Sie lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Unbeirrt sitzen Ramona und Sarah unter dem kargen Baum, kauen fast meditativ an ein paar Gräsern, den Blick in die Weite gerichtet. Das Gewusel auf der Wiese scheinen die beiden Alpaka-Damen jedoch kaum wahrzunehmen. Rundherum staksen Hunderte von jungen Hühnern umher, scharren und picken im Boden. Eines davon macht es sich sogar auf dem Rücken von Ramona bequem. Das Alpaka-Weibchen lässt es geduldig gewähren.

Bei diesem Wetter gehen die Freilandhennen und -hähne gern nach draussen: Es herrschen milde Temperaturen, der Himmel ist bedeckt. Hansueli Heiniger hat seine Geflügelaufzucht in Dietlikon ZH vor fünf Jahren auf Freilandhaltung umgestellt. Dies bringt einige Herausforderungen mit sich: Das zarte Fleisch ist bei diversen Wildtieren gleichermassen beliebt wie beim Menschen. Raubvögel haben es vor allem auf die Küken abgesehen. «Krähen sind am schlimmsten», weiss Heiniger zu berichten. «Sie warten jeweils auf dem Dach des Wintergartens, bis die Hühnchen herauskommen.» Aber auch der Fuchs ist ein regelmässiger Gast auf seinem Hof.

Alpakas werden immer beliebter

Alpakas stammen ursprünglich aus den südamerikanischen Anden und gehören wie Lamas und Vikunjas zu den Kleinkameliden. Es ist eine domestizierte Tierart, die bereits vor 3000 Jahren von den Inkas wegen ihrer feinen Wolle gezüchtet wurde. Ein Alpaka-Mantel galt als Zeichen des Wohlstands. Als die spanischen Eroberer Schafe einführten, verloren Alpakas an Bedeutung und waren in Südamerika zwischenzeitlich fast ausgestorben.

Alpakas wurden in Australien, den USA und anderen Ländern schon früher als Hütetiere für Schafe entdeckt. Die landwirtschaftliche Beratungszentrale Agridea empfiehlt zum Schutz von Schafherden in der Schweiz aber vor allem die etwas grös-seren Lamas. Sie haben eine natürliche Abneigung gegenüber fremden, insbesondere hundeartigen Eindringlingen, weshalb sie Füchse und Wölfe vertreiben können, auf anderen Kontinenten auch Kojoten oder Dingos. Sie tun dies, indem sie beissen, ausschlagen, schreien, spucken oder die Eindringlinge wegdrücken. In der Schweiz werden Alpakas dagegen meist als Hobby--Tiere gehalten.

Neugierig und bescheiden
Dies ist der Hauptgrund, wieso der Bauer die beiden Alpakas angeschafft hat. Er habe gehört, dass sie auch als Herdenschutztiere taugen, sagt Heiniger. Kosteten sie hierzulande vor zehn Jahren noch bis zu 10 000 Franken, so sind sie unterdessen erschwinglich geworden und bereits für 2000 bis 3000 Franken zu haben. Vor vier Jahren holte der Bauer Ramona und Sarah von einem Zuchtbetrieb im Emmental ab. Seither passen sie auf seine rund 4000 Masthühner auf, die er jeweils sechsmal jährlich aufzieht; im Alter von 56 Tagen wird das Geflügel im Schlachthof zu Pouletfleisch verarbeitet.

«Alpakas sind von Natur aus neugierig», sagt der 50-Jährige. Deshalb gehen sie auf Unbekanntes zu. Das beeindruckt den Fuchs und er verzieht sich. Meistens jedenfalls. Hundertprozentig funktioniert der Schutz nicht. Als Heiniger mit seiner Frau und den beiden Kindern kürzlich nachmittags heimkam, sah er gerade noch, wie sich ein Fuchs ganz langsam und geduckt anschlich. Durch eine lose Stelle im Zaun musste es ihm gelungen sein, ins Gehege einzudringen. Weil er praktisch die gleiche rotbraune Farbe hat wie die Hühner, bemerkten ihn die Alpakas dieses Mal nicht. Und auch die Hühner selber blieben ganz ruhig. Der Räuber konnte sich zwei von ihnen schnappen. «Ich hätte den Alpakas am liebsten gekündigt», sagt Heiniger. «Doch wir haben sie unterdessen lieb gewonnen.»

Alpakas haben ein WC
Alpakas sind äusserst bescheidene Tiere. Von ihrer Herkunft her an karge Steppen gewöhnt, ernähren sie sich ausschliesslich von Gras und dienen dabei gleichzeitig als Rasenmäher. Auf der saftigen Schweizer Wiese hätten sie sogar etwas Gewicht zugelegt, sagt der Bauer lächelnd. Mit ihrem natürlichen Wollpullover ertragen sie auch winterliche Temperaturen. Nur im Sommer wird ihnen im hiesigen Klima eher etwas zu warm. Mitte Mai lässt er die beiden deshalb regelmässig auf einem spezialisierten Betrieb im zürcherischen Maur scheren. Zudem werden die Klauen gestutzt und die Zähne kontrolliert.

Alpakas seien saubere Tiere, erzählt der Bauer. «Sie haben ein WC.» Das heisst, sie verrichten ihr Geschäft stets am selben Ort. Nur wenn sie sich bedrängt fühlen, könne es ziemlich unangenehm werden, hat Heiniger am eigenen Leib erfahren. «Sie spucken einem mitten ins Gesicht. Das ist sehr unappetitlich.» Handzahm seien die Tiere nämlich bis jetzt nicht. Damit sie zutraulicher werden, müsste man viel Zeit mit ihnen verbringen. 

Die Familie Heiniger zieht dies in Erwägung. Ehefrau Katja, die zurzeit eine Bauernschule absolviert, möchte nämlich bald auch Schulklassen Einblick ins Leben auf einem Bauernhof geben. Neben Hühnern und Alpakas leben auf dem Grundhof auch drei Pferde, zwei Hunde und einige Kühe. Ein Magnet für die Kinder wären daher auch junge Alpakas. Die Bauernfamilie will Ramona und Sarah deshalb bald die Bekanntschaft mit einem Hengst ermöglichen.