Wer kennt das nicht: Ein Krankenwagen rast mit heulender Sirene vorbei, sofort beginnt ein Hund in der Nachbarschaft laut zu heulen. Aus Schmerz, den ihm ein solcher Ton bereitet, jault er ganz sicher nicht. Dann würde er sich verkriechen. Ganz im Gegenteil: «Durch Heulen kommunizieren Hunde, wo sie sind und wie sie sich fühlen, sie suchen Kontakt oder das Ende der Einsamkeit», erklärt die St. Galler Tierpsychologin und Hundetrainerin Manuela Albrecht.

Manche Töne können für Vierbeiner regelrecht mitreissend sein. Nicht alle hören auch wir Menschen, denn Hunde nehmen mehr als doppelt so hohe Töne wie wir wahr. Selbst Laute bis zu 50 000 Hertz können die Vierbeiner noch hören. «Bei Sirenen-Geräuschen oder auch bei Musikinstrumenten heulen Hunde manchmal mit. Es gibt sogar Frequenzen, die können das genetische Erbe zum Leben erwecken. Die Hunde heulen, da es sich für sie positiv anfühlt», so Albrecht. Dieses positive Gefühl nimmt gern kollektive Züge an. «Alle, die mitheulen, gehören zur Gruppe respektive zum Rudel.» Dadurch wird der Zusammenhalt und die soziale Struktur der Gruppe gestärkt. Kontaktheulen nennen Experten das.

Besitzer von mehreren Hunden dürfen meist einem Chorheulen lauschen. Denn Bellen und Heulen wirkt ansteckend. «Fängt einer an, machen es bald alle im ganzen Quartier oder in der Gruppe», sagt die Tierpsychologin. Oft geht dem ein Alarmbellen voraus. 

Stefan Kirchhoff ist ehemaliger Tierheimleiter und war stellvertretender Leiter von Wolfforscher Günther Blochs Strassenhundeprojekt «Tus-cany Dog Project», in dem Wissenschaftler Langzeit-Verhaltensbeobachtungen an verwilderten Haushundegruppen in der Toskana vornahmen. Er erinnert sich: «Die Hunde in der Toskana haben morgens beim ersten Störlaut mit Alarmbellen reagiert, woraufhin zwei der Hunde fast immer ein Chorheulen initiiert haben.»

Kirchhoff vermutet, die Disposition zum Heulen sei wohl genetisch gegeben. So heulen denn auch nicht alle Hunderassen. Nordische Rassen, vor allem Huskys, lieben es zu heulen. Auch Weimaraner und Labradore haben Spass an dem lauten Gejaule. Pudel und Eurasier hingegen nicht. 

Heulen kann aber auch von territorialer Bedeutung sein. Zum einen heulen Hunde zur Ortungshilfe für Gruppenmitglieder, so Kirchhoff. «Ist ein Hund von seiner Gruppe getrennt, nimmt er durch Heulen Kontakt mit den anderen auf, die dann in der Regel antworten.» Zum anderen würden gruppenfremde Hunde zur territorialen Markierung angeheult – nach dem Motto: «Hier ist unser Revier!»

Mitheulen statt unterbinden
Ab welchem Alter ein Hund mit dem Heulen anfängt, ist unterschiedlich. Manche heulen bereits als Welpe, andere erst mit ein paar Jahren. Auch die Tonlage ist individuell. Während bei Wölfen das Heulen sehr harmonisch und synchron klingt, ist gerade das Chorheulen von Hunden meist wenig schmeichelnd für unsere Ohren. Denn jeder Vierbeiner heult in seiner eigenen Tonlage. Manuela Albrecht vergleicht es mit einem Dialekt – jeder Hund spricht einen anderen. 

Heult der Vierbeiner, sobald Herrchen oder Frauchen das Haus verlässt, muss das Heulen nicht unbedingt für Trennungsangst stehen. Stefan Kirchhoff meint, dass Hunde möglicherweise deshalb heulen, weil sie gerne ihr Rudel beisammen haben möchten. «Oder sie heulen aus Langeweile oder bei Kontrollverlust», sagt Manuela Albrecht. «Und läufige Hündinnen bringen die Rüden zum Heulen.» 

Sollte es wirklich einmal Streit mit dem Nachbarn geben, dann hilft nur Training. «Ein Hund sollte lernen, alleine oder mit nur einem Teil der Menschenfamilie zu bleiben und sich dabei zu entspannen», rät die Hundetrainerin. Gerade in einem Mehrfamilienhaus lohne es sich allerdings, ein Abbruchsignal fürs Heulen zu etablieren. 

Albrecht hat jedoch noch einen weiteren Vorschlag im Umgang mit dem Heulen: «Wenn man es aus Sicht der Kommunikation betrachtet, sollten wir Menschen viel öfter mit unseren Hunden gemeinsam heulen, anstatt diese ständig zu korrigieren.»