Eine Katze zu streicheln, so möchte man meinen, ist keine besonders gros­se Kunst. Etliche Katzen sehen das allerdings anders. Bisweilen quittieren sie Annäherungen, die zu grob sind, zu lange dauern, sich mit den falschen Körperstellen befassen oder in anderer Weise nicht nach ihrem Geschmack sind, gar mit Bissen und Kratzern. Ob es eine schwierig zufriedenzustellende Samtpfote war, die die Psychologin Susan Soennichsen 2017 dazu inspirierte, wissenschaftlich zu untersuchen, an welchen Körperstellen Katzen eigentlich am liebsten liebkost werden, ist nicht bekannt. 

Für die Studie liess die Neuseeländerin insgesamt neun Hauskatzen an jeweils vier Körperstellen streicheln. Drei – die Schläfe zwischen Auge und Ohr, die Region um Lippen und Kinn und der Schwanzansatz – waren vorgegeben. Die vierte Stelle durften die Teststreichler selber wählen, anders als die drei vorgegebenen Regionen durfte sie aber nicht in Nähe der Duftdrüsen liegen. 

Insgesamt zwölf auf verschiedene Tage verteilte Schmusestunden lang beobachteten die Wissenschaftler die Reaktionen der Katzen. Das Ergebnis: Die Lieblings-Streichelstelle der Katzen war die Schläfenregion, Platz zwei teilten sich die Lippenregion und die Körperstelle ohne Duftdrüse. Auf dem letzten Rang landete die Schwanzregion.

Ein Ranking, von dem Katzenpsychologin Isabella Matheis aus Dörflingen SH überrascht war. «Die Katzen, mit denen ich es bisher zu tun hatte, wurden und werden besonders gerne an den Wangen, unterm Kinn und hinter den Ohren gestreichelt. Und gerade zu scheuen Tieren bekommt man meiner Erfahrung nach oft über das vorsichtige Kraulen des Schwanzansatzes Zugang.» 

Nun ist eine Studie mit nur neun Teilnehmern und ohne Vertreter verschiedener Katzenrassen auch nicht wirklich repräsentativ, gibt aber immerhin Anhaltspunkte. Viel wichtiger, als sich auf bestimmte Körperstellen zu konzentrieren, so der Rat von Isabella Matheis, sei es sowieso, auf die Körpersprache der jeweiligen Katze zu achten. «Katzen lassen sich nicht in Schubladen pressen. Was für die eine das höchste Schmuseglück ist, gefällt der nächsten überhaupt nicht.» Zeichen für ausgesprochenes Wohlbefinden sind natürlich Schnurren, aber auch Treteln sowie das Reiben am Menschen. Spätestens, wenn die Katze unruhig wird, die Ohren anlegt, mit dem Schwanz schlägt, mit den Lidern flattert oder leise knurrt, wird es Zeit aufzuhören, denn diese Signale kündigen Fauchen, Beis­sen und Kratzen an. 

Tolerieren heisst nicht geniessen 
Neben dem «Wo» ist natürlich auch das «Wie» entscheidend: Die meisten Katzen bevorzugen ruhiges, sanftes Kraulen und Streicheln. Hektische, grobe Bewegungen, Tätscheln und gegen den Strich streicheln kommen dagegen weniger gut an. Zum richtigen Schmusen gehört auch, die persönlichen Vorlieben und die Freiheit einer Katze zu respektieren. «Katzen kann man nicht zum Schmusen zwingen, man muss sie überzeugen», sagt Matheis. Für die Praxis heisst das, die Katze mit dem Streicheln nicht zu überrumpeln, sie nicht ohne Vorwarnung auf den Arm zu nehmen oder auf dem Schoss festzuhalten, weil man sie streicheln möchte. «Es gibt zwar Tiere, die das tolerieren, aber besser für die Bindung und das Wohlbefinden der Katze ist es in jedem Fall, wenn die Katze zum Menschen kommt.»

Die Erfahrung der Katzenpsychologin ist seit 2013 auch wissenschaftlich belegt: In einer Studie an der brasilianischen Universität Sao Paulo fand man heraus, das bei Katzen, die das Streicheln nicht offensichtlich genies­sen, wohl aber tolerieren, messbar der Cortisol-Spiegel, also der Stresslevel steigt. 

Um Stress zu vermeiden, sollte man gerade fremden Katzen zur Begrüssung erst einmal die Hand reichen und zwar so, dass sie sich zwar in der Nähe der Katze befindet, diese aber noch nicht berührt. Dann kann das Tier in Ruhe schnuppern und das Angebot entweder ignorieren oder eben auch ihr Köpfchen an den Fingern reiben. Scheueren Katzen fällt die Annäherung manchmal leichter, wenn der Mensch auf dem Boden sitzt. Reicht auch das nicht, etwa weil die Katze mit Menschen bislang nur wenig oder schlechte Erfahrungen gemacht hat, so der Tipp von Isabella Matheis, sollte man ruhig Leckerchen füttern, während man die Katze vorsichtig anfasst. «Aus einem sehr zurückgezogenen, ängstlichen Tier eine Schmusekatze zu machen, braucht Ruhe, Zeit und Geduld, ist aber möglich.» 

Wenn Katzen plötzlich beissen
So viele individuelle Vorlieben es auch geben mag, in einem Punkt sind sich die meisten Katzen einig: Der Bauch ist tabu. Das gilt oft sogar dann, wenn sich die Katze auf den Rücken rollt, also geradezu eine Einladung ausspricht, das weiche Bauchfell zu kraulen. Doch von einigen Ausnahmen abgesehen, reagieren die meisten Stubentiger auf die Berührung früher oder später mit Kralleneinsatz. Es wird vermutet, dass sie ihre empfindlichste Körperpartie so ganz instinktiv vor möglichen Angriffen schützen wollen. 

Doch auch wenn man sich vom Bauch fernhält, kann es vorkommen, dass die Katze beim Schmusen plötzlich beisst. Unangenehm für den Besitzer, aber oftmals positiv gemeint. «Das können die sogenannten Liebesbisse sein, die sich auf das Paarungsverhalten von Katzen zurückführen lassen, in der Regel aber eher zart sind», erklärt Matheis. Auslöser für einen Biss könne aber auch sein, dass der Besitzer eine besonders kitzelige Stelle berührt oder Abwehrsignale der Katze zu lange übersehen hat. 

Unausgelastete Katzen versuchen gelegentlich, die Schmusestunde in eine Jagd zu verwandeln und machen die Hand zur Beute. Mit der Hand raufen lassen sollte man die Katze in so einem Fall natürlich nicht. Wohl aber Plüschmäuse, Katzenbälle, Angeln oder andere Katzenspielzeuge anschaffen und neben der Schmusestunde regelmässig mit der Katze spielen. 

Lässt sich eine bislang verschmuste Katze plötzlich nicht mehr gerne anfassen und reagiert sie vielleicht sogar aggressiv, kann das ein Zeichen für gesundheitliche Probleme sein. Die Ursachen sollte man unbedingt beim Tierarzt abklären lassen.