Ein Hahn, der seine Herde durch den Hof führt, sie lockt, wenn er etwas Gutes findet, und sich fürsorglich um sie kümmert, ist ein herrlicher Anblick. Der Chef sorgt aber auch für Ordnung, wenn sich zwei Hennen streiten. Er ist der unbestrittene Anführer, der von allen akzeptiert wird. 

Ein Hahn kennt jedoch auch keine Gnade, wenn es darum geht, seine Gene weiterzugeben. Wenn er eine Henne treten will, packt er sie meistens am Kopf oder am Hals und besteigt sie. Das sieht dann auch eher aus wie eine Vergewaltigung als wie ein zärtliches Liebesspiel. Es gibt auch Hähne, die so besessen sind, Hennen zu besteigen, dass diese kaum mehr zur Ruhe kommen, den Stall nicht mehr verlassen und die Legetätigkeit einstellen. 

Vor allem etwas ältere Hähne, denen die Sporen nicht gekürzt wurden, können die Hennen auf dem Rücken sogar verletzen. Oft sind es genau diejenigen Hähne, die auch den Menschen angreifen. Solche Hähne müsste man jeweils für einige Tage von den Hennen entfernen, damit diese zur Ruhe kommen. Die Eier werden trotzdem befruchtet sein, denn ein einziger Tretakt reicht, dass die Eier bis zu zwei Wochen und länger befruchtet sind.

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Nicht selten kommt es vor, dass ein «lieber» Hahn, der sich kaum je für seinen Halter interessiert, von einem Tag auf den anderen böse wird und selbst seinen Besitzer angreift. Dies geschieht nicht immer von vorne, also von Gesicht zu Gesicht. Oft springen solche Hähne, die Sporen nach vorne gerichtet, ihren Betreuer von hinten an. Dies kann schön schmerzhaft sein, vor allem wenn es sich um einen älteren Hahn handelt, dessen Sporen doch recht lang und spitz sind. Da kann sogar durch die Hosen hindurch Blut fliessen. Andere wiederum suchen den Kampf von vorne, ducken sich, sträuben die Halsfedern und greifen an. Diese Aggressivität kann verschiedene Gründe haben.

Einmal böse – immer böse
«Mit einem bösen Hahn sollte man nicht züchten», lautet der allgemeine Ratschlag. Tatsächlich ist es so, dass sich auch die Aggressivität vererben kann. Wie bei uns Menschen haben auch Hähne ihren Charakter, der einerseits durch die Umwelt geprägt wird, andererseits jedoch auch genetisch bedingt ist. Bei Hähnen, die schon kurz nach der Geschlechtsreife böse werden und den Menschen angreifen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine vererbbare Aggressivität handelt. Das bedeutet nicht, dass all seine Nachkommen auch böse werden. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch viel grösser als bei einem zahmen Hahn.

Oft sind es jedoch auch Umwelteinflüsse, welche die Stimmung der Hähne kippen lässt. Sie mögen es überhaupt nicht, wenn man in ihrer Gegenwart eine seiner Hennen in die Hand nimmt und diese sich lauthals darüber beschwert. Dies allein kann dazu führen, dass der Hahn, wann immer wir in den Hof kommen, seinen Harem sogleich beschützen will. Und Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung. Hat man es so mit einem Hahn verspielt, ist eine Besserung kaum mehr zu erwarten. Man sollte deshalb nie eine Henne in Anwesenheit ihres Hahnes aufheben, selbst dann nicht, wenn man glaubt, einen lieben, ruhigen Hahn zu haben.

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Auch eine Greifvogelattacke auf eines seiner Hühner kann dazu führen, dass ein Hahn von heute auf morgen böse wird und danach alles und jeden angreift, der in die Nähe seiner Herde kommt. Auch in einem solchen Fall wird sich die Situation nicht mehr zum Guten ändern. Dasselbe gilt beim Eindringen eines Fuchses, eines Marders oder eines Hundes in sein Revier. Oft verteidigt der Hahn in einem solchen Fall seine Herde und riskiert sogar sein Leben, um seinen Harem vor Eindringlingen zu schützen. 

Es gibt Züchter, die freuen sich über aggressive Hähne, denn die befruchten meistens sehr gut. Es gilt hier die Devise: böser Hahn – viele befruchtete Eier. Sicher ist es auch rassenbedingt, wobei die Hähne der Kampfhuhnrassen überhaupt nicht aggressiver sind als diejenigen anderer Rassen. Aber es gibt ruhigere und temperamentvollere Rassen. Selbst innerhalb einer Rasse gibt es diesbezüglich Unterschiede.

Nur in den seltensten Fällen beruhigt sich ein Hahn wieder. Doch in den meisten Fällen  wird er seine Streitsüchtigkeit nicht mehr ablegen. Es ist sinnlos, den Kampf mit dem Hahn aufnehmen zu wollen, sich ihm gegenüber ebenso angriffslustig zu zeigen. Im Gegenteil: Je mehr ein Hahn provoziert wird, desto angriffslustiger wird er. Das weiss man ja auch von den in der Schweiz glücklicherweise verbotenen Hahnenkämpfen. Hähne lassen nicht locker, auch wenn sie dadurch sterben müssen. Auch gutes Zureden oder Leckerbissen werden sie nicht davon abhalten, die Verteidigung ihre Gruppe als oberstes Gebot zu erachten und alle anzugreifen, die sich ihr nähert. 

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Wasser als Abwehrmittel
Trotzdem macht es keinen Spass, beim Füttern oder Eiersammeln immer einen Besen oder einen anderen Gegenstand als Abwehrhilfe mitzunehmen. Und wenn zusätzlich noch Kinder dabei sind, die doch so gerne bei den Hühnern verweilen und selbst die Eier einsammeln wollen, wird es noch schwieriger. Ein Kleinkind, das von einem Hahn angegriffen wird, ängstigt sich oft zeitlebens auch vor lieben Hähnen.

Wasser lieben die Hühner nur zum Trinken. Angespritzt zu werden mögen sie jedoch überhaupt nicht. Bewährt hat sich deshalb, den kämpferischen Gockel bei jedem Angriff mit Wasser anzuspritzen. Wenn man mit der Giesskanne kommt, um das Trinkwasser nachzufüllen, und der Hahn angreift, spritzt man ihn regelmässig mit dem kühlen Nass  an. Nach einigen Tagen wird er bereits davonrennen, wenn er sieht, dass man die Giesskanne in der Hand hält. Noch einfacher geht es mit einer Wasserpistole. Sobald sich der Hahn nähert, wird er angespritzt. Das hilft in den allermeisten Fällen, um seine Angriffslust zu bändigen. Zahmer wird der Hahn dadurch aber nicht.

So brutal es auch tönen mag, aggressive Hähne sollten so rasch wie möglich der Küche zugeführt werden. Denn eine Besserung ist leider kaum möglich.