Dass innerhalb einer Hühnerschar eine klare Hierarchie besteht, wissen die meisten. Der Futterneid in der Gruppe ist derart gross, dass die rangniedrigsten Hennen nie Zutritt zur Futterquelle bekämen, wenn die Futterrinne so kurz wäre, dass nicht alle Tiere Platz daran fänden, und nur wenig Futter gereicht würde. Sie müssten elendiglich verhungern.

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Interessant ist aber auch, dass sich das Verhalten jedes einzelnen Tieres unterscheidet. Da gibt es die Zickigen, die alle Artgenossinnen, die sich der Futterquelle nähern wollen, sogleich wegpicken. Auch im Hof verhalten sie sich gegenüber ihren Kolleginnen oft aggressiv. Selbst bei bester Betreuung und viel investierter Zeit lassen sich solche Hennen kaum zähmen. Dann gibt es aber auch Hennen, die einem fast Schritt für Schritt nachtippeln. Man muss gar nicht besonders darum bemüht sein, sie anfassen zu können. Oft sind das die rangniedrigsten Tiere innerhalb der Gruppe. Vielleicht wollen sie sich sogar in die Obhut des Menschen oder eben des «menschlichen Hahnes» begeben. 

Der dritte und grösste Teil der Gruppe verhält sich so, wie man es sich allgemein gewohnt ist, sie sind die Pflegeleichten. Streitigkeiten sind eher selten und die rangniedrigste Henne wird die ranghöchste nie angreifen, sondern nur die Henne, die in der Rangordnung einen Rang höher steht als sie. 

Hühner kommunizieren auch. Am besten hört man das, wenn sie ein Ei gelegt haben und dies der Umgebung lauthals verkünden. Eine brütende Henne «gluckst», weshalb man im Volksmund auch davon spricht, die Henne sei glucksig oder man hätte wieder eine «Gluggere». Die Henne kommuniziert bereits mit dem werdenden Küken im Ei. Dadurch werden die Küken ihre Mutter auch später jederzeit erkennen, weil sich der Ton von Henne zu Henne unterscheidet. Es gibt Hennen, die jammern können, und andere, die ruhige Töne von sich geben, sodass man hören kann, dass sie zufrieden sind. Durch Mark und Bein geht einem der Ton, wenn sich ein Fuchs oder ein anderes Wildtier ins Gehege geschlichen hat. Nach einem solchen Vorfall sind die Tiere längere Zeit sehr scheu und flattern bei der geringsten Störung wild umher.

Ein Hahn verändert die Hierarchie
Wenn es ums Fressen geht, kennen die Hühner aber keine Gnade. Sie sind ausgesprochen futterneidisch. Es ist herrlich zu beobachten, wie fünf, sechs Hennen einer Kollegin nachrennen, die einen Leckerbissen gefunden hat, um ihr diesen abzujagen.

Ist kein Hahn in der Herde junger Hühner und diese beginnen mit dem Legen, kommt es nicht selten vor, dass Hennen von Hennen getreten (begattet) werden. Dies hat nichts mit gleichgeschlechtlicher Liebe zu tun. Es ist ein natürlicher Vorgang, weil die Henne getreten werden und dann Nachkommen produzieren möchte oder auch umgekehrt. Dabei sind es in der Regel die ranghöheren Hennen, die den Tretakt vollziehen. 

Es gibt jedoch auch Hennen, die sich auch von einem Hahn nicht treten lassen und sich ihm immer entziehen. Es ist meistens diejenige, die das Zepter übernehmen würde, wenn der Hahn fehlen würde. Will man von ihr unbedingt Eier zum Brüten haben, sollte man sie in einen nicht zu grossen Stall mit dem Hahn alleine setzen, so dass sie sich ihm nicht entziehen kann. Aber auch dies ist noch keine Gewähr, dass ihre Eier auch befruchtet sind. Die Henne kann die Kloake so verschlies­sen, dass keine Spermien eindringen können, oder sie gleich wieder ausstossen.

Ob ein Hahn in der Gruppe gehalten wird oder nicht, verändert die Rolle der einzelnen Hennen wesentlich. Nun ist es nicht mehr die Alpha-Henne, die bestimmt, was in der Gruppe läuft. Auch sorgt der Hahn für Ordnung, wenn sich zwei Hennen streiten. Er ist dann der Chef und übernimmt nicht nur die Rolle der ranghöchsten Henne, sondern ist auch der grosse Kavalier. Hähne sind sehr fürsorgliche Chefs. Nie würden sie einen Wurm, den sie gefunden haben, selber fressen. Sie rufen ihrer Hühnerschar und überlassen ihn der schnellsten. Oft wird die Henne dann auch gleich getreten. Beim Fehlen des Hahnes würde die ranghöchste Henne einen Wurm nie einer Artgenossin kampflos überlassen. Streitigkeiten lässt der Hahn gar nicht erst aufkommen. Er geht sogleich dazwischen, wenn zwei Hennen zu raufen beginnen.

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Gefieder der Henne gibt Aufschluss
Hat eine Henne ein zerzaustes Gefieder oder gar federlose Stellen auf dem Rücken, ist das ein Zeichen dafür, dass sie oft getreten wird. Dies ist wiederum ein Indiz dafür, dass sie eine gute Legerin ist. Hennen, die nicht legen, werden nämlich vom Hahn ignoriert, oder sie entziehen sich ihm. Auch Hennen mit intaktem Gefieder, das jedoch auf dem Rücken verschmutzt ist, sind Legerinnen. Der Schmutz kommt von den Füssen des Hahnes nach dem Besteigen.

Oft haben die Hennen nach einiger Legetätigkeit einen federlosen Fleck am Hinterkopf. Dies ist ein klarer Beweis dafür, dass sie vom Hahn befruchtet wird. Während des Tretaktes hält der sich nämlich mit dem Schnabel an den Federn des Kopfes oder Halses fest, damit er nicht runterfällt – und dabei fliegen oft Federn.

Hühner kennen nicht nur ihre Artgenossen, sondern auch ihre Betreuer. Ja selbst den Futterbehälter, mit dem man ihnen zuweilen einen Leckerbissen bringt, kennen sie, und sie kommen sogleich dahergerannt, wenn man diesen zum Hof trägt. Hat man diesen nicht dabei, interessieren sich die meisten nicht für den Züchter oder den Halter.

Jede Henne hat ihre eigene Persönlichkeit. Je mehr und länger man sich mit ihnen beschäftigt, je besser kann man sie und ihr Verhalten verstehen. Und dies hilft, sie möglichst artgerecht zu betreuen. Sie danken es mit einem fast täglichen Eiersegen.