjargon heisst, würden fast alle Katzen mögen. «Der Wunsch nach Nähe sollte aber immer von der Katze ausgehen», erklärt die Expertin weiter. «Und wenn sie am Umarme-deine-Katze-Tag keine Lust hat, dann sollte man es ihr sicher nicht aufzwängen.»
Deutlichere Worte findet Minzlaff zu einem anderen kuriosen Aktionstag, dem sogenannten Kleide-dein-Tier-ein-Tag (14. Januar): «Ein Tier einzukleiden ist aus meiner Sicht eine Verletzung seiner Würde, wie sie im Tierschutzgesetz geregelt ist.» Zwar gebe es Ausnahmen, zum Beispiel bestimmte Hunderassen, die man anziehen müsse, um sie vor Kälte und Nässe zu schützen, da sie keine Unterwolle haben. Aber diese Rassen müsse man in der kalten Jahreszeit immer schützen, nicht nur einmal. «Darum ist dieser Tag unsinnig», sagt Minzlaff.
Eine Auswahl an Tier-Welttagen 2016 14. Januar: Zieh-dein-Haustier-an-Tag Quellen: un.org, dertagdes.de, kleiner-kalender.de |
Der Welttiertag ist ein «wertvoller Tag»
Ins selbe Horn bläst diesbezüglich der Schweizer Tierschutz STS. Solche tierischen Juxtage tituliert Mediensprecherin Helen Sandmeier schlicht als «kompletten Blödsinn». Eine Einschätzung, die nicht verwundert, handelt es sich doch zumindest beim Kleide-dein-Tier-ein-Tag mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Marketing-Gag amerikanischer Hundemode-Designer. Allerdings gibt es dazu keine verlässlichen Quellen. Wer wann wo den Umarme-deine-Katze-Tag begründet hat, weiss ebenfalls niemand so genau.
Natürlich gibt es auch tierische Welt- und Aktionstage, die durchaus sinnvoll sind. Zumindest auf den ersten Blick. Der wohl bekannteste ist der Welt-Tierschutztag, kurz Welttiertag. Dieser wurde 1931 von Tierschutzorganisationen am Internationalen Tierschutzkongress in Florenz, Italien, proklamiert und findet jeweils am 4. Oktober statt. Nicht zufällig ist das auch der Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi (1181/82 bis 1226). Der Begründer des Franziskanerordens war unter anderem für seine Tierpredigten bekannt und gilt daher als Schutzpatron der Tiere. Doch was bringt der Welttiertag eigentlich? «Im Sinne einer vermehrten öffentlichen Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für den Tierschutz ist das ein wertvoller Tag», sagt Helen Sandmeier vom STS. Ob und wie viele Menschen rund um den 4. Oktober tatsächlich zum Nachdenken über Tiere und Tierschutz angeregt werden, könne man aber nicht sagen. «Allerdings profitiert der STS seit Jahren von Promo-Aktionen zum Welttiertag von Partnern aus der Privatwirtschaft», sagt Sandmeier. Nicht zuletzt, weil damit konkrete Tierschutzprojekte finanziell unterstützt würden.
Im Namen von Eisbär, Tiger und Sardine
Etwas schwieriger punkto Aufmerksamkeit haben es laut STS spezialisierte Welttage wie der Tag des Eisbären (27. Februar) oder der Internationale Tag des Tigers (29. Juli): «Solche Welttage haben meist einen so geringen Bekanntheitsgrad, dass sie kaum öffentlich wahrgenommen werden.» Die Umweltorganisation WWF Schweiz sieht das ähnlich: «Die Wirkung solcher Tage ist in der Medienarbeit begrenzt», sagt Sprecherin Corina Gyssler. Tiefer gehende und länger wirkende Kommunikationsaktivitäten seien dem WWF entsprechend wichtiger als ein einzelner Aktionstag. Was nicht bedeute, dass man untätig bleibe: «Es gab auch schon Momente, da nutzten wir einen solchen Tag medial gezielt. Aber nur, wenn wir effektiv Inhalte mit Neuigkeitswert zu kommunizieren hatten, zum Beispiel die Lancierung unseres Fisch-Ratgebers am Welttag der Meere», sagt Gyssler weiter.
Auch bei anderen Umweltorganisationen sieht man das – wenn auch beschränkte – Potenzial solcher Tier-Welttage. Für Greenpeace Schweiz bedeuten sie laut Sprecher Yves Zenger «eine Möglichkeit, auf Probleme aufmerksam zu machen, die das Überleben dieser Tiere unmittelbar gefährden: beim Eisbären auf den Klimawandel und die Eisschmelze, bei den Tigern auf die Abholzung der Regen- und Mangrovenwälder in Südostasien.» Und Roland Schuler von Pro Natura sagt, es sei wichtig, jede Gelegenheit zu nutzen, um auf die wunderbare Vielfalt, aber auch die Verwundbarkeit der Natur aufmerksam zu machen.
Wer nun denkt, der Tag der Sardine (24. November) diene dazu, die Menschheit auf die mancherorts kritische Situation dieses beliebten Speisefisches hinzuweisen, hat weit gefehlt. Google verweist diesbezüglich auf diverse Internetseiten, die dazu aufrufen, an diesem Tag einfach eine oder zwei Dosen Sardinen mit einem Freund zu teilen. Nirgends erwähnt wird, dass ein Grossteil der Bestände, etwa im Mittleren Ostatlantik, laut Welternährungsorganisation FAO als voll befischt oder überfischt gelten.
Dass nicht wenige Welt- und Aktionstage irgendwie nach Werbung riechen, kommt nicht von ungefähr. Man muss dazu nur den ersten Welttag genauer anschauen, der 1947 von den Vereinten Nationen (UNO) ins Leben gerufen wurde, der 24. Oktober. Er soll einerseits an das Inkrafttreten der UN-Charta 1945 erinnern, andererseits laut Resolution aber gleichzeitig «der Weltbevölkerung die Ziele und Errungenschaften der Vereinten Nationen bekannt machen und deren Unterstützung für die Arbeit der Vereinten Nationen gewinnen». So gesehen war bereits dieser erste UN-Welttag auch als PR-Instrument gedacht.
UNO kennt zwei Welttage mit Tierbezug
Mittlerweile gibt es eine Unmenge von Welttagen. Begründet von staatlichen wie nicht staatlichen Organisationen, Interessengruppen, Verbänden, Marketingprofis oder Privaten. Wie viele es tatsächlich sind, weiss niemand so genau. Eine abschliessende Liste zu finden, ist praktisch unmöglich. Schliesslich kann jeder einen Welttag ausrufen, der will. Dessen Erfolg hängt allein davon ab, wie bekannt und akzeptiert er wird. Von den aktuell 130 Welttagen respektive «International Days», die die UNO offiziell anerkennt, beziehen sich übrigens nur zwei explizit auf Tiere. Zum einen der Welttag der frei lebenden Tiere und Pflanzen, der am 3. März begangen wird, also am Geburtstag des Washingtoner Artenschutzabkommens (1973). Zum anderen der Weltzugvogeltag, mit dem das UN-Umweltprogramm UNEP die Lebensräume und Flugrouten von Zugvögeln schützen sowie den illegalen Vogelfang bekämpfen will. Er findet jeweils am zweiten Wochenende im Mai statt.
Ungeachtet des Erfolgs solcher weltweit oder regional gefeierten Tage: Solange sie drängende Probleme ins Bewusstsein rufen und die Solidarität gegenüber Mensch, Tier und Natur fördern, kann man ihnen eine gewisse Legitimität zusprechen. Beim Kleide-dein-Tier-ein-Tag funktioniert das nicht – genauso wenig wie beim Ehrentag der Luftpolsterfolie (25. Januar), beim Tag der verlorenen Socke (9. Mai) oder bei der Nacht des verfluchten Kühlschranks (30. November).
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