Ein Hybridhuhn ist eine wahre Legemaschine, da haben Rassehühner keine Chance. Es kann günstig erworben werden und beschert den Besitzern fast täglich ein Ei. Also muss das Rassegeflügel möglichst günstig angeboten werden, damit die überzähligen Tiere überhaupt Abnehmer finden – so die gängige Meinung. Das ist völlig falsch. Es gibt genug Argumente dafür, dass Rassehühner nur gegen einen reellen Preis verkauft werden sollten.

Wer von der Eierproduktion leben will, sollte möglichst kostengünstig produzieren. Also müssen die männlichen Küken schon am Schlupftag aussortiert und getötet werden, da sich ihre Aufzucht nicht lohnt. Auch muss alles so organisiert sein, dass die anfallenden Arbeiten effizient und mit wenigen Leuten erledigt werden können. Rassegeflügelzucht hingegen wird als Hobby betrieben und muss deshalb auch nicht rentabel sein. Es darf aber auch nicht so sein, dass sie die Geflügelhaltung anderer finanziert, die aus Freude einige Hühner halten wollen. 

Hühnerhaltung ist im Trend. Viele Leute möchten heute eigene Hühner halten. Das hat sich während der Corona-Krise, in der viele Zeit hatten, einen Hühnerstall zu bauen, noch akzentuiert. Dabei müssen es nicht Hybridhühner sein. Die Legeleistung steht nicht mehr im Vordergrund, sondern die Freude an den Tieren. Und auch wenn sie nur jeden zweiten Tag ein Ei legen, dann sind die Halter schon vollauf zufrieden. 

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Züchter bleiben auf Hähnen sitzen
Aber fast alle wollen nur einige Hühner. Sie würden sich zwar über einen Hahn freuen, aber meistens verhindern die Nachbarn, die sich vom Hahngesang gestört fühlen, diesen Wunsch. Also bleiben die Züchter auf ihren Hähnen sitzen. Bis diese schlachtreif sind, dauert es in der Regel mindestens ein halbes Jahr. Aber ein geschlachteter Rassehahn hat kaum so viel Fleisch wie ein fünfwöchiges Masthähnchen und ist, auf dem Grill zubereitet, wie ein «Gummiadler». In der Geflügelindustrie werden die männlichen Küken am ersten Tag getötet oder, wenn die neue Methode der Geschlechtsbestimmung im Brutei auch in der Schweiz angewandt wird, schon nach acht bis neun Bruttagen aussortiert. Dort entfällt, im Gegensatz zur Rassegeflügelzucht, die aufwendige und kostenintensive Aufzucht der Hähne. So gesehen, müsste ein Rassehuhn schon doppelt so teuer sein wie ein Hybridhuhn.

Hybridhühner werden in Massen produziert. Allein in der Schweiz gibt es, rechnet man die nicht erfassten Kleinbetriebe dazu, wohl mehr als vier Millionen Hybridhühner, die im letzten Jahr mehr als eine Milliarde Eier gelegt haben. Rassehühner dürfen es höchstens gut 100 000 sein. Es gibt mehr als 180 verschiedene Hühnerrassen und diese noch in unzähligen Farbenschlägen, sodass alleine bei uns wohl 100 verschiedene Rassehühner gehalten werden. 

Viele davon werden nur von einer Handvoll oder noch weniger Züchtern gehalten. Diese betreiben einen sehr grossen Aufwand und fahren oft hunderte von Kilometern, um Bruteier oder Tiere zu erwerben. Das alles tun sie aus Freude an ihrem Hobby. Es käme auch keinem in den Sinn, diese Kilometer auf den Verkaufspreis der Hühner zu schlagen, die er abgeben kann. Mehr noch: Die Züchter geben die Hennen so günstig weiter, dass die Futterkosten kaum gedeckt sind, von Amortisationskosten für Ställe und Gehege ganz zu schweigen. Das muss auch nicht so sein, aber zumindest ein reeller Preis sollte es sein, der durchaus höher sein darf als bei Hybridhühnern.

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Hühnerhalter bezahlen gerne mehr
Auf der Website eines professionellen Geflügelzuchtbetriebes ist zu lesen, dass die Corona-Krise «einen ungeahnten Hühnerkauf-Boom» ausgelöst habe und die Baldleger deshalb ausverkauft seien. Neun Wochen alte Junghennen könnten jedoch für 25 Franken gekauft werden. Kaum ein Rassegeflügelzüchter würde diesen Preis für eine neun Wochen alte Junghenne verlangen. Dabei haben seine Tiere durchaus Seltenheitswert, er musste auch die Hähne grossziehen und leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Rassen und damit zur Biodiversität. Zudem braucht es das Rassegeflügel, damit Hybridhühner überhaupt gezüchtet werden können. Grund genug also, die Preisgestaltung für Rassehühner zu überdenken.

Erfahrungen haben gezeigt, dass Leute, die sich aus Freude Rassehühner halten möchten, gerne bereit sind, auch einen guten Preis für diese zu bezahlen. Letztlich ist es auch eine Imagefrage. Tiere, die zu Schleuderpreisen abgegeben werden, gelten als Massenware, die wenig wertvoll ist. Rassehühner sind jedoch ein seltenes, lebendiges Kulturgut, das auch etwas kosten darf. 

Deshalb sollten die Rasseklubs Richtpreise festlegen, weil viele Züchterinnen und Züchter nicht wissen, wie viel sie für ein Huhn oder einen Hahn verlangen sollen. Bruteier sollten nicht unter zwei Franken verkauft werden, stammen sie doch von guten Zuchttieren und werden nach Grösse, Form und Farbe sortiert. Ein Eintagesküken sollte mindestens zehn Franken kosten und pro Lebenswoche müsste man mindestens einen Franken bekommen. Richtpreise bedeuten ja nicht, dass sich die Züchter daran halten müssen, sie hätten jedoch einen Anhaltspunkt. Und wenn man im Internet nach Bruteiern und Hühnern sucht, dann werden für Bruteier aus irgendwelchen Mix-Buntle gern bis zu fünf Franken verlangt – die Hähne dagegen werden verschenkt.

Die Rassegeflügelzüchter sind oft viel zu bescheiden und viel zu wenig stolz auf ihre wichtige Arbeit zur Erhaltung von alten Rassen, die schon im vorletzten Jahrhundert entstanden sind. Sie müssten viel mehr kommunizieren, wie wichtig unser Rassegeflügel als lebendiges Kulturgut ist und dass dies auch etwas kosten darf.