Ein Hund verhält sich gemäss dem Entwurf einer neuen Verordnung zum Tierschutz übermässig aggressiv, wenn er einen Menschen oder ein Tier verfolgt und dabei knurrt oder wütend bellt. Wegen solchen Passagen stossen die drei neuen Verordnungen zum Tierschutz in der Anhörung auf Kritik. «Realitätsfremd, unnötig und nicht vollziehbar», lautet das Urteil des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) zu den neuen Bestimmungen, die bis am vergangenen Montag in der Anhörung waren. «Wer beurteilt, ob das Bellen freundlich oder wütend war?», schreibt der SBV zu der erwähnten Passage über aggressive Hunde. Die Bauernvertreter fordern zudem, dass sämtliche Nutzhunde – etwa Hofhunde – von der neuen Verordnung über die Haltung von Hunden und Heimtieren ausgenommen werden.

Für den Verband der Hundezüchter, die Schweizerische Kynologische Gesellschaft (SKG), sind die Formulierungen zu aggressiven Hunden «äusserst problematisch». Beispielsweise seien insbesondere jene Hunde besonders gefährlich, die lautlos hetzten. Der Artikel in der Verordnung dient dazu, zu klären, welche Hunde an die kantonalen Behörden gemeldet werden müssen. Aus Sicht der SKG ist der Artikel deshalb fehlplatziert, da die Verordnung die Haltung und den Umgang mit Hunden regeln solle.

Kleintiere Schweiz befürchtet Willkür
Der Kritik des Verbandes Kleintiere Schweiz (Herausgeber der «Tierwelt») geht in ähnliche Richtung, richtet sich aber vor allem gegen die Verordnung zum Tierschutz beim Züchten von Tieren. Der Verordnungsentwurf enthält eine Tabelle mit verschiedenen Belastungskategorien, gemäss welcher Zuchtformen beurteilt werden sollen. Dazu schreibt Kleintiere Schweiz in einer Medienmitteilung: «Die neuen Verordnungen sind unpräzise formuliert, und sie führen zu Unklarheiten in der Auslegung. Sie öffnen damit der Willkür Tür und Tor, da insbesondere bei der Interpretation der Belastungskategorien der Subjektivität keine Grenzen gesetzt sind.» Kleintiere Schweiz gehe schon seit Jahren mit Musterbeschreibungen für einzelne Arten und Rassen gegen extreme Überzüchtungen vor.

Weiter befürchtet Kleintiere Schweiz eine Gefährdung der Biodiversität, da durch die Verordnung faktisch eine ganze Anzahl Rassen verboten werde. Der Verband fordert in solchen Fällen fundierte wissenschaftliche Untersuchungen. In seiner Vernehmlassungsantwort stellt er sich konkret gegen das Verbot von Bodenpurzlern, einer flugunfähigen Taubenrasse, die als Teil des Balzrituals Saltos am Boden vollführt. Dieses Verhalten führe zu keinerlei Problemen im Leben und in der Fortpflanzung.

Zudem befürchtet Kleintiere Schweiz, dass neue Kosten auf die Züchter zukommen. Ausserdem ist sich der Verband mit dem SBV und SKG einig darin, dass die Verordnungen zum Teil umgangen werden könnten, indem Tiere oder tierische Produkte aus dem Ausland eingeführt würden.

Tierschutz möchte auch Möpse verbieten
Der Schweizer Tierschutz (STS) hingegen ist mit der neuen Verordnung zur Tierzucht mehrheitlich zufrieden. Er möchte aber noch zusätzliche Zuchtformen verbieten: Zum Beispiel solle die neue Verbotsliste auch die Hunderasse Möpse enthalten. Die neue Verordnung sei zudem nur ein erster Schritt. Ob sie greife, hänge von der Umsetzung durch die Züchter sowie den Kontrollen der Behörden ab, heisst es in der Stellungnahme des STS.

Kritisch zu den drei neuen Verordnungen – die dritte regelt die Haltung von Wildtieren – äussert sich auch die Schweizerische Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST). Die Entwürfe gingen in die richtige Richtung, seien aber teilweise unklar oder nicht verständlich formuliert. Die GST fordert der Bund auf, die Verordnungen zu prüfen und zu überarbeiten. Es brauche klare und mit verhältnismässigem Aufwand vollziehbare Bestimmungen.