«Der Hund liegt weit vor der Wahl von Nicole Ruch zur Präsidentin des STS begraben», so Michel Roux. Der Agrarökonom ist mittlerweile aus dem STS-Zentralvorstand (ZV) suspendiert, weshalb, dazu kommen wir später. Roux führt aus, dass der STS seinem ehemaligen Präsidenten Heinz Lienhard und dessen Frau Odilie sehr viel zu verdanken habe. Sie waren es, die die Non-Profit-Organisation gross machten, jedoch auch während 20 Jahren mit fester Hand regierten. «Das Wissen und Sagen hatten nur die Lienhards und der ZV wurde mit loyalen Personen besetzt.» Dem zwölfköpfigen Gremium, welches für die strategische Führung und die Aufsicht der operativen Tätigkeiten verantwortlich ist, sei es untersagt gewesen, irgendeine Vorgehensweise zu hinterfragen, so Roux.

Die CS-Bänkerin Nicole Ruch wurde während knapp zehn Jahren als Mitglied des ZV und stellvertretende Leiterin der Ressorts Personal und Finanzen gezielt als Nachfolgerin von Heinz Lienhard aufgebaut. Bei ihrer Wahl ins Präsidium im November 2021 kündigte sie Reformen in der Führungsetage des STS an – umgesetzt wurden diese bis heute kaum, so der Vorwurf.

Im Gegenteil, das Problem der Machtkonzentration hat sich ausgeweitet, hielt doch Ruch auch die Geschäftsleitung plus fast alle Ressorts inne, verwaltete namentlich das Personal, die Finanzen, die Kommunikation, die Fachbereiche und die Sektionen. Auf Druck verkündete sie im September 2023, diese nicht durch den Vorstand zugewiesenen Mandate abzulegen. «Ich werde bis auf eine Aufgabe alle operativen Aktivitäten abgeben und mich auf die strategischen Tätigkeiten als Präsidentin konzentrieren», so Ruch.

Vertuschungen und Abgänge

So kann zumindest der Kritikpunkt der fehlenden Gewaltentrennung, den die beiden suspendierten ZV-Mitglieder Michel Roux und SP-Nationalrätin Martina Munz vorbringen, entschärft werden. Weitere Kritikpunkte blieben bestehen. So lassen Roux und Munz verlauten, dass die Präsidentin und die alteingesessenen Mitglieder des ZV keine internen Kontrollen zuliessen und so keine transparente Arbeitsweise gewährleisten. Relevante Informationen wie Bauabrechnungen wurden zurückgehalten und die Akteneinsicht verweigert. Von den angekündigten Reformmassnahmen sei nichts spürbar und der ZV trage diese Untätigkeit grossmehrheitlich mit. Personen, die Bedenken am verkrusteten, auf Verschwiegenheit basierenden Führungskonzept anmeldeten und Fragen stellten, wurden abserviert. So entzog Ruch Kurt Aeschbacher den Auftrag für die Erarbeitung eines neuen Kommunikationskonzepts schnell wieder, und der im November 2021 neu gewählte Finanzverantwortliche Jakob Zähner konnte nicht dahinterstehen, dass die Bilanz und Vermögenswerte des STS nicht offengelegt wurden, kein Gesamtbudget bestand, Richtlinien bei der Rechnungslegung nicht eingehalten waren und eine transparente Rechnungslegung verhindert wurde. Nach drei Monaten im Amt gab er seine Demission bekannt, da dieses Vorgehen nicht mit seiner Berufsethik vereinbar war. Auch der 2018 eingestellte Geschäftsführer Stefan Flückiger, zuvor Geschäftsführer von Bio Suisse, nahm im Sommer 2023 wegen unüberbrückbarer Differenzen mit Nicole Ruch seinen Hut. Vizepräsident Piero Mazzoleni legt im «SonntagsBlick» Ruch den vorzeitigen Rücktritt nahe und empfiehlt sich den Sektionen via Mail als Übergangspräsident bis zu einer DV im Mai 2024.

Das Führungsgremium ist nicht der einzige Ort, wo es im STS kriselt: Zu zahlreichen Abgängen kam es im Kontrollteam, welches sich um Tierhaltungs-, Transport- und Schlachthofkontrollen kümmert. Seit Anfang 2022 haben ein Dutzend Mitarbeitende des 22-köpfigen Kontrollteams gekündigt. Michel Roux hat mit acht Mitarbeitenden Gespräche geführt und kam zum Schluss, dass ein Führungsproblem besteht und die Arbeitsbedingungen unbefriedigend sind. «Im Kontrolldienst herrscht eine Kultur der Angst.» Nicole Ruch ist es wichtig, festzuhalten, dass das Team mittlerweile wieder komplett aufgestellt ist und seiner Tätigkeit vollumfänglich nachgehen kann. Der Leiter des Kontrolldienstes hat den STS mittlerweile verlassen.

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Spenden für Beratungsfirmen und Spesen

Roux und Munz wurden hellhörig: «Wir wurden angefragt, dabei mitzuarbeiten, den STS in eine moderne NGO zu überführen.» Die Bereitschaft, uns Einsichten zu gewähren, war aber nicht vorhanden.» Sie beschlossen, aufzudecken, was in der Teppichetage im Argen liegt. Da sie auf Hinweise ungetreuer Geschäftsbesorgungen, insbesondere im Bereich der Liegenschaftsverwaltung stiessen – der Buchwert der 16 STS-Liegenschaften ist mit 24 Millionen Franken beziffert –, beantragte das Zweiergespann eine interne Untersuchung. Der Antrag wurde von der Präsidentin und dem ZV abgelehnt. Stattdessen werden nun Spendengelder dazu verwendet, durch externe Beratungsfirmen Licht ins Dunkel zu bringen. Nicole Ruch führt aus: Eine Immobilienverwaltungsfirma habe einen kleinen Teil des Liegenschaftsgeschäfts analysiert. Nachdem diese Firma gekündigt hat, werde demnächst eine neue Firma mandatiert. Eine weitere Beratungsfirma sei beauftragt worden, den Finanzbereich zu professionalisieren. Dies seien Schritte, um die Modernisierung weiter voranzutreiben. Nicht sie sei es gewesen, die die Reformbemühungen untergraben habe, sondern Roux und Munz hätten dem von ihr angestossenen Modernisierungsvorhaben nicht folgen mögen. «Die beiden ZV-Mitglieder verhielten sich illoyal und unkollegial, weshalb sie suspendiert wurden.» Die Angeschuldigten empfinden diese Aussage als Verleumdung, denn Frau Ruch wolle weder die Untersuchungen noch die Empfehlungen der Beratungsfirmen offenlegen und keine ZEWO-Standards erfüllen, wie für eine NGO dieser Grösse üblich.

Bei den Verlautbarungen über die Spesenbezüge herrscht grössere Übereinkunft. Die beträchtlichen Beträge, die Nicole Ruch für ihre ehrenamtliche Tätigkeit geltend machte, bestreitet sie nicht. «Der Aufwand für mich in der Einarbeitungszeit war gross. Ich bezog für die Doppelfunktion als Präsidentin und Leiterin der Finanzen bis zu 4500 Franken monatlich, bei einem Stundenlohn von 50 Franken.» Da sie viele Dossiers abgebe, werde ihr Aufwand und damit der Spesenbezug deutlich zurückgehen.

Wie weiter?

Was soll sich sonst noch ändern, um das Vertrauen der Mitarbeitenden und Spender wiedergewinnen zu können? Laut Ruch nicht viel. Für sie ist klar: «Ich bin für die Dauer von vier Jahren eingesetzt, also werde ich mich an der DV vom 4. November als Präsidentin zur Wiederwahl stellen.» Ob sich der Zentralvorstand verändern wird, haben laut Ruch die Delegierten zu bestimmen. Von ihrer Seite her scheint kein Umbruch im alteingesessenen Gremium notwendig.

Ein Spendenrückgang sei nicht zu verspüren, aus Erbschaften und Legaten gingen sogar grössere Beträge ein. Wobei beachtet werden muss, dass es sich um Donationen handelt, deren Übergabe vor Jahren angestossen wurde. Nur die Einnahmen aus Spendensammlungen und Mailings zeigen sich rückgängig. Hierfür soll mit einer Digitalagentur ein Konzept erarbeitet werden, wie Zielgruppen online erreicht und begeistert werden können. Neben der veraltet anmutenden Website ein Indiz, dass der STS der Zeit hinterherhinkt. Auch das Engagement eines PR-Beraters für 50 000 Franken, wie Infosperber berichtete, plus die Budgetierung eines Anwalts für 40 000 Franken, wie Michel Roux weiss, überrascht, wenn, wie Ruch beteuert, niemand an der Glaubwürdigkeit des STS zweifelt.

Roux und Munz sehen Veränderungsbedarf. «Am 4. November braucht es eine grundlegende Erneuerung des Vorstandes und des Präsidiums, nur so kann die Glaubwürdigkeit des STS wieder hergestellt werden», so Munz. Falls Ruch Präsidentin bleiben sollte, wird sich zeigen, ob sie zukünftig den Leitspruch ihres LinkedIn-Profils: «Die Zukunft beginnt heute, nicht morgen» einzulösen vermag. Zu gönnen wäre es dem STS, denn engagierte und kompetente Fachpersonen leisten im Namen der Organisation wichtige Arbeit zugunsten der Tiere.

Entgegnung von Nicole RuchSeit dem Rücktritt der langjährigen Führung treiben der ZV und die Präsidentin die Modernisierung der Stiftung voran. Dies wurde erreicht:
Der ZV veranlasste eine Analyse der STS-Immobilien, die gewisse Mängel aufzeigte.  Der ZV entschied, eine neue Immobilienverwaltungsfirma zu engagieren.
Der ZV engagierte ein Beratungsunternehmen, das ein internes Kontrollsystem, eine transparente Rechnungslegung und eine Verbesserung der Corporate Governance implementieren wird. Zudem sollen ein Leiter Finanzen und ein CEO engagiert werden.
Nach dem Rücktritt der ehemaligen Leitungscrew hat Nicole Ruch neben dem Präsidium verschiedene Ressorts übernommen, die sie in der Zwischenzeit teils anderen ZV-Mitgliedern übergeben hat. Sie will sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen.
Im Moment spürt der STS keinen Spendenrückgang. Erbschaften und Legate nehmen zu. Bei den traditionellen Spendensammlungen ist seit Jahren ein leichter Rückgang bemerkbar. Die Online-Spendentätigkeit wird ausgebaut.
Die Spesen von Nicole Ruch sind vergleichbar mit den Spesen der früheren Leitungscrew. Da Frau Ruch verschiedene Dossiers abgeben will, sollen die Spesen zurückgehen.
Michel Roux und Martina Munz haben sich gegen den Reformkurs des ZV gestellt. Sie agierten illoyal und unkollegial. Ihre Vorwürfe wie «Reformstau», «Verschleierung wichtiger Daten» oder «Machtkonzentration» sind falsch. Wir bedauern, dass wir keinen gemeinsamen Dialog finden konnten.