Allein im Kanton Zürich wurden vergangenes Jahr in 128 Fällen die gesetzlichen Vorschriften für den Import von Hunden missachtet. 25 der Vierbeiner stammten aus Tollwut-Risikoländern. Auf die Tiere wartet ein ungewisses Schicksal: Entweder muss ein Hund für 120 Tage in Quarantäne oder ins Ursprungsland zurück – beides auf Kosten des Besitzers. Möchte dieser lieber nicht zahlen, wird der Vierbeiner eingeschläfert. So wie 2017 in neun Fällen in Zürich geschehen. 

Einzelfälle? «Keineswegs», meint Lucia Oeschger von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. «Der Trend, sich einen Hund aus dem Ausland zu beschaffen, steigt stetig. Insbesondere bei Rassewelpen boomt der Handel in der Schweiz.» Zwar gebe es seriöse Züchter im Ausland, die ihre Welpen legal in die Schweiz verkaufen.

Die Nachfrage steigt
In Anbetracht der Zahlendivergenz bei Neuregistrierungen wird allerdings schnell deutlich, dass diese die Nachfrage nicht decken können. «Rund die Hälfte der jährlich neu in der Hundedatenbank Amicus registrierten Hunde stammt nicht aus der Schweiz», sagt Stefan Kunfermann vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Wie viele der circa 25 000 aus dem Ausland stammenden Tiere illegal importiert seien, lasse sich nicht sagen. Eine Kontrolle bei der Registrierung gibt es nicht, überkantonale Statistiken fehlen.

Meist stammen die Welpen aus dubiosen Orten. Sie kommen aus verdächtigen Hinterhof- oder Massenzuchten in der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen, Rumänien oder der Slowakei. Auf engstem Raum in bis auf die Wände mit Urin und Kot verdreckten, dunklen Ställen und Kellern sind dort Muttertiere und Welpen eingepfercht. Als Futter dienen verschimmelte Essensabfälle. Impfungen und veterinärmedizinische Versorgung gibt es nicht, denn diese kosten Geld.

Laufen können sie meist nicht mehr
Die Hündinnen fristen ein Leben als Wurfmaschinen: Mit drei bis fünf Wochen werden die Welpen verkauft, damit ihre Mütter durch Medikamente in neue Läufigkeit versetzt und gedeckt werden können. Drei Würfe pro Jahr sind so möglich, faustgrosse Gesäugetumore schon in jungen Jahren die Regel. Sind die Hündinnen körperlich wie seelisch am Ende, werden sie getötet oder ausgesetzt. Laufen können sie meist nicht mehr, zu lange haben sie ohne Bewegung auf wenigen Quadratmetern gehaust. 

Die Welpen erwartet ebenfalls ein grausames Schicksal. Zwei Tage vor dem Transport werden die Kleinen mit Antibiotika und Aufputschmitteln aufgepäppelt, damit sie den Transport überhaupt überleben. Verkauft werden die Tiere meist für 20 bis 80 Euro bar auf die Hand. «Ladenhüter» werden ertränkt oder – wie ein Aussteiger berichtete – in Polen auch mal in den Schredder geworfen. Für alle anderen geht es im Kofferraum oder im Transporter ohne Futter und Wasser ab in das Abnehmerland. Bis zu 50 Tiere pro Fahrt sind die Regel. 

Beliebtes Umschlagsland Deutschland
Zwei Drittel aller illegalen Welpentransporte gehen laut Deutschem Tierschutzbund nach oder über Deutschland. Weder haben die Fahrer die nötigen Einfuhrgenehmigungen, noch sind die Tiere vorschriftsgemäss gegen Tollwut geimpft. Die Transporte zu schnappen ist schwierig, da Grenzkontrollen nur stichprobenartig durchgeführt werden. Zudem sind Strafen im Vergleich zum Gewinn gering: Bis zu 3000 Euro pro Fahrt verdienen die Transporteure laut besagtem Insider. 

Auch in Holland und Belgien produzieren über 600 Betriebe mit jeweils bis zu 1200 Hunden legal Nachwuchs. Die beiden Länder haben sich zum führenden Umschlagsplatz entwickelt. Die Nachfrage an Welpen in Europa ist aber so gross, dass legal mit Importgenehmigung aus osteuropäischen Ländern massig zugekauft wird, und die zugekauften Welpen unter die Würfe der dortigen Mutterhündinnen gemischt werden. In Belgien eingetroffen, erhalten die Welpen neue Papiere und eventuelle Mikrochips werden durch hiesige ausgetauscht. Die eigentliche Herkunft der Welpen ist nicht mehr nachvollziehbar.

Das Netz der Händler, die mit den Welpen aus Belgien oder direkt aus Osteuropa beliefert werden, erstreckt sich über ganz Europa. «Auch in der Schweiz gibt es solche Mittelsmänner», warnt Lucia Oeschger. Vier Pfoten seien Importeure bekannt, die über bestimmte Schweizer Familien Welpen verkauft hätten. Meist werden die Welpen übers Internet angeboten. Betroffen sind mittlerweile alle Rassen, selbst Mischlinge sind darunter. Die Tiere sind geschwächt, von Würmern und Krankheiten geplagt, sodass es schnell gehen muss. Wöchentlich kommt «lebender Nachschub», der Verkauf läuft pausenlos.

Dubiose Parkplätze als Verkaufsort
Dass die Hunde aus zweifelhaften Quellen stammen, ist für den Käufer nicht zu erkennen. Die Zeiten, als schlechte Sprache und Dumping-Preise dubiöse Verkäufer preisgaben, sind vorbei. Auch die Preise von 1200 bis 2000 Franken geben keinen Hinweis auf die Herkunft der Welpen. Gefälschte Impfpässe und oft sogar Ahnentafeln gibt es inklusive. Oeschger erkennt unseriöse Händler trotzdem auf den ersten Blick. Blumige Texte mit schönen Bildern wecken bei ihr umgehend Zweifel: «Decken mit Herzen oder Sternchen sind typisch. Angepriesen werden die Welpen als liebevoll in der Familie aufgezogen, stubenrein, gut sozialisiert, zückersüss und mit Alltagsgeräuschen vertraut», sagt die Tierschützerin. 

Die Plattform Anibis, auf der neben tutti.ch die meisten Tiere im Schweizer Onlinemarkt angeboten werden, verlangt seit Längerem die Angabe des Mikrochips bei Hundeinseraten. Eine sinnvolle, wenn auch gesetzlich noch nicht verankerte Massnahme. Denn grundsätzlich dürfen nur gechippte Hunde aus dem Ausland eingeführt werden. Für den Käufer kann die Kontrolle der Chipnummer über die Website von Europetnet eindeutige Hinweise auf die Herkunft des Tieres liefern: «Chips dürfen bei uns nur durch zugelassene Tierärzte implantiert werden. Den kann man kontaktieren und im Rahmen des Datenschutzes Informationen über den Welpen einholen», sagt Oeschger. 

Vorsicht bei ausländischen Chipnummern
Handle es sich um eine ausländische Chipnummer oder sei das Alter des Tieres unkorrekt, dann rät Oeschger zur äussersten Vorsicht. Zudem sind die Welpen laut Anzeigentext oft in der Schweiz. «Erst bei Kontaktaufnahme stellt sich heraus, dass es sich um eine Übergabe an Raststätten oder Parkplätzen im grenznahen Ausland handelt.» Denn: Parkplatzverkäufe sind in der Schweiz verboten. Zudem umgeht der Verkäufer so die unrechtmässige Einfuhr in die Schweiz und wälzt die rechtlichen Risiken des illegalen Imports auf den Käufer ab.

Möglich waren solche Verkäufe bisher aufgrund mangelhafter Regelungen und der Anonymität von Verkäufern auf Onlineplattformen. Der Bundesrat hat mittlerweile die Notwendigkeit erkannt, etwas gegen den anonymen Welpenhandel zu unternehmen. Seit dem 1. März dürfen Online-Hundehändler hierzulande nur noch unter Angabe ihres echten Namens und ihrer Adresse Hunde verkaufen (siehe Seite 18). Auch die Online-Plattformen werden in die Pflicht genommen; sie müssen sicherstellen, dass die Angaben der Verkäufer vollständig sind. 

 

 

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Literaturtipp: Christopher Posch, Gerda Melchior, Volker Schütz, «Die Welpenmafia – Wenn Hunde nur noch Ware sind», Hansanord Verlag, ISBN: 978-3-940873-44-6, ca. Fr. 34.–