Gekachelte Wände, grosse, kalte Metalltische und ungewohnte, zuweilen übel riechende Duftwolken – die Atmosphäre in der Sektionshalle der Vetsuisse-Fakultät an der Universität Zürich ist gewöhnungsbedürftig. Auf einem der grossen Tische liegt das Untersuchungsobjekt, ein knapp fünf Kilogramm schweres Kaninchen mit unbekannter Todesursache. Mit gezielten Schnitten eröffnet Sarah Albini, Leiterin der Abteilung für Geflügel- und Kaninchenkrankheiten, den Tierkörper und macht sich auf die Suche nach dem Grund für das unerwartete Ableben des Langohrs.

Wenige Tage zuvor war Hoppel kerngesund. Der eineinhalb Jahre alte Rote Neuseeländerrammler war zwar leicht über dem Idealgewicht, frass aber wie üblich und präsentierte sich gekonnt in der antrainierten Bewertungspose. Bis er am nächsten Tag fast regungslos, lethargisch und sichtlich geschwächt im Stall lag und kurze Zeit später verendete. Wegen der unklaren Sachlage wurde mit der Abteilung für Geflügel- und Kaninchenkrankheiten telefonisch eine Sektion vereinbart.

Normalerweise kommen dort die toten Tiere gut verpackt mit der Paketpost an (siehe Box), werden fein säuberlich ausgepackt und mit einer Identifikationsnummer versehen. Als Erstes werden die Tiere gewogen und nach äusseren Merkmalen wie Markierungen (Ohrmarken, Tätowierung), aber auch Bisswunden abgesucht. Danach gilt das Augenmerk möglichen Ektoparasiten wie Milben: die schädlichen Raubmilben (Cheyletiella parasitivorax) fühlen sich im Bereich der Schultern meist besonders wohl, während die unbedenklichen Fellmilben (Leporacarus gibbus) vor allem im Beckenbereich heimisch sind; bei Hoppel wurden ein paar wenige Fellmilben gefunden.

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Zuerst kommen die Rippen
Anschliessend folgt die Sektion des Tieres. Albini hat mittlerweile den Brustkorb eröffnet und entnimmt Organ um Organ. Diese werden stets nach demselben Ablauf entnommen und auf Schalen angeordnet, sodass mögliche Auffälligkeiten in Farbe, Grösse, Form oder Konsistenz sofort erkennbar sind: zuerst die Rippen, die Lunge und das Herz sowie Luft- und Speiseröhre. Als Nächstes gilt die Aufmerksamkeit der Leber, den Nieren und dem Magen-Darm-Trakt.

Und siehe da, die Todesursache von Hoppel ist gefunden: eine Leberlappentorsion. Dabei dreht sich ein Leberlappen um seine eigene Achse und Blutgefässe werden abgeklemmt. Der Blutfluss ist gehemmt, das Blut staut sich und das Kaninchen stirbt schliesslich an Herz-Kreislauf-Versagen. Die genaue Ursache einer Leberlappentorsion ist unbekannt; Widderkaninchen – vor allem Zwergwidder – scheinen anfälliger zu sein, solide Daten fehlen jedoch. Eine Diagnose am lebenden Tier ist nur mit spezialisierten, gezielten Tests möglich, für das Überleben des Kaninchens ist in den meisten Fällen eine Operation angezeigt.

Diese Todesursache passt zur Beschreibung: «Das Kaninchen war plötzlich tot.» Insgeheim erhoffen sich die Fachleute der Universität Zürich jedoch weiterreichende Informationen zu den Tierkörpern, die zur Sektion eingesandt werden. So sind Angaben zur Haltungsform wie Einzel-, Gruppen- und Freilauf hilfreich, wenn es Verletzungen durch Artgenossen oder Raubtiere auszuschliessen gilt. Der Gesundheitszustand der anderen Kaninchen im Stall gibt Hinweise darauf, ob ansteckende Krankheiten oder grossflächige Probleme mit der Fütterung im Spiel sind. Und die medizinische Vergangenheit – etwa Impfungen oder zurückliegende Behandlungen – sind häufig gute Indikatoren, welche Spuren zu verfolgen oder verwerfen sind. 

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Nach den Organen widmet sich Albini weiteren Detailfragen. So gibt ein Schnitt ins Muskelfleisch, der Untersuch der Geschlechtsorgane oder der Aorta weiteren Aufschluss über eine mögliche Todesursache und den Gesundheitszustand. Wichtig ist auch Körperstellen zu überprüfen, die besonders von Infektionen betroffen sein können; bei Kaninchen ist dies insbesondere die Paukenhöhle. So bezeichnet man den Hohlraum des Mittelohrs, in dem sich die Gehörknöchelchen befinden. Dieser kann zuweilen vollständig mit Eiter mit Rückständen von Bakterien (häufig Pasteurella multocida) gefüllt sein. 

Bei Hoppel ist die Todesursache gefunden und die Sektion kann mit gutem Gewissen nach der makroskopischen Beurteilung der Organe abgeschlossen werden. Im Normalfall jedoch folgen weiterführende Untersuchungen: Proben von Leber, Magen und Darm, die unter dem Mikroskop analysiert werden, geben Auskunft über Parasiten wie den Blinddarmwurm oder die bekannten Kokzidien der Gattung Eimeria. Und bei Anzeichen von Infektionen bringen bakteriologische Analysen mehr Klarheit; diese dauern jedoch meist ein paar Tage. Viren schliesslich – wie die Erreger der Myxomatose oder der viralen hämorrhagischen Krankheit (VHK) – werden mit einem PCR-Test nachgewiesen; das gleiche Verfahren, das aktuell beim neuartigen Coronavirus des Menschen angewandt wird.

Kostenbeitrag von 150 Franken
Eine Sektion mit Bericht kostet zwischen 50 bis 60 Franken. Hinzu kommen die Kosten für weiterführende Untersuchungen, die für die Diagnose erforderlich sind. Dazu zählen etwa die Bakteriologie, Gewebedünnschnitte (Histologie) oder ein PCR-Test. So kann der Gesamtpreis auf 150 bis 200 Franken ansteigen. Gegebenenfalls entstehen zusätzliche Kosten für eine Kremation. Rassekaninchen Schweiz bezahlt seinen Mitgliedern pro Fall bis 150 Franken der Untersuchungskosten von verendeten Tieren, sofern der Schadenmeldung ein Untersuchungsbericht beiliegt. In aller Regel sind die Kosten dadurch gedeckt. In den Jahren 2015 bis 2020 sind so 21 Untersuchungen vergütet worden.

Eine grundsätzliche Aussage über die Gesundheit der Rassekaninchen in der Schweiz lassen die rückerstatteten Untersuchungen aber nicht zu, denn dafür sind es schlicht zu wenige. Sie können jedoch dem einzelnen Züchter helfen, allfällige Probleme in der Haltung und Zucht zu erkennen. Oder im Falle von Hoppel liefern sie die Bestätigung, dass die Haltung nicht zu bemängeln ist und dass das plötzliche Ableben reiner Zufall ist.