Neue Gerüche, neue Geräusche, neue Gepflogenheiten: Zieht ein Baby ein, ändert sich alles. Das kann nicht nur die Eltern an ihre Grenzen bringen. Auch für Katzen bedeuten grosse Veränderungen oftmals Stress. Daher ist es ratsam, sie Schritt für Schritt an den Familienzuwachs heranzuführen. Tierärztin Andrea Heiniger aus Wermatswil ZH ist spezialisiert auf Verhaltensmedizin bei Hunden und Katzen. Sie sagt: «Katzenhalter, die sich ein Baby wünschen, sollten früh überlegen, wie das spätere Zusammenleben aussehen soll.» 

So sollte geklärt sein, ob und welche Tabuzonen es für die Katze gibt. «Ich empfehle das Kinderbettchen zur absoluten Tabuzone», sagt Heiniger. Auch das Babyzimmer sollte die Katze nur noch betreten, wenn ein Erwachsener dabei ist. Gleichzeitig braucht auch die Katze einen störungsfreien und ruhigen Schlafplatz. Zudem muss sie ungestört fressen und trinken können. Auch der Standort des Katzenklos muss eventuell neu gewählt werden. Erst wenn man sich diese Gedanken gemacht hat, kann man mit den Vorbereitungen beginnen.  

Neue Schlaf- und Rückzugsplätze macht man seiner Katze mit Leckerli oder neuen Spielsachen schmackhaft. Die meisten Katzen mögen Orte, von denen aus sie einen guten Überblick haben und dennoch etwas versteckt sind. Idealerweise wahlweise dort, wo sich die Familie oft aufhält, wie auch etwas abgeschiedener. Heiniger: «So kann die Katze selbst entscheiden, ob sie mittendrin oder nur am Rande am Familienleben teilnimmt.» Sind Stubenwagen, Kinderbett oder Schlafzimmer für die Katze tabu, sollte man diese schon Wochen vor Ankunft des Babys möglichst unattraktiv für das Tier machen.  Beispielsweise indem man Knisterpapier oder andere unangenehme Dinge reinlegt. Lässt sich die Katze davon nicht abschrecken, nimmt man sie immer wieder freundlich auf den Arm und hebt sie raus. Weiter sollte die Türe zum Babyzimmer immer verschlossen sein, wenn sich niemand darin aufhält. 

An Babygeräusche gewöhnen  
Katzen haben ein sehr gutes und empfindliches Gehör. Damit die Katze später nicht zu sehr durch Geschrei und Weinen aufgeschreckt wird, kann man sie im Vorfeld mit Aufnahmen von typischen Babygeräuschen konfrontieren. «Die Töne sollten anfangs leise abgespielt und die Lautstärke allmählich erhöht werden», rät Heiniger.

Muss der Standort fürs Katzenklo gewechselt werden, empfiehlt es sich, frühzeitig damit zu beginnen und der Katze mehrere Möglichkeiten zu bieten. Denn nicht jeder Standort wird angenommen. Achtung: Für Wohnungskatzen gilt die Regel: Anzahl Katzen plus ein Klo.

Es kann sich auch lohnen, die Katze vor Ankunft des Babys nochmals von einem Tierarzt durchchecken zu lassen. «Krankheit und Schmerz senken die Stresstoleranz und können die Zusammenführung erschweren», sagt Heiniger. Zudem sei es auch sinnvoll, die Katze nochmals zu entwurmen und mit einem Floh- und Zeckenmittel zu behandeln.  

Zu Beginn soll die Katze die Möglichkeit erhalten, den neuen Mitbewohner erst einmal aus der Ferne zu betrachten.  Auf keinen Fall  das Baby der Katze vor die Nase halten, warnt Heiniger. Das überfordere viele Tiere. «Sie rennen dann entweder verschreckt weg oder schlagen mit den Pfoten nach dem Baby.» Weil sie dies aus Angst tun, sind dann meist auch die Krallen ausgefahren. Die Verhaltensmedizinerin rät daher, der Katze ein bis zwei Tage Zeit zu geben, sich an das neue Geschöpf zu gewöhnen. «In dieser Zeit kann man der Katze mit dem Baby auf dem Arm Leckerli zuwerfen oder mit einer Angelrute mit ihr spielen.» So kann die Katze aus sichere Distanz mit dem Baby Kontakt aufnehmen. Weiter kann man ihr getragene Babykleider zum Beschnuppern geben. 

In einem nächsten Schritt kann man sich mit dem Baby beispielsweise auf dem Arm aufs Sofa setzen und die Katze darf sich auf der anderen Seite dazulegen. Indem man sie streichelt oder mit Leckerli versorgt, wird ihr das Gefühl vermittelt, das Baby sei ungefährlich. «Die Katze verknüpft das Kind so mit etwas Positivem. Und immer wenn das Baby da ist, geht es auch der Katze besonders gut», sagt Heiniger.

Am wichtigsten ist, dass die Katze im Alltag all ihre Bedürfnisse ohne Angst und Stress befriedigen kann. Daneben braucht sie ausreichend Beschäftigung und Sozialkontakte. «Das ist am Anfang die grösste Herausforderung für die Eltern», sagt Heiniger. «Denn fürs Zusammenwachsen ist es wichtig, dass man sich nicht nur dann mit der Katze beschäftigt, wenn das Baby im Bettchen liegt und schläft.» 

Freigänger können abwandern
Neben Leckerli und vielen Streicheleinheiten können auch künstlich hergestellte Pheromone für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Diese gelangen über einen Verdampfer (Feliway) in die Luft und sind für den Menschen völlig unbedenklich. Die Verhaltensmedizinerin empfiehlt, sie in den ersten Monaten einzusetzen. «Am besten man beginnt damit, schon eine Woche bevor das Baby einzieht.»

Daneben gibt es verschiedene Futterzusätze, die angstlösend wirken. In ganz schwierigen Fällen kann man auch angstlösende Medikamente einsetzen. Wenn die Zusammenführung nicht klappt, sollte man sich in jedem Fall schnell fachliche Hilfe holen. 

Anzeichen dafür können sein, dass die Katze unsauber wird oder sich mehr und mehr zurückzieht. «Die ersten Tage kann dies noch okay sein», sagt Heiniger. Der Zustand dürfe aber nicht länger als zwei Wochen anhalten.  Gerade bei Freigängern besteht dann die Gefahr, dass sie sich ein neues Zuhause suchen. «Freigänger haben zwar den Vorteil, dass sie gehen können, wenn es ihnen zu viel wird», erklärt die Verhaltensmedizinerin. «Es kann aber auch sein, dass sie sich so der Auseinandersetzung mit dem Baby entziehen und immer seltener nach Hause kommen.»  

Man müsse Wohnungskatzen und Freigänger darum gleichermassen an die neue Situation gewöhnen. «Je geschickter man die Zusammenführung angeht, umso grösser ist die Erfolgsrate», sagt die Verhaltensmedizinerin. Nur in seltenen Fällen sei die Anpassungsfähigkeit der Katze so überfordert, dass man sie umplatzieren müsse. «Die meisten Katzen gewöhnen sich an Babys.»