Es geschah im Mai 2014. Filmmusikkomponist Martin Skalsky war beruflich in Berlin. An einem Sonntag begleitete er seine Berliner Kollegin auf den Flohmarkt. Mit dabei: ein rumänischer Strassenhund, der seit fünf Monaten bei ihr zur Zwischenpflege weilte. Der Mischling namens Kodila fand sich noch nicht wirklich zurecht in seiner neuen Welt – im Zusammenleben mit Menschen. Er war ängstlich und oft auch aggressiv, vor allem gegenüber Männern. Martin Skalsky hingegen schien er sympathisch zu finden. Zum grossen Erstaunen aller ging der Hund auf den Fremden zu. «Er hat sich mich ausgesucht», sagt Skalsky. Der 39-Jährige war beeindruckt, entgegnete die Sympathiebekundung und begann sich mit dem kleinen Wesen auseinanderzusetzen. «Ich hatte bis dahin überhaupt keinen Bezug zu Hunden, konnte mir nicht vorstellen, für ein Tier verantwortlich zu sein.» 

Doch nach wenigen Tagen beschloss er, den heimatlosen Streuner zu adoptieren. Das bedeutete: Er musste den Sachkundenachweis machen. «Ich erinnere mich, wie ich in Berlin mitten in der Nacht für die SKN-Theorieprüfung büffelte.» Es bedeutete weiter: Er musste dem Hund ein tiergerechtes Leben bieten können. Und – last but not least – musste seine Lebensgefährtin natürlich mit dem neuen «Familienmitglied» einverstanden sein. Das war sie – und sie habe gleich vorgeschlagen zusammenzuziehen, erzählt der Musikkomponist. 

«Mein Leben umgekrempelt»
Heute sind Martin und Selina Skalsky verheiratet, haben ein fünf Monate altes Töchterchen und leben im aargauischen Mellingen in einem Einfamilienhäuschen an der Reuss. «Cody – das ist die Kurzform von Kodila – hat mein Leben umgekrempelt», sagt Skalsky. Zuvor lebte er in Zürich – eher unstet, war viel unterwegs, viel am Arbeiten, was ihm des Öfteren Probleme mit Bluthochdruck bescherte. Seit er regelmässig mit Cody spazieren geht, ist sein Blutdruck wieder völlig normal. «Der Hund hat mich entschleunigen gelehrt. Ich bin sesshaft geworden, lebe heute gesünder und bewusster.» 

Und einiges mehr lernte Skalsky im Zusammenleben mit dem Vierbeiner. Vieles brauchte allerdings Zeit. «Zu Beginn war Cody sehr unsicher», erzählt Skalsky. «Ich musste verstehen, wie er funktioniert. Musste Vertrauen schaffen.» Kein Wunder, der Strassenhund war es nicht gewohnt, mit Menschen zu kommunizieren. «Er konnte rabiat wirken. Zum Beispiel wenn es um Futter ging.» 

Skalsky beschloss, mit dem Hund einen Monat in die Berge zu fahren. Allein. «Dort habe ich ihn als Hund viel besser kennengelernt.» Der Neo-Hundebesitzer wollte noch mehr wissen: Wo und wie der Hund in Rumänien gelebt hatte, was ihn prägte, welchen Gefahren er ausgesetzt war. So reiste der Filmschaffende im September 2014 nach Rumänien und traf dort Codys Retterin. Cristina Paun legte in der Stadt Futter für die Stras­senhunde aus. Wenn ein Tier gefährdet war, griff sie es auf und versuchte es zu vermitteln. Mittlerweile unterhält sie drei Hundeheime mit insgesamt 1500 Tieren. 

Was können wir von Tieren lernen?
Von Cristina Paun erfuhr Martin Skalsky, dass Cody rund vier Jahre lang mit einer Hündin – Blanche genannt – zusammenlebte. Sie hätten sich Essen geteilt, Wärme gegeben, ein unzertrennliches Paar seien sie gewesen. Skalsky war gerührt und wollte wissen, was mit Blanche geschehen war. 

Und er beschloss, all die Fragen, die das Zusammentreffen mit dem Hund aufgeworfen hatte, filmisch umzusetzen. «Cody – the Dog Days are over» heisst der Film, der 2018 Premiere feiern wird. Er erzählt nicht nur Codys Geschichte, sondern zeigt die Schwierigkeiten und Fragen, welche bei der Adoption eines einst «wild» lebenden Hundes auftauchen: Was können wir von den Tieren lernen? Was erlauben wir uns im Umgang mit den Vierbeinern? Wäre es sinnvoll, wenn Cody und Blanche sich wieder begegnen könnten? 

Skalsky versucht, solche Entscheidungen möglichst im Sinne des Hundes zu treffen. Denn schliesslich möchte er seinem schätzungsweise achtjährigen Begleiter ein möglichst hundegerechtes, angenehmes Leben bieten können. Cody habe schon vieles geschafft, meint er. «Nun wird er auch noch Filmstar.» 

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