Ein Küsschen hier, ein Küsschen da. Günther Weber ist mit seinen Katzen in Schmusestimmung. Obwohl seine Laune eigentlich im Keller ist. Weber ist wütend und zugleich enttäuscht. «Ich bin ein Opfer von Behördenwillkür. Der Kanton will mich fertigmachen. Mein Katzenasyl soll geschlossen werden. Das ist ihr Ziel.» Der 71-Jährige ist in den vergangenen zwei Jahren in den Fokus der Behörden geraten. Ihm werden Tierschutzverstösse sowie Betrug und Veruntreuung vorgeworfen. Im November 2020 gab es einen Bundesgerichtsentscheid zu den Tierschutzverstös­sen. Dazu aber später mehr.

Seit 1986 leitet Weber in Buckten BL das «Katzenasyl zur letzten Zuflucht» (siehe «Tierwelt» Nr. 39 / 2016). Hier finden Büsi, die kein Tierheim aufnimmt, ein Zuhause. Weber kümmert sich um nicht stubenreine, invalide oder chronisch kranke Katzen. Zudem leben bei ihm auch verwilderte Katzen und Tiere von Sozialfällen, die sich die Aufnahmegebühr in einem Tierheim nicht leisten können. «Ich biete Katzen eine Alternative zum vorzeitigen Tod», erklärt Weber. In Tierheimen müsse man bis zu 500 Franken zahlen, um seine Katze dort abzugeben. Tierheime lebten von Ferientieren und Vermittlungsgebühren, wenn sie Tiere neu platzieren.

Hausdurchsuchung nach Anzeige
«Das gibt es bei mir alles nicht. Wir finanzieren uns alleine durch Spenden und mein privates Geld. Wir sind kein gewerbsmässiges Tierheim, das staatliche Gelder erhält.» Und Weber betont: «Mein Angebot wird gerne in Anspruch genommen, wenn gar nichts mehr geht. Auch Tierheime vermitteln uns. Doch nun werde ich als Chaot und Tiermessie dargestellt.» Viele Gönner hielten aber noch zu ihm und spendeten Geld. Schon bis zu 155 Katzen lebten im Katzenasyl. Weber erledigt viel in Eigenarbeit. «Viele sagen, sie helfen mit. Aber wenn es darauf ankommt, bleibt doch viel an mir hängen», sagt Weber, der Erfahrung als Tierambulanzfahrer hat und eine Tierpfleger-Prüfung abgelegt hat.

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Ein Paar, das bei ihm im Katzenasyl gearbeitet hat, erstattete im 2018 Anzeige wegen Tierschutzverstössen und Veruntreuung von Spendengeldern. «Das war ein Racheakt, weil ich die beiden entlassen musste», sagt Weber. Am 11. September 2018 führte das Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (ALV) des Kantons Basel-Landschaft deshalb beim Katzenasyl eine Kontrolle durch. Das Fazit: Es bestehe bei den Katzen dringender Handlungsbedarf bei Pflege, medizinischer Betreuung und Beschäftigung. Zudem sei zu wenig Personal für die Betreuung der rund 80 Katzen vorhanden. Am 5. April 2019 verfügte das ALV verschiedene Massnahmen. Pro 20 Katzen brauche es einen Betreuer, zudem seien die Katzen jeden Monat von einem Tierarzt zu untersuchen.

Das ALV forderte auch die Einrichtung eines Quarantäneraums im Katzenasyl sowie eine Bewilligung zur gewerbsmässigen Katzenhaltung. «Meine Tiere leben seit Monaten oder Jahren in einer Gruppe. In diesem Fall ist es wegen der Inkubationszeit gar nicht sinnvoll, eine Quarantäne einzurichten», erklärt Weber. Er betreibe kein gewerbsmässiges Tierheim mit Rezeption, Telefonzentrale oder Tiervermittlung, weshlab er keine Besucherströme zu betreuen habe. «Ich habe viel Zeit, mich um die Katzen zu kümmern, und brauche nicht noch Personal», sagt Weber.

14 Katzen eingeschläfert
Gegen die Massnahmen des Veterinäramtes legte Weber Beschwerde beim Regierungsrat, dann beim Kantonsgericht ein. Er verlor jeweils und zog den Fall ans Bundesgericht. Dessen Urteil vom November 2020: Die vom ALV gegen das Katzenasyl verhängten Massnahme seien rechtens («Tierwelt online» berichtete). Eine Sache wurde revidiert: Weber muss sich nicht wie vom Veterinäramt gefordert 20 Minuten um jede Katze pro Tag persönlich kümmern.

Vor allem der 5. August 2019 ist Weber in schlechter Erinnerung geblieben: Damals kamen Polizisten und Vertreter des ALV erneut zu einer Hausduchsuchung vorbei. Kurz vor 8 Uhr. «Meine Mitarbeiterin wollte gerade wie jeden Tag die Katzenkistchen putzen. Aber die Behörden trafen vorher ein und dokumentierten alles.» Die noch nicht fertig montierten Katzennetze im Aussengehege oder die nach einem Wasserschaden noch nicht in Stand gestellten Wände wurden fotografiert. «Es wurde so hingestellt, als sei alles verlottert.» Er selber sei nie angehört worden. Seine später eingereichten Dokumente und Fotos wurden gemäss Weber von den Behörden gar nie gesichtet.

Das Schlimmste für ihn: Das Veterinäramt beschlagnahmte 22 Katzen. Dagegen erhob er Beschwerde. Der Regierungsrat hob jedoch die aufschiebene Wirkung auf. Amtliche Dokumente belegen, dass 14 davon bis im Oktober 2019 auf Erlaubnis des Veterinäramtes durch einen Tierarzt getötet wurden. Er habe weder sein Einverständnis dazu gegeben noch sei er darüber informiert worden.

War das rechtens? Die Stiftung für das Tier im Recht erklärt allgemein auf Anfrage: Behörden können Tiere beschlagnahmen, wenn diese vernachlässigt oder unter schlechten Bedingungen gehalten werden. Nach einer definitiven rechtskräftigen Beschlagnahmung hat der Halter kein Mitspracherecht mehr, was mit den Tieren passiert. Die Beschlagnahme kann angefochten werden. Im Einzelfall kann es sein, dass die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels aufgehoben wird und leidende Tiere getötet werden dürfen – auch wenn noch kein definitiver Entscheid vorliegt.

Tötung wirft Fragen auf
«Meine anderen acht Katzen sind irgendwo in einem Tierheim», sagt Weber. Die getöteten Tiere hätten keine lebensbedrohliche Krankheit gehabt – eine Notfalleuthanasie dürfe doch nur bei tödlichen Krankheiten gemacht werden. «Steht dem Tier ein qualvolles Sterben bevor? Wenn ja, dann gibt es auch für mich keine andere Entscheidung als die Euthanasie. Aber nur dann.» Er habe selber gehört, dass seine Katzen wegen eingeschränkter Lebensqualität, unter anderem wegen Zahnstein und Zahnfleischentzündungen, getötet worden seien.

Das ALV stellte bei der Durchsuchung am 5. August 2019 an 40 Katzen Gesundheitsmängel fest. Dokumentiert wurden Katzen mit entzündeter Schleimhaut, schlechtem Gebiss, Katzenschnupfen, verfilztem Fell. Weber dazu: «Die Tiere sind nicht schlecht gehalten. Es handelt sich oft um altersschwache und gebrechliche Katzen», wehrt er sich. «Ich hatte vor, mit den kranken Tieren zum Tierarzt zu gehen. Ich war mit ihnen regelmässig beim Tierarzt.»

Die Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion BL erklärt: «Die beschlagnahmten Katzen waren teilweise in einem so desolaten Zustand, dass jede Behandlung zu spät kam. Die Wahrung der Tierschutzgesetzgebung ist eine Hauptaufgabe des Veterinärdienstes.» Die Beschlagnahmung der Katzen sei ein laufendes Verfahren, weshalb das ALV dazu keine Stellung nehmen könne. Die Tötung der Katzen durch das ALV wirft Fragen auf. Denn das Bundesgericht hält im Urteil fest: «Da es sich vorliegend aufgrund des Alters und der gesundheitlichen Beeinträchtigungen um schwer vermittelbare Katzen handelt, gebietet es die Achtung der Tierwürde zudem, für die Umsetzung der vorgesehenen Massnahmen angemessene Übergangsfristen vorzusehen.» Weiter heisst es: «Eine Tötung der Tiere wäre bei den festgestellten Gesundheitsmängeln nicht erlaubt und nicht mit der Würde der Kreatur und dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu vereinen.» Das ALV erklärt: Gewisse Tiere, die trotz veterinärmedizinischer Behandlung und intensiver Pflege keine Besserung ihres Zustandes zeigten, hätten von ihrem Leiden erlöst werden müssen. «Der Veterinärdienst entscheidet auf Empfehlung des behandelnden Tierarztes über die geeigneten Massnahmen», so das ALV weiter.

Weber legt bald seine Fakten vor
Der Schweizer Tierschutz (STS) kontrollierte das Katzenasyl im Juni 2019 – aufgrund einer Meldung. Das Fazit: «Beim Besuch vor Ort konnten wir keine Verstösse gegen die Haltungsvorschriften der Tierschutzverordnung feststellen.» Und weiter schrieb der STS im Kontrollbericht: «Vor Ort konnte der Allgemeinzustand der Katzen nicht gründlich untersucht werden, jedoch wurden keine offensichtlichen leidenden Tiere gesehen, bei welchen eine Euthanasie hätte in Betrachtung gezogen werden müssen.»

Im Katzenasyl leben aktuell 30 Katzen. Derzeit besteht ein Aufnahmestopp. Neben Weber betreuen eine Praktikantin und eine Mitarbeiterin die Tiere. Wie geht es weiter? Das ALV antwortet: «Verfügungen müssen grundsätzlich umgesetzt werden und diese Umsetzung wird nach Bedarf kontrolliert.» Weber sagt: «Ich kämpfe für meine Katzen.» Nun kann er bei der Staatsanwaltschaft seine Fakten vorlegen.