Es begann leise und unspektakulär. Anfang März starb ein gut dreimonatiges Jungtier bei Züchter B*. Zwei Tage später lagen erneut drei Jungtiere tot im Stall. Junge Kaninchen sind oft etwas heikel, jeder Züchter weiss, dass es zu Verlusten kommen kann. Dann aber starben eine Zuchtzibbe und tags darauf zwei weitere Kaninchen, die im oberen Stock des gleichen Stalles untergebracht gewesen waren. 

B. war klar, dass da eine Krankheit im Gange war, die nichts mehr mit der heiklen Jungtierphase oder gelegentlichen Abgängen zu tun hatte. Er schickte einen Kadaver zur Untersuchung ein und erhielt kurz darauf die niederschmetternde Nachricht: VHK V2. Dies ist die neue VHK-Virenvariante, die seit 2015 in der Schweiz ist: 2016 waren 19 Bestände von VHK V2 betroffen, nach der Impfpflicht 2017 sanken die Ausbrüche auf sechs betroffene Bestände. In diesem Jahr sind es bereits wieder acht Fälle.

Die tödliche Gefahr

Die virale hämorrhagische Krankheit VHK befällt Kaninchen und – im Fall der im Moment zirkulierenden Virenvariante V2 – auch Feldhasen. Betroffene Tiere scheinen teilnahmslos, Fieber kann auftreten, die Atmung erschwert sein. Oft sterben die Tiere, ohne Symptome gezeigt zu haben.
Verursacht wird die Krankheit durch ein Calicivirus. Die Ansteckung geschieht direkt von Tier zu Tier, aber auch über Urin und Kot, über Futter, Stroh, Heu, Gerätschaften oder Kleider. Die Inkubationszeit (Zeit zwischen Ansteckung und Krankheitsausbruch) beträgt 12 bis 36 Stunden. Die Krankheit ist extrem ansteckend, es genügen bereits wenige Viren dazu. Die meisten Tiere sterben innert 24 Stunden. Auch Jungtiere ab zwei bis drei Wochen können betroffen sein.

Verdacht auf VHK?
Den Kadaver möglichst rasch (A-Post oder Nachtexpress) und auslaufsicher in einem doppelten Plastiksack verpackt schicken an das Institut für Veterinärbakteriologie der Universität Zürich, Dr. Sarah Albini, Winterthurerstrasse 270, 8057 Zürich. Dazu gehört ein Begleitbrief mit folgenden Angaben: Adresse des Absenders, evtl. Adresse des behandelnden Tierarztes, Angaben zum Krankheitsverlauf. Bis das Resultat feststeht, dürfen keine Tiere den Bestand verlassen. Auch auf Besuche von und bei Züchterkollegen sollte man besser verzichten.

Abwarten und hoffen
Ist die Krankheit in einem Bestand ausgebrochen, bleibt nichts anderes als abzuwarten und zu hoffen, dass nicht alle Tiere verenden. Jetzt noch impfen, ist sinnlos. Die Tiere im Bestand sind bereits angesteckt; eine Notimpfung würde sie nur zusätzlich belasten und nichts mehr bringen. Eine Woche lang blieb es bei Züchter B. ruhig im Bestand, es gab keine weiteren Verluste mehr zu beklagen. Doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm.

Denn jetzt schlug die Seuche mit voller Wucht zu: Am folgenden Tag traf der schockierte Züchter auf elf tote Tiere. Und es ging weiter. Am Abend fütterte er Tiere, die keinerlei Anzeichen zeigten, sich aufs Futter stürzten und munter schienen. Am Morgen lagen die gleichen Kaninchen tot im Stall – zwölf Stück an diesem Tag. Am nächsten Tag weitere fünf. Täglich verendeten Kaninchen, bis die traurige Bilanz 72 tote Tiere betrug. 

Alle 55 geimpften Tiere hingegen überlebten, ohne jemals das geringste Anzeichen von Unwohlsein gezeigt zu haben. Darunter waren auch Tiere, die im Herbst 2016 geimpft worden waren. Der Schutz des von B. verwendeten Impfstoffes Filavac ist also ausgezeichnet und er bleibt sogar etwas länger erhalten als die angegebenen zwölf Monate. Eine jährliche Impfung bildet für die Tiere demnach einen zuverlässigen Schutz.

Auch ungeimpfte Tiere können überleben, im Bestand von B. waren das etwa 15 bis 20 Tiere. Diese scheiden aber über mehrere Wochen ansteckungsfähige Viren aus. So muss der Züchter damit rechnen, dass Jungtiere, die jetzt geboren werden, wiederum angesteckt werden und verenden. Selbst geimpfte Tiere, die mit VHK angesteckt wurden, aber natürlich nicht daran erkranken, können nach Auskunft der Leiterin des Instituts für Veterinärbakteriologie an der Universität Zürich, Sarah Albini, Viren ausscheiden. Die Impfung allein hingegen führt nicht zu Virenausscheidern, wie das unter Züchtern manchmal behauptet wird. 

Langjährige Zuchtarbeit vernichtet
Mit den verendeten 72 Tieren wurde ein Grossteil langjähriger Zuchtarbeit vernichtet. «Wer das nie erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, wie es ist», sagt B. Der Gang zu den Tieren in banger Ungewissheit, wie viele und welche Kaninchen jetzt tot im Stall liegen. Das Einsammeln der verendeten Tiere, der schwere Gang zur Kadaversammelstelle. Und nicht zuletzt das grosse Aufräumen: Die Viren sind sehr zäh und überleben lange in der Umwelt; auf Kleidung beispielsweise bleiben die Viren mindestens drei Monate infektiös. 

Der Mist darf weder gelagert, noch der Grünabfuhr mitgegeben werden; er enthält Viren, die noch über Monate infektiös bleiben. Er muss daher in Kehrichtsäcke abgefüllt und der Kehrichtverbrennung zugeführt werden. Alle Gerätschaften wie Mistgabel, Schaufeln, Besen müssen gereinigt und desinfiziert werden. Die Kleider müssen bei mindestens 60 °C gewaschen werden, besser bei 95 °C. Auch Schuhe und Stiefel müssen gereinigt und desinfiziert werden.

Die Ställe hat B. mit Javelwasser gewaschen und nach dem Trocknen mit einem Desinfektionsmittel behandelt. Nach zwei Wochen werden sie ein zweites Mal desinfiziert. Der Arbeitsaufwand ist immens. Keine Ecke, kein Fresstrog, keine Tränke darf vergessen werden. Und doch bleibt die Ungewissheit, ob die Seuche nochmals aufflammen könnte. Wie viele Jungtiere werden überleben? Bleiben Zuchtlinien erhalten oder muss der Züchter wieder bei Null anfangen? 

Die Impfpflicht für Ausstellungen dürfte in der nächsten Ausstellungssaison weiter gelten – aus gutem Grund. Und den Züchtern kann man nur raten, den gesamten Bestand zu impfen, damit ihnen die bittere Erfahrung eines VHK-Ausbruches erspart bleibt. 

* Name der Redaktion bekannt.