Eigentlich ist die Sache klar. Gemäss dem revidierten Tierschutzgesetz ist es seit dem 1. September 2008 ausdrücklich verboten, Tiere zu züchten, wenn bei den Elterntieren oder bei den Nachkommen durch das Zuchtziel bedingte oder damit verbundene Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen auftreten oder wenn tiefgreifend in ihr Erscheinungsbild eingegriffen wird. Zur Konkretisierung dieser Bestimmung hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eine spezielle Verordnung erlassen, die am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. 

Für den Laien scheint damit klar zu sein, was die Vertreter von Gesetz und Ordnung zu tun haben: Nämlich prüfen, welche Katzenrassen leiden, lächerlich aussehen oder nicht mehr in der Lage sind, sich tiergemäss zu verhalten, die verantwortlichen Züchter bestrafen und die Zucht fortan verbieten. 

Die Realität ist offensichtlich komplexer. Tatsache ist: Trotz dem per Verordnung präzisierten Tierschutzgesetz wurde bisher kein einziger Züchter wegen Qualzucht verurteilt. Laut Nora Flückiger von der Stiftung für das Tier im Recht kam es 2014 zwar zu einem Verfahren zu Devon-Rex- und Sphinx-Katzen. Weil die fehlenden Haare aber durch besondere Haltungsbedingungen kompensiert werden können und die Tiere ohne Tast­haare kastriert und nicht zur Zucht eingesetzt wurden, sei die betroffene Person nicht bestraft worden. Fast alle übrigen Verfahren, welche die Stiftung 2012 einleitete, wurden inzwischen eingestellt, weil die betreffenden Züchter nicht mehr aktiv züchteten oder eine Qualzucht verneint wurde. 

Viele Qualzuchtmerkmale sind etabliert
Für Flückiger kann nur spekuliert werden, warum es noch zu keiner Veruteilung gekommen ist: «Möglicherweise ist es den Behörden schwergefallen, zu bestimmen, was genau als Qualzucht zu definieren ist und welche rechtlichen Konsequenzen dies nach sich zieht – insbesondere da zu diesem Zeitpunkt die Verordnung des BLV zum Tierschutz beim Züchten noch nicht in Kraft war.» Zudem seien zahlreiche Qualzuchtmerkmale sowohl in der Heimtier- als auch in der Nutztierzucht bereits derart etabliert und «normal», dass sich die Behörden wohl schwertäten, mittels Strafverfahren einzugreifen und Präjudizien zu schaffen. 

Schwierig sei möglicherweise auch, dass  viele verschiedene Expertengruppen zusammenarbeiten müssten, um Qualzuchten aufdecken, bestrafen und verhindern zu können. So muss die vor dem Zuchteinsatz von belasteten Tieren neu vorgeschriebene Belastungsbeurteilung durch einen Tierarzt oder eine Person mit Hochschulabschluss in Genetik oder Ethologie vorgenommen, jedoch anschliessend auf juristische Grundbegriffe übersetzt und durch Staatsanwaltschaften und Richter beurteilt werden. 

Sie habe ausserdem den Eindruck, dass es den Behörden Mühe bereite, Zuchttiere, die in der Regel umsorgt und gut gehalten werden, als tierschutzrelevante Qualzuchten zu qualifizieren und ihre Schmerzen und ihr Leiden zu erkennen, sagt Flückiger. Dies liege auch daran, dass die Belastungen nicht immer offensichtlich seien. 

Von der neuen Verordnung erhofft sich Flückiger viel. Durch die Unterteilung in die vier Belastungs-Kategorien dürfte es den Behörden leichter fallen zu bestimmen, was als Qualzucht zu definieren ist. Problematisch sei allerdings, dass die Belastungsbeurteilungen zur Einstufung in die entsprechende Kategorie durch Personen der Privatwirtschaft vorgenommen würden: «Dass hier Tierärzte und andere Fachpersonen ihre eigene Kundschaft beurteilen und unter Umständen anschwärzen müssen, ist äusserst heikel. Eine Interessenskollision ist vorprogrammiert.» 

Der Schweizer Tierschutz (STS) hält fest: «Wie bei anderen Heimtieren wurden auch in der Rassekatzenzucht Erbschäden als Rassenmerkmale etabliert und einzelne Merkmale ins Groteske übersteigert.» Derartige Entwicklungen seien aus Tierschutzsicht «eindeutig abzulehnen». Um der Etablierung von Rassen, deren Erscheinung auf erbliche Schäden oder Abnormitäten zurückgehen, entgegenzuwirken, appelliert der STS an das Verantwortungsgefühl von Katzenhaltern, Katzenzüchtern und Katzenzuchtverbänden. 

«Nur mit gesunden Tieren züchten»
Ein Merkblatt zeigt auf, hinter welchen Rassen und Erscheinungsbildern verborgenes Leid steckt. Dazu gehört unter anderem der angeborene Haarmangel der Sphinx (anfällig für Hautverletzungen, Kälte und Sonnenbrand und Einschränkung des Kommunikationsverhaltens, Verlust des Tast­organs), die rein weisse Fellfärbung (Neigung zu Schwerhörigkeit bis hin zur Taubheit) sowie die Faltohren der Scottish Fold und Pudelkatzen, welche oft mit massiven Skelettmissbildungen einhergehen. 

Auch an der Zucht der «modernen» Perser und ihren als Exotic Kurzhaar bezeichneten kurzhaarigen Verwandten übt der STS Kritik. Durch die angezüchtete starke Kopfwölbung bei gleichzeitiger Gesichtsverkürzung rücken die Nasenöffnungen auf Augenhöhe und liegen bei extremen Typen sogar zwischen den Augen. Diese Schönheitsmerkmale geben den Katzen ein kindlich-süsses Aussehen, können aber auch zu Atemschwierigkeiten und tränenden Augen führen. 

Für Alfred Wittich, Präsident des Helvetischen Katzenverbands (FFH), ist entscheidend, dass verantwortungsvoll und nur mit gesunden Tieren gezüchtet wird: «Dann ist es keine Belastung.» So sei etwa die Exotic Shorthair nicht per se problematisch. Er selber züchte die Rasse bereits seit 35 Jahren und habe all die Jahre bei seinen Tieren keine gesundheitlichen Probleme festgestellt. 

Dies sei möglich, weil er sehr genau darauf achte, dass die Tiere, die er zur Zucht einsetze, grosse Nasenlöcher und keine tränenden Augen hätten. Auf diese Weise bleibe auch der Nachwuchs gesund. «Unlängst hat sich eine Kundin bei mir gemeldet und gesagt, dass ihre Exotic Kurzhaar im Alter von 21 Jahren gestorben sei und dass sie wieder einen neue Katze von mir möchte. Das zeigt mir, dass ich es richtig mache.»

Der Helvetische Katzenverband FFH ist Mitglied des internationalen Katzenverbandes FIFe und muss sich an dessen Vorgaben halten. Die Scottish Fold, eine Rasse, deren Ohren an den Kopf gefaltet sind, sowie die Munchkin, deren Beine so verkürzt sind, dass sie einem Dackel ähnelt, sind bei der FIFe, der internationalen Dachorganisation von Katzenzuchtverbänden, zur Zucht und für Ausstellungen verboten. Disqualifiziert und somit auch automatisch nicht zur Zucht zugelassen sind auch Katzen mit mehr als fünf Zehen sowie jegliche Einkreuzung von Wildkatzen. Für den FFH bedeutet das, dass er an Züchter dieser Rassen keine Stammbäume ausstellen und sie auch nicht an Ausstellungen teilnehmen lassen darf.

Rassekatzen hängen sehr am Menschen
Für die Rassen Norwegische Waldkatze, Burma und Korat schreibt die FIFe Gesundheitsuntersuchungen für vererbliche Krankheiten vor. Fallen diese negativ aus, müssen die Tiere aus der Zucht genommen werden. Für andere Rassen werden Tests immerhin empfohlen und laut Wittich von den Züchtern der FFH auch durchgeführt. «Züchter wollen gesunde Tiere. Wer eine Rassekatze kauft und gesundheitliche Probleme feststellt, wendet sich umgehend an den Verband.»

Wichtig sei nicht zuletzt, dass man Rassekatzen nicht mit Hauskatzen in einen Topf werfe, etwa bei der Beurteilung von Merkmalen wie Haarlosigkeit, sagt Wittich. «Eine Rassekatze ist eine Katze, die in den meisten Fällen im Haus gehalten wird mit Auslauf auf einem geschützten Balkon oder Garten. Rassekatzen sind von Geburt auf nichts anderes gewohnt und haben eine viel engere Bindung an den Menschen als Hauskatzen.» 

Ein Merkblatt des Schweizer Tierschutzes zum Thema Rassekatzen und Extremzucht gibt es hier.