Der Sattelgurt spannt und lässt sich selbst im letzten Loch kaum mehr schliessen: Meistens ist das der Moment, in dem Pferdebesitzer beschliessen, ihrem vierbeinigen Liebling die Leckerlis zu streichen und ihn auf «FdH» zu setzen. Doch erstens ist das mit der «Friss-die-Hälfte»-Diät für Pferde keine gute Idee, da ihr Verdauungstrakt nicht auf lange Hungerpausen eingestellt ist. Zweitens ist der Bauchumfang ein unzuverlässiger Indikator für Übergewicht beim Pferd. Ein dicker Hängebauch kann auch von schlaffen, untrainierten Bauchmuskeln herrühren oder einer temporären starken Füllung des Dickdarms mit grossen Mengen an Gras, Heu oder Stroh. Auch eine extreme Verwurmung kann zu einem dicken Bauch führen.

Das optimale Gewicht eines Pferdes lässt sich nicht mit Formeln errechnen oder aus Tabellen ablesen. Dafür sind die einzelnen Pferde je nach Rasse, Typ und Trainingszustand zu unterschiedlich. Bei einem austrainierten Rennpferd kann man selbst im optimalen Fütterungszustand die Rippen erkennen, während ein Kaltblutpferd mit mächtigem Hals und herzförmiger Kruppe noch lange nicht dick sein muss.

Schwerwiegende Folgen für Pferde
Es gibt allerdings ein paar eindeutige Hinweise auf Übergewicht. Fährt man dem Pferd mit den Fingern über die Rippen, sollten diese deutlich zu fühlen sein. Spürt man nichts, ist das Pferd zu fett. Der Mähnenkamm darf gut gepolstert sein, das Fett aber nicht höher als vier bis fünf Zentimeter stehen und die Halswirbel sollten noch ertastbar sein. Die Kruppe darf rund sein, aber nicht zu massig. Auch hinter der Schulter und rund um den Schweif ansatz sind kleine Fettpölsterchen in Ordnung, doch werden sie überdeutlich und schwabbelig, ist das ebenfalls ein Anzeichen dafür, dass der Vierbeiner zu gut im Futter steht. Besonders anfällig für Übergewicht sind leichtfutterige Rassen, zu denen die meisten Ponys gehören, Haflinger, Island- und Fjordpferde, Freiberger oder Kaltblüter.

Starkes Übergewicht wirkt sich mit der Zeit negativ auf die Gesundheit aus. Erste Anzeichen sind eine verschlechterte Kondition bei erhöhter Pulsfrequenz und Kurzatmigkeit nach dem Training, verstärktes Schwitzen und eine schlechtere Regenerationsfähigkeit. Das Herz-Kreislauf-System wird überlastet, ebenso der Bewegungsapparat mit Gelenken, Sehnen und Bändern, was zu einem schnelleren Verschleiss und einem erhöhten Risiko für Lahmheiten führt. Auch eine vermehrte Anfälligkeit für Kreuzverschlag, Hufrehe und Stoffwechsel-Krankheiten wie Cushing sowie das Equine Metabolische Syndrom (EMS) stehen im Zusammenhang mit dem Gewicht. Werden dem Pferdebesitzer die Folgen des Übergewichts bewusst, ist schnell klar: rund ist nicht gesund und der Speck muss weg!

Radikale Hungerkuren sind gefährlich
«Dem Übergewicht liegt eine simple Formel zugrunde: es wurde mehr Energie aufgenommen als verbraucht», sagt der Diplom-Agronom und Fütterungs-Experte Pierre Matile aus Rubigen BE. Pferde, die nur leicht übergewichtig und sonst gesund sind, können erfolgreich abnehmen, wenn man diese Formel umdreht: Die Energiezufuhr drosseln, indem man in einem ersten Schritt die Extras wie Leckerlis und Brot streicht und gleichzeitig die Bewegung erhöht.

Eine rigorose Diät ist jedoch genauso Gift wie die drastische Erhöhung des Bewegungspensums bei untrainierten Pferden. Bei Futterentzug droht die Gefahr einer Hyperlipidämie: Setzt der Organismus auf einmal grosse Mengen an Fett frei, kann die Leber diese nicht mehr verarbeiten, das Fett gelangt ins Blut und es kann zu lebensbedrohlichem Leber- und Nierenversagen kommen. «Die Gewichtszunahme ist nicht von heute auf morgen entstanden, es braucht daher auch Zeit und Geduld, um die Kilos wieder loszuwerden», sagt Pierre Matile. 

Bei Pferden, die alt, gesundheitlich angeschlagen oder extrem übergewichtig sind, sollte vor Diätbeginn ein Tierarzt zurate gezogen werden. Bei ihnen ist die Gewichtsabnahme ein langfristiges Projekt und eher eine Ernährungsumstellung als eine Diät. Doch auch hier ist der erste Schritt das Einsparen von Kalorien. Das geht am einfachsten über eine allmähliche Reduktion des Kraftfutters, das in der Regel ohne Gefahr für die Gesundheit gekürzt oder ganz weggelassen werden kann. Gesunde Pferde, die weder in der Landwirtschaft arbeiten noch Spitzensportler sind, kommen ohne Kraftfutter zurecht. 

Damit der Vierbeiner zur Fütterungszeit nicht frustriert vor der leeren Krippe steht, während seine Stallkollegen fressen, kann man einige Karotten oder eine Handvoll energiearmes, faserreiches Stehfutter verabreichen. «Da Raufutter die benötigte Nährstoffpalette nicht vollständig abdeckt, empfiehlt sich ausserdem die Zugabe eines ausgewogenen Vitamin- und Mineralstoffpräparates», sagt Futterexperte Matile.

Ein weiterer Dickmacher neben dem Kraftfutter ist das Gras «fetter» Weiden, deren Zusammensetzung auf den Ernährungsbedarf von Hochleistungskühen ausgerichtet ist. Für moppelige Pferde ist dieses frische Grün zu energiereich. Die Weidezeit sollte man allerdings nur in drastischen Fällen verkürzen, schliesslich ist der tägliche Weidegang wichtig für den Gemütszustand und die Gesundheit des Pferdes. Hat man die Möglichkeit, lässt man reichhaltige Weiden vorgängig von Rindern abweiden oder noch besser: Man stellt das Pferd auf eine Magerwiese. 

Hungerzeiten unbedingt vermeiden
Die nächste Herausforderung stellt das Raufutter dar. «An der Heumenge darf nicht gespart werden», sagt der Fütterungs-Fachmann Pierre Matile. Sonst kommt es aufgrund der mangelnden Kautätigkeit und des fehlenden Speichels zu einer Übersäuerung. Die Folge können Koliken, Magen- und Darmentzündungen oder Magengeschwüre sein. Zu dicke Pferde dürfen keinen unbegrenzten Zugang zu Raufutter haben, die empfohlenen 1,5 Kilo pro 100 Kilo Körpergewicht sollten aber eingehalten werden. 

Optimal ist spät geschnittenes, faserreiches und dadurch energieärmeres Heu. Es sollte auf mehrere Portionen am Tag verteilt werden, damit die Verdauung nie lange untätig bleibt. Länger als drei bis vier Stunden darf ein Pferd nie völlig ohne Raufutter sein! Bewährt hat sich die Verwendung eines engmaschigen Heunetzes: Das Pferd ist länger beschäftigt und frisst langsamer. Steht das Pferd auf Stroh, sollte man sich überlegen, die Einstreu auszutauschen zum Beispiel durch Holzspäne. Denn erstens wird der Energiegehalt von Stroh unterschätzt – es hat immerhin zwei Drittel der Kalorien von Heu – zweiten drohen Verstopfungskoliken, wenn das Pferd seinen Appetit mit grossen Mengen an Stroh stillt. 

Um erfolgreich abzuspecken, muss der Energieverbrauch zusätzlich durch viel Bewegung angeheizt werden. Das Trainingspen sum des vierbeinigen Pummelchens sollte langsam, aber kontinuierlich gesteigert werden. Den besten Effekt auf die Fettverbrennung hat auch beim Pferd das Ausdauertraining in einem langsamen bis mittelschnellen Tempo. Lassen es Konstitution und Kondition zu, dürfen das pro Woche durchaus mehrere Ausritte mit einer Dauer von zwei bis drei Stunden sein, am besten im schnellen Schritt und mit langen Strecken im Arbeitstrab. Durch das Training verbunden mit einer energiereduzierten Ernährung wird der Vierbeiner in einigen Monaten wieder rank und schlank.