So hatte sich Jana Bauer den Frühlingsbeginn nicht vorgestellt. Statt sich morgens mit den Tierpflegern und zahlreichen freiwilligen Helfern auszutauschen und Pressevertreter in Empfang zu nehmen, arbeitet die Medienverantwortliche des Tierheims Pfötli und des Tierrettungsdienstes in Winkel ZH im Homeoffice, wie Tausende andere diese Tage auch. Der Kontakt mit ihrem Team beschränkt sich auf Telefonate und gelegentliche Skype-Sitzungen. Ihre Tiere, wie sie sagt, hat sie schon länger nicht mehr gesehen.  

Aber auch Besucher müssen draussen bleiben. Für sie ist das Areal geschlossen, und damit die Möglichkeit, etwa einen Hund oder eine Katze zu adoptieren. Denn wie bei allen Einrichtungen, die «Tierwelt online» kontaktiert hat, würde auch das «Pfötli» nie Tiere an Interessenten vermitteln, die es nicht vorher kennen gelernt hat.

Schlimmstes Szenario: Krankheitsfälle im Team 
Obwohl sie die Isolation traurig stimmt, ist Mediensprecherin Bauer bewusst, dass es besser ist für alle. «Wir halten uns strikt an die Vorgaben des Bundes. Es wäre schlimm, wenn das ganze Team erkranken und ausfallen würde», sagt sie. Das sei denn auch das schlimmste Szenario, das eintreten könnte.

Wie in vielen Tierheimen zurzeit üblich, wurde die Anzahl Tierpflegerinnen und Tierpfleger im Dienst reduziert. Man habe sie in verschiedene Vierergruppen eingeteilt, die tatkräftig von erfahrenen freiwilligen Helfern unterstützt werden, die nicht zur Risikogruppe gehören.

Für die einzelnen Angestellten bedeute das zwar Mehrarbeit und manchmal auch längere Arbeitstage, sagt Bauer. Doch das sei machbar. Schliesslich sei allen bewusst, dass die Lage eine besondere ist. «Vorrang hat, dass unsere Tiere auch weiterhin rundum versorgt sind und nichts von der Situation merken».

Ernstfall: plötzlich viele kranke Tierhalter
Bis jetzt funktioniert das laut der Mediensprecherin bestens. Das Tierheim Pfötli sei nicht überfüllt, die Kapazität reiche. Momentan jedenfalls. Dass sich die Situation laufend verändert, ist dem Team bewusst. «Wir sind auch für den Fall gerüstet, dass plötzlich viele Tierhalter erkranken und ihre Lieblinge vorübergehend abgeben müssen», sagt Bauer. Wobei die Erfahrung zeige, dass in solchen Fällen oft zuerst Familienmitglieder in die Bresche springen, bevor die Tiere abgegeben werden.

Kaum Einschränkungen merkt derweil der Tierrettungsdienst, dem das «Pfötli» angegliedert ist. Einzig die Notrufzentrale auf dem Gelände, die normalerweise mit zwei Personen besetzt ist, arbeitet nun teilweise im Homeoffice.

Das sei kein Problem, sagt Bauer. «Es spielt ja keine Rolle, von wo wir unsere Fahrer losschicken, um verletzte Tiere zu bergen». Sollte es dabei zum Kontakt mit anderen Menschen kommen, etwa mit denjenigen, die den Hilferuf abgesetzt haben, werde Social Distancing in jedem Fall eingehalten. Für alle Fälle sind die Fahrzeuge zudem mit Desinfektionsmitteln ausgerüstet.    

Auch für die Geretteten, die ins Heim kommen gilt: Hunger muss kein Tier leiden. Selbst, wenn es zu einem Engpass bei den Futterlieferanten kommen sollte, ist die Versorgung im «Pfötli» für mehrere Wochen gesichert, nicht zuletzt dank umfangreicher Futterspenden in der Vergangenheit.

Doch Spenden können im Moment nicht angenommen werden. Wie viele andere Tierheime ist die Stiftung nun besonders auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Trotzdem, obwohl ungewiss ist, wie lange die Corona-Krise anhalten wird und wie es mit der Spendenfreudigkeit allgemein aussieht – Angst hat Jana Bauer nicht. «Es ist einfach eine ungewisse Zeit. Ich hoffe, dass sie bald zu Ende geht, dass wir bald wieder Tiere vermitteln können und dass wir wir auf die Unterstützung von Tierfreunden zählen dürfen. Bis dahin heisst es durchhalten.» Die Stiftung sei aber gut vorbereitet.

Schweizerische Tiermeldezentrale: Meldungen auf stabilem Nivau
Ebenfalls gut vorbereitet sei man bei der Schweizerischen Tiermeldezentrale (STMZ) mit Sitz in Hergiswil NW. Hier meldet sich, wer ein Tier vermisst oder eines findet. Er kann sich auf der Plattform stmz.ch gratis eintragen und eine Meldung aufgeben.

Über alle Tage des Lockdowns gerechnet sei die Anzahl Vermisstmeldungen auf stabilem Niveau, sagt die Geschäftsführerin Bernadette Christen: «Einzig am Anfang der Massnahmen, die der Bundesrat angeordnet hat, ist die Anzahl Meldungen kurzzeitig leicht gesunken.»

Warum das so sei, weiss sie nicht. Sie kann nur Vermutungen anstellen. Vielleicht seien die niedrigeren Zahlen eine Auswirkung davon, dass die Leute nun zuhause sind und ihre Tiere besser im Blick haben. Christen versucht, der Situation etwas Positives abzugewinnen: «Meine beiden Katzen leisten mir treu Gesellschaft, wenn ich im Home-Office arbeite», sagt sie.

Keine weiteren Aufnahmen
Nicht überall sieht man der Situation indes so gelassen entgegen. Das Tierheim in der Westschweiz, das «Tierwelt online» kontaktierte, reagierte auf die Presse-Anfrage panisch. Auf gar keinen Fall dürfe der Name erwähnt werden. Man befürchte, dass sonst Leute vorbei kommen und ihre Katzen und Hunde abgeben – ungeachtet gegenteiliger Warnungen.

Denn man könne und dürfe zurzeit schlichtweg keine weiteren Tiere aufnehmen. Der Schutz des Pflegepersonals stehe an erster Stelle. Niemand dürfe sich mit Covid-19 anstecken, sonst habe man ein personelles Problem. Schliesslich solle auch hier sicher gestellt werden, dass der Betrieb weiterläuft, zum Wohl der Tiere.

Die Kastrationen allerdings, welche das Team sonst durchführt, mussten vorübergehend eingestellt werden. Auch hier hofft man auf die Treue der bisherigen Spender, trotz der Krise. Denn die finanziellen Mittel werden sonst irgendwann knapp.

Existenzängste bei Tierpensionen
Während die einen mehr oder weniger gelassen und mit gewissen Einschränkungen in die Zukunft blicken und ihre Betriebe trotz des Lockdowns aufrecht erhalten können, werden andere von Existenzängsten geplagt. Für Tierferienhöfe wie das Waldeck im Weier im Emmental ist die Situation besonders dramatisch. Annemarie Schär, die dort eine idyllische Insel für Tiere im Emmental geschaffen hat, wie sie sagt, steht vor einer grossen Herausforderung.

«Es bricht mir das Herz! Von einem Tag auf den nächsten sind bei uns aufgrund der Massnahmen des Bundesrats die Einnahmen komplett weggebrochen. Kein Wunder, momentan verreisst niemand und die Leute arbeiten im Homeoffice», sagt sie. Die Plätze für die über hundert Hunde, Katzen, Nager und Reptilien, die ihr Familienbetrieb während den Abwesenheiten normalerweise betreut, sind leer.

Einzig das Dutzend Hunde, die zwei Tierschutzorganisationen – unter anderem der Verein Tierhilfe Waldeck und Pit Dogs Nothilfe – in ihre Obhut gegeben haben, sind noch da. Den Dackel einer 90-jährigen Dame aus der Region hingegen darf sie nicht mehr ausführen, zu gefährlich wäre das wegen der Ansteckungsgefahr.

«Auch für andere Tierferienheime ist die Situation dramatisch»
Schär versucht, am Telefon gefasst zu tönen. Dass sie aufgewühlt ist, ist aber nicht zu überhören, als sie sagt: «Ich weiss, wie mir geht es vielen anderen auch zurzeit. Auch für andere Tierferienheime ist die Situation dramatisch.» Das tröstet aber nicht hinweg, das sie für ihre 13 Angestellten Kurzarbeit beantragen musste.

Sie selber sei bis jetzt im Unklaren, ob sie überhaupt Unterstützung vom Bund erhält. Denn ihr Betrieb darf weiterhin geöffnet sein, obwohl keine Nachfrage mehr besteht. Inzwischen laufen die hohen Fixkosten weiter, die ein Betrieb wie ihrer zu gewärtigen hat.

Für Tierferienhöfe wie das Waldeck im Emmental ist die Situation besonders dramatisch. «Wir sind abgelegen», erklärt Schär. «Daher können wir nicht darauf zählen, dass uns etwa Ärzte sowie andere Personen aus dem Gesundheitswesen, die nun im Dauereinsatz sind, ihre Tiere vorläufig überlassen». Bessere Chancen habe, wer in urbanen Gebieten stationiert und gut an den Verkehr angebunden sei. Gleichzeitig hatte sich der Wettbewerb in der Branche in letzter Zeit ohnehin zugespitzt: Immer mehr Landwirte bieten Ferienplätze für Tiere an, als Nebenerwerb.  

Und so ist für Schär klar, dass die Krise ihre Branche besonders hart trifft und dass sie Opfer fordern wird: «Je länger sie dauert, umso mehr Betriebe werden aufgeben müssen. Wenn sich die Lage dann irgendwann einmal normalisiert und die Leute wieder reisen, fehlen Ferienplätze.» Auch im Emmental könnte das Angebot bald massiv ausgedünnt werden: In den nächsten Wochen will Schär entscheiden, ob sie den Betrieb mit ihrer Familie weiter führen kann.