Wenn ihre Vierbeiner Durchfall haben, schwören viele Hundehalter auf die Moro’sche Karottensuppe. Nicht selten geht es dem geplagten Hund bereits nach einer Portion deutlich besser und der Tierarztbesuch wird obsolet. Bedenkt man, dass dieses Wundermittel lediglich aus gekochten Rüebli, Wasser und etwas Salz besteht (siehe Rezept), kann man schon mal ins Grübeln geraten. Wie können drei haushaltsübliche Bestandteile so etwas hartnäckiges wie einen Durchfall bekämpfen? Diese Frage ist so alt wie das simple Wundermittel selber. 

Das Rezept wurde um 1908 von Ernst Moro erfunden, dem damaligen Leiter der Heidelberger Kinderklinik. Zu dieser Zeit starben viele Kinder an Durchfall. Dies, weil sie zu schnell und zu viel Wasser und Mineralsalze verloren und es an Mitteln fehlte, die Erreger zu bremsen. 

Auf der Suche nach einer Lösung stolperte Moro über die Wirkung gekochter Rüebli. Die glichen nicht nur den Elektrolythaushalt der geschwächten Kinder aus, sondern brachten auch den Durchfall zum Verschwinden. Dadurch sank die Sterberate bei Durchfall­erkrankungen bei Kindern drastisch, ein eigentliches Wundermittel war erfunden. 

Langes Kochen ist entscheidend
Dass Rüebli reich an Vitaminen und Mineralien und daher gut fürs Immunsystem sind, wusste man schon damals. Wieso aber die Rüeblisuppe in der Lage war, hartnäckige Durchfälle zu stoppen, blieb lange Zeit unbekannt. Erst Jahrzehnte später konnte die
Superkraft der Suppe wissenschaftlich entlarvt werden. Josef Peter Guggenbichler von der Universitätskinderlinik Erlangen fand anhand einer Studie heraus, dass das Geheimnis der Moro’schen Rüeblisuppe nicht bei den Rüebli lag, sondern an der speziellen Zubereitungsart. 

RüeblisuppeZutaten
500 g frische Karotten
1 gestrichener TL Salz
Wasser

Zubereitung
Die Karotten waschen, schälen, klein schneiden, mit circa 1 Liter Wasser aufkochen und mindestens 90 Minuten köcheln lassen. Danach alles durch ein Sieb drücken oder fein pürieren und mit abgekochtem Wasser zu einer Gesamtmenge von 1 Liter auffüllen. Dann das Salz zufügen und unterrühren.
Zubereitungszeit: circa 2½ Stunden.

Wichtig: Nur wenn die lange Kochzeit eingehalten wird, entstehen die für die Wirksamkeit entscheidenden Oligogalakturonsäuren. Wichtig ist es auch, frische Karotten zu verwenden. Pellets oder getrocknete Karottenwürfel haben nicht den gleichen Effekt.

Um dies nachvollziehen zu können, muss man den Wirkmechanismus des Darmes kennen. Bei Durchfall setzen sich Erreger wie etwa Coli-Bakterien oder Salmonellen an ganz bestimmte Andockstellen im Darm an und können dann ihr Unwesen treiben. Sie vermehren sich und sondern ihre Gifte ab, die den Körper schwächen und schädigen. So entsteht Durchfall. Hier setzt die Moro’sche Rüeblisuppe an, wie Guggenbichler herausfand: Die Suppe verhindert, dass sich die Durchfall auslösenden Bakterien an die Darmwand anheften. 

Eine Arbeitsgruppe um Guggenbichler und den Wiener Pharmakologen Johann Jurenitsch hat daraufhin den Wirkmechanismus der Moro’schen Rüeblisuppe genauer erforscht und die Ergebnisse 2002 in der «Wiener Medizinischen Wochenschrift» veröffentlicht. Durch das lange Kochen der Rüebli entstehen sogenannte Oligogalakturonsäuren. Diese Substanz ähnelt den Rezeptoren, die sich auf der Innenseite des Darms befinden und an denen sich die Krankheitserreger normalerweise anheften.

Bakterien vollständig blockieren
In der Folge heften sich die Keime statt an die Darmwand an die Substanzen aus der Rüeblisuppe und werden ausgeschieden, ohne dass sie ihre krankheitserregende Wirkung entfalten können. Dabei, so zeigte die Studie von Guggenbichler und Jurenitsch, reicht eine Konzentration von 0,005 Prozent Oligogalakturonsäuren tatsächlich aus, um die Bakterien vollständig zu blockieren, die nun ganz einfach mit dem Stuhl ausgeschieden werden können. Elektrolyte werden ausgeglichen und auch dem Flüssigkeitsverlust wird über die Suppe entgegengewirkt. Und was beim Menschen nützt, wirkt auch beim Hund. 

Die Moro’sche Rüeblisuppe beschichtet also gewissermassen den Dünndarm von innen, damit sich krankmachende Bakterien nicht mehr ansiedeln können. Deshalb ist es wichtig, dass die Dünndarmwand bei der Behandlung mit der Suppe voll mit Oligosacchariden beschichtet wird. So wird geraten, dem Hund die Suppe jeweils eine halbe Stunde vor jeder Hauptmahlzeit anzubieten: Bei sehr kleinen Hunden ein, bei kleinen 2,5, bei mittleren fünf Deziliter und bei grossen und sehr gros­sen Hunden entsprechend mehr. 

So ist die Moro’sche Rüeblisuppe gerade am Anfang immer einen Versuch wert, den Durchfall des Hundes schnell in den Griff zu bekommen. Bei schweren Erkrankungen oder wenn die Beschwerden nach ein bis drei Tagen nicht deutlich besser werden, ist dennoch der Gang zum Tierarzt erforderlich.