Es frisst nichts mehr und wirkt schlapp, fast apathisch. So beschreiben die meisten Katzenbesitzer die ersten Symptome, wenn sich das Büsi mit Katzenseuche angesteckt hat. Das wirkt noch nicht weiter schlimm, aber danach kann sich der Zustand des Tieres rasch verschlechtern. Mehr als die Hälfte der betroffenen Tiere stirbt innerhalb weniger Tage. Darum sind Angst und Sorge durchaus berechtigt. Aber der Reihe nach: Was verbirgt sich eigentlich genau hinter dieser gefährlichen Krankheit? Und wie steht es mit Schutzmassnahmen und Therapien?

Hier die wichtigsten Fakten:  Katzenseuche wird durch ein Virus ausgelöst. Es handelt sich dabei um das feline (= die Katze betreffende) Parvovirus. Hundebesitzer werden jetzt aufhorchen, denn Parvovirose gibt es auch bei Hunden. Die Erreger der Hunde-Parvovirose und der Katzenseuche sind eng miteinander verwandt, das Krankheitsbild ist ähnlich.

Auch Wohnungskatzen sind gefährdet
Katzen stecken sich meist nicht gegenseitig an, sondern auf indirektem Weg. Das passiert so: Eine betroffene Katze scheidet das Virus mit dem Kot aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Viren, die in der Aussenwelt schnell absterben, hält sich das Parvovirus extrem lang, es kann bis zu einem Jahr lang an Gegenständen haften und ansteckend sein. Kommt eine Katze vorbei und schleckt oder schnuppert an dieser Stelle, passiert es: Sie steckt sich mit Katzenseuche an. Wer jetzt denkt: «Mich betrifft das nicht, ich habe eine reine Wohnungskatze», sei gewarnt, denn Menschen tragen das Virus beispielsweise mit den Schuhen in Räume, in die sonst keine fremde Katze kommt. So erkranken auch immer wieder Wohnungskatzen. Und über Flöhe ist eine Infektion ebenfalls möglich. Grundsätzlich sind also alle Katzen gefährdet.

Am schlimmsten verläuft Katzenseuche bei Jungtieren, speziell im Alter von sechs bis zwölf Wochen. In dieser Phase bilden sich alle Antikörper, die die Jungen von der Mutter bekommen haben, zurück und jedes Tier muss seine eigenen Antikörper und sein eigenes Immunsystem aufbauen. Während dieser Zeitspanne hat es selber nur wenige Abwehrkräfte und ist besonders anfällig für Krankheiten. Die erste Impfung gegen Katzenseuche wird deshalb, wenn möglich, ab der 6. Lebenswoche empfohlen.

Weil Katzen auf dem Land in der Regel seltener geimpft sind als in den Städten, ist Katzenseuche vor allem in ländlichen Gebieten zu finden. Diese Erfahrung musste in den vergangenen Monaten auch Tierarzt Enrico Clavadetscher aus Dübendorf ZH machen, als er Bauern im Zürcher Oberland besuchte. Immer wieder stiess er auf infizierte Tiere. Und weil Katzenkinder besonders empfänglich für das Virus sind, gibt es jahreszeitliche Spitzen im Frühling und im Herbst.

Das Virus nistet sich zunächst im Rachenraum ein. Von dort breitet es sich rasch über den gesamten Körper aus. Herz, Darm, Knochenmark – wo schnelle Zellteilung stattfindet – greift es an. Nicht jedes infizierte Tier wird automatisch wirklich krank: Manche haben ganz unbemerkt die Krankheit durchgemacht, konnten sie aber gut abwehren. Doch wenn das Virus richtig zuschlägt, zeigen sich die ersten Symptome nach vier bis sechs Tagen. Bei der «akuten Form» fressen die Tiere nichts mehr und wirken abgeschlagen. Dann müssen sie oft erbrechen, bekommen Fieber, ein struppiges Haarkleid und teils massive Durchfälle. Eine noch schlimmere Variante ist die sogenannte «perakute Form»: Die Katze unterkühlt, fällt ins Koma und stirbt – manchmal innerhalb von nur zwölf Stunden und ohne eine Rettungsmöglichkeit.

Bessere Prognose für ältere Katzen
Eine Sonderform gibt es auch noch: Sie nennt sich «Ataxie-Syndrom» und betrifft trächtige Katzen, die sich anstecken. Der Nachwuchs dieser Tiere kann noch im Mutterleib sterben oder schwer geschädigt zur Welt kommen, weil die Entwicklung des Kleinhirns gestört wird. Dann haben die Katzenkinder Zitterattacken, Bewegungsstörungen, können Entfernungen nicht richtig abschätzen oder sind sogar blind.

Zum Tierarzt kommen am häufigsten Katzen, die unter der akuten Form leiden. Charakteristisch für die Katzenseuche ist ein massiver Abfall der weissen Blutkörperchen, deren Anzahl sich mittels einer Blutuntersuchung messen lässt. Doch gegen die Ursache der Krankheit lässt sich nur wenig tun. Im Wesentlichen geht es darum, den Flüssigkeitshaushalt des Körpers zu regulieren, die Katze benötigt also eine Infusion. Und sie muss in ihrem geschwächten Zustand vor weiteren Infektionen durch Antibiotika geschützt werden. Überstehen die kleinen Patienten mit intensiver, medizinischer Versorgung etwa fünf Tage, haben sie gute Chancen, sich wieder zu erholen. Häufig kommt das aber nicht vor. Grundsätzlich gilt: Je älter die betroffene Katze und je weniger schlimm der Verlust der weissen Blutkörperchen, desto besser ist die Prognose.

Gehäufte Fälle im Zürcher Oberland
Vorsorge ist auch hier die beste Medizin! Seit Jahrzehnten gibt es einen wirksamen Impfstoff. Richtig geimpft ist der schnurrende Liebling vor der schrecklichen Krankheit geschützt. Wissenschaftlich fundiert und von den veterinärmedizinischen Universitäten im deutschsprachigen Raum empfohlen ist folgendes Impfschema: 1. Impfung mit 12 Wochen, 2. Impfung mit 16 Wochen und eine 3. Impfung nach einem Jahr. Damit ist der grundlegende Schutz gegeben. Danach reicht die Katzenseucheimpfung im Abstand von 3 Jahren aus. Wird ein Kätzchen schon im Alter von sechs Wochen beim Tierarzt vorgestellt, kann es sofort gegen Katzenseuche geimpft werden.

Aber Impfungen kosten Geld, und auf Bauernhöfen kommt die Botschaft nur langsam an, dass die Gesundheit fleissiger Mäusefänger auch etwas wert ist. Enrico Clavadetscher ist im Zürcher Oberland aktuell intensiv mit dem Impfen und Kastrieren von Bauernhofkatzen beschäftigt. Dazu braucht er die Kooperationsbereitschaft der Landwirte. Tierärzte in anderen Regionen geben laut der «Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte» Entwarnung. Aber da betroffene Bauernhofkatzen so gut wie nie zum Tierarzt gebracht werden, bleiben gewiss viele Todesfälle unerkannt. Impfmüdigkeit gewissenhafter Tierbesitzer kommt zwar vor, spielt bei der Verbreitung der Katzenseuche aber allenfalls eine untergeordnete Rolle.