Als Bauerntochter will meine Frau möglichst viele Eier und hält deshalb Legehybriden. Ich dagegen bin Rassegeflügelzüchter und störe mich nicht daran, dass meine Frau meine Zwerg-Welsumer als «Verlusthühner» bezeichnet. Was mich aber stört, ist, dass  man die zweijährigen Legehybriden, die keine oder nur noch dünnschalige Eier oder Windeier legen, dem Händler bei der Lieferung der neuen, jungen Hühner gegen einen Unkostenbeitrag zurückgeben kann und er diese dann entsorgt.

In der Tat werden heute alte Hennen meist getötet, zu Tierfutter verarbeitet, in die Biogas-Anlage gegeben oder sonst wie beseitigt. Das kann es doch nicht sein, dachte ich mir, und beschloss einen Versuch. Ich wollte unsere Hühner selber schlachten und probieren, diese als Suppenhühner an den Mann oder die Frau zu bringen. Schliesslich waren Suppenhühner früher mal etwas wert.

Nachfrage grösser als gedacht
Zuerst erstellte ich eine kleine Bestellliste für Suppenhühner, die ich neben die Eierkiste legte, die meine Frau jeweils für Kundinnen und Kunden vor die Haustüre stellt. Ich war gespannt, ob sich da überhaupt jemand einschreiben würde, hatte ich doch zehn Suppenhühner zu einem bescheidenen Preis darauf angeboten. 

Ich war doch sehr überrascht, dass die Liste schon nach einem Tag voll und die zehn Suppenhühner verkauft waren, bevor ich überhaupt eines geschlachtet hatte. Und für mich selber, der unbedingt auch wieder einmal ein Suppenhuhn kochen wollte, blieb keines mehr übrig. Mehr noch: Ich hatte sogar noch jemanden auf der Warteliste. Niemals hätte ich erwartet, dass ein frisches Freiland-Suppenhuhn auch in der heutigen Zeit noch so begehrt sein würde. 

Suppenhuhn-Rezept: Altes Huhn mit Reis
1 altes Huhn
2 Liter Wasser
300 Gramm Reis
1 Stück Butter, Salz, einige Nelken und Pfefferkörner, Zwiebeln

Das gut gereinigte Huhn wird roh in Stücke zerlegt, gesalzen, in Butter mit einigen Pfefferkörnern und Nelken gelb gebraten und eine länglich geschnittene Zwiebel dazugegeben, die man ein wenig mitbraten lässt; man giesst das Wasser dran und kocht es zugedeckt während
3 bis 4 Stunden weich. Die Brühe wird durchgesiebt, die Fleischstücke werden dazugegeben, über starkem Feuer schnell aufgekocht. Der rein gewaschene Reis wird eingerührt, etwa 30 Minuten zugedeckt gekocht, indem man zwei- bis dreimal darin rührt und ihn dann vom Feuer nimmt und etwa 10 Minuten im Dampf stehen lässt. Er wird samt dem Fleisch auf eine tiefe, runde Platte angerichtet.

Das Rezept stammt aus dem «Heinrichsbader Kochbuch» (um 1900) von Louise Büchi. Das Buch ist vergriffen.

Nun gab es kein Halten mehr. Ich musste die Hennen schlachten und beschloss zugleich, auch noch einige überzählige Junghähne meiner Zwerg-Welsumer zu Poulets zu verarbeiten. Also holte ich in unserem Vereinshaus die Geräte, mit denen ich die Schlachtkörper brühen und rupfen wollte. Vor gut einem halben Jahr hat meine Bezirksvereinigung einen Brühkessel und eine Rupfmaschine gekauft. Die wollte ich nun testen. 

Der Brühkessel ist mit einem Thermostat versehen, sodass die richtige Brühtemperatur genau eingestellt werden kann. Diese ist in der Beschreibung mit 58 bis 62 Grad angegeben. Bisher war ich der Ansicht, dass dies eher zu wenig ist. Nun, es dauerte unendlich lange, bis diese Temperatur erreicht war. Inskünftig würde ich heisses Wasser kochen, um dadurch das Aufheizen zu beschleunigen.

Nach einer Minute ist das Huhn blitzblank
Ich hielt mich also genau an die Betriebsanleitung und schaute sogar auf die Uhr, weil in der Anleitung stand, dass man die Tiere nur etwa 30 Sekunden ins Wasser tauchen und dabei immer etwas bewegen sollte. Die angegebenen Werte erwiesen sich als ideal. Wird zu heiss gebrüht, besteht die Gefahr, dass die Haut am Schlachtkörper aufgerissen wird und diesen dadurch entwertet.

Nach einer halben Minute kommen die Tiere in die Rupfmaschine. Die Trommel ist am Boden und auf der Seite mit Hartplastiknoppen versehen, wobei nur der Boden rotiert. Dadurch wird der Schlachtkörper in der Trommel herumgewirbelt und die Federn werden dem toten Tier entzogen. 

Nach etwa 30 Sekunden stellt man dann das Wasser an, das über einen Schlauch vom oberen Rand der Trommel die Federn wegspült. Diese werden auf der Seite ausgeworfen. Und nach nur einer weiteren halben Minute ist der Schlachtkörper blitzblank sauber gerupft. Kein einziges Tier hatte Verletzungen an der Haut oder gar, wie einige Kollegen befürchtet hatten, gebrochene Knochen.

Nun musste ich nur noch den Kopf, die Beine und die Eingeweide entfernen, die «Haare» abbrennen und fertig waren die Poulets. Oder fast, denn für viele Geflügelliebhaber gilt der Muskelmagen als Delika­tesse. Deshalb musste ich auch noch die Mägen aufschneiden und reinigen.

Für zwei, drei Hühner lohnt es sich nicht
Einige wenige Hühner hatten noch ein Ei oder vielmehr Eier im Bauch. Diese unvollständigen Eier, so erzählte mir einst eine Kolumbianerin, seien ganz besonders lecker in der Hühnersuppe. Sie sagte mir auch, dass ein Bauernhofhuhn in ihrem Heimatland etwa dreimal so viel koste wie ein Huhn aus dem Supermarkt!

Auch wenn das Brühen und Rupfen der Hühner gerade mal nur 90 Sekunden dauert, gilt es zu bedenken, dass die Geräte bereitgestellt und am Schluss gereinigt werden müssen. Deshalb lohnt es sich sicher nicht, die Geräte für das Schlachten von lediglich zwei oder drei Hühnern aufzustellen. Ich brauchte für das Schlachten der 23 Tiere mit Töten, Ausbluten, Rupfen, Schlachtkörper erstellen und Reinigen der Geräte im Durchschnitt etwa zehn Minuten pro Tier. Wenn man nur drei Tiere schlachten möchte, würde sich diese Zeit gut und gerne verdoppeln.

Die Idee aber, einen Schlachttag für den Verein / Klub zu organisieren, ist sicher prüfenswert. So könnte jedes Mitglied seine wenigen zum Schlachten bestimmten Tiere bringen und verarbeiten. Und weshalb sollte man bei der Gelegenheit nicht auch noch einen Fleischverwertungskurs und einen geselligen Anlass mit anhängen?

Hühnersuppe soll übrigens schon vor Jahrhunderten als bewährtes Hausmittel bei Erkrankungen der oberen Atemwege eingesetzt worden sein. Dass dies nicht nur ein Märchen ist, sondern tatsächlich zur Genesung hilft, wollen Forscher der Universität von Nebraska in einer im Jahr 2000 im Fachjournal «Chest» veröffentlichten Studie wissenschaftlich belegt haben.

Gion P. Gross demonstriert das Vorbereiten eines Suppenhuhns:

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