Zwar kommt es selten vor, dass ein Haustierbesitzer unentdeckt zu Hause stirbt. Passiert es allerdings doch einmal, erwartet Pathologen häufig ein schauderhafter Anblick. Denn für Haustiere ist es «normal», ihre verstorbenen Besitzer als Futterquelle zu betrachten – egal wie eng die Beziehung zu Herrchen oder Frauchen einst gewesen ist. 

Insbesondere unsere sanftmütigen Samtpfoten sind in einer solchen Situation gemäss Experten schnell zur Stelle. Die forensische Pathologin Judy Melinek aus New York City sagte einst in einem Interview: «Deine Hauskatze wird dich auf der Stelle fressen. Ich habe das Ergebnis gesehen.» 

Der Hund wartet 24 Stunden
Sonja Doll Hadorn wundert das allerdings nicht. Die Zoologin, Ethologin und Verhaltenstherapeutin für Hunde aus Winterthur weiss, dass Katzen einen relativ kurzen Fressrhythmus haben. Langes Warten ist nichts für die Stubentiger. «Zudem vertragen Katzen im Gegensatz zu Hunden kein verwestes Fleisch», sagt Doll Hadorn. Beides zusammen dürfte dazu beitragen, dass Katzen sich relativ schnell am Leichnam gütlich tun, so die Zoologin. 

Doch auch andere Haustiere haben keine Skrupel, an einem toten Menschen zu knabbern. So geht auch bei Hunden die Treue nur bis zu unserem Tod. «Mit der nach dem Tod eintretenden Verwesung verändert sich der Individualgeruch des Menschen kontinuierlich», erklärt Doll Hadorn. Da sich der Tote zudem nicht mehr regt und mit dem Tier in gewohnter Weise agiert, wird er vom Tier nicht mehr als die vertraute Bezugsperson zu erkennen sein, vermutet die Hundeexpertin. 

In einer etwas makaberen Untersuchung hat kürzlich das Forschungsteam um Thomas Colard von der französischen Universität Lille 63 Fälle des sogenannten kaninen Leichenfledderns ausgewertet. Vorweg: Alle Halter hatten ein gutes Verhältnis zu ihren Vierbeinern. Trotzdem harrten die Hunde in der Regel nicht viel länger als 24 Stunden neben ihrem verstorbenen Halter aus. Dann begannen sie den Leichnam anzuknabbern – zumeist im Kopfbereich. Drei Viertel der Verletzungen verzeichneten die Forscher an Nase und Lippen. 

Sonja Doll Hadorn vermutet, dass es sich dabei um verzweifelte Versuche handelt, den Verstorbenen zu einer Reaktion zu animieren. Nase und Mund seien wichtige Orientierungsorte für das Tier bei der Kommunikation mit dem Menschen, erklärt sie. «Da die Bezugsperson aber nicht reagiert, dürften die Tiere ihre Kontaktaufnahmen mit Lecken und Stupsen intensivieren und auch zu Kneifen, Zwicken und so weiter übergehen.» Hat das Tier zudem Hunger, ist der Leichnam natürlich auch eine Nahrungsquelle.

Maden für den Hamster
Bleibt der Leichnam über längere Zeit unbemerkt, fressen Hunde weiter. Im Falle einer Leiche in New York, die 2006 länger als einen Monat unentdeckt blieb, hatten die zwei Hunde der Besitzerin nur dank dieser schauerlichen Nahrungsquelle überlebt. Von ihrer Besitzerin allerdings waren nur noch ein Teil des Schädels und ein paar Knochensplitter übrig. 

Fliesst Blut, warten Hunde nicht mehr  lange, wie die französische Studie weiter zeigte. Ein Viertel der Tiere begann trotz vollem Futternapf ihre Besitzer früher als 24 Stunden nach deren Ableben anzufressen. «Es ist wahrscheinlich, dass die Motivation mit der Aufnahme von Blut kippt», sagt Doll Hadorn. «Warum soll der Hund dann – die möglicherweise schmackhaftere! – Futterquelle verlassen und zu seinem Napf zurückgehen?» 

Allerdings gilt zu sagen: Leichenfrass durch Hunde und Katzen ist ein äusserst seltenes Phänomen. Und noch seltener sind Fälle, in die andere Haustiere verwickelt sind – schliesslich bewegen sich Hamster oder Vögel meist nicht frei im Wohnraum. Doch auch sie würden herzhaft zupicken, wenn sie die Gelegenheit hätten, vermutet Doll Hadorn. «Fliegen legen recht schnell Eier in einer Leiche ab, woraus schon nach kurzer Zeit Maden schlüpfen, welche dem Hamster oder Vogel als Nahrung dienen können – auch wenn sie dafür erst mal etwas durch die Haut knabbern müssen.»